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Beiträge zum Stichwort ‘ Politik ’



Vorgaben und Folgen des Zuwanderungsgesetzes

Von | 29. Dezember 2005 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

Die TAZ berichtet über Vorgaben und Ziele des Zuwanderungsgesetzes auf der einen Seite (weniger Ausländer, „die uns ausnutzen“, und mehr Ausländer, „die uns nützen“) und über das Resultat („Es kommen weiter massenhaft die Falschen, und nicht die, die wir brauchen“) auf der anderen und über deren Gründe („die Art und Weise, wie das Gesetz zustande […]



Wirtschaftliche Integration

Von | 27. Dezember 2005 | Kategorie: Leitartikel | 11 Kommentare

Deutschland kann Integrationsprobleme nur bewältigen, wenn Migranten wirtschaftlich nachhaltig integriert werden. Das tut nicht nur den Ausländern gut, sondern auch dem deutschen Staat. Die jüngsten Krawalle in Paris machen es deutlich. Dort wurden keine Brände gelegt weil Migranten anders aussahen, die französische Sprache nicht beherrschten oder Muslime waren. Die Brände wurden gelegt weil die Brandstifter […]



Aus Angst um französische Verhältnisse

Von | 20. Dezember 2005 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Zunehmend nutzen deutsche Politiker negative Ereignisse im Ausland mit Ausländern als Steilvorlage, um im Inland Gesetze zu verschärfen ohne dass Parallelen dargelegt werden, die die Annahme bestätigen, dass die Probleme auch Deutschland existieren. Daher zucke ich immer zusammen wenn in deutschen Zeitungen über Probleme, Anschläge oder Krawallen im Ausland berichtet werden und stelle mir die […]



Frankreich als Vorbild für Integrationsfragen

Von | 20. Dezember 2005 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Unsere neue Integrationsbeauftragtin der Bundesregierung, Frau Maria Böhmer möchte sich für eine Selbstverpflichtung deutscher Unternehmer zur Verbesserung der Ausbildungschancen für Ausländer einsetzen. Dabei wolle sich die CDU-Politikerin am „französischen Vorbild“ orientieren. Dort hätten sich rund 240 Unternehmen darauf verständigt, gegen die Diskriminierung von Migranten bei der Ausbildung vorzugehen.



Der Verfassungsschutz als Richter und Henker

Von | 19. November 2005 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

Ulrich Speck in Die Zeit nennt die Empfehlung der BpB in seinem Blog Kosmoblog als „verantwortungslos“. Clemens Wergin von Der Tagesspiegel schließt sich dem an und begründet es mit der Beobachtung Seitens des Verfassungsschutzes.

BpB-Präsident Thomas Krüger dagegen verteidigt die Datenbankaufnahme in Die Welt: „Sie stellt keine Empfehlung dar, sondern will unterrichten. Wir können auch kontroverse Personen aus dem islamistischen Bereich nicht gänzlich außen vor lassen, wenn wir eine sachgerechte Meinungsbildung unterstützen wollen.“

Allein die Beobachtung vom Verfassungsschutz darf in einem Rechtsstaat nicht dazu führen, dass einzelne Personen oder Vereinigungen vom politischen Diskurs ausgeschlossen werden. Für eine gesunde Meinungsbildung ist es notwendig, alle Seiten zu hören. Es darf keine Rolle spielen, ob es sich dabei um Rechtsradikale, Sekten oder Islamisten handelt. Wichtig ist vor allem die Einhaltung des Grundsatzes: Keine Strafe ohne Schuld! Wenn eine Organisation verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so muss sie verboten werden. Wenn allerdings Organisationen, die bereits seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet werden und weiterhin existieren, weil ein Verbotsgrund nicht gefunden werden konnte oder schlicht nicht existiert, so darf das nicht dazu führen, dass diese Organisation dann eben auf der politischen Bühne diffamiert wird.

In „Der Verfassungsschutzbericht – das scharfe Schwert der streitbaren Demokratie – Zur Problematik der Verdachtsberichterstattung“ von Prof. Dr. Dietrich Murswiek, erschienen in NVwZ 2004, 769 wird die Praxis des Verfassungsschutzes kritisiert, Organisationen schon dann im Verfassungsschutz als „extremistisch“ zu bezeichnen, wenn lediglich ein Verdacht besteht, die betreffende Gruppierung könnte verfassungsfeindliche Ziele verfolgen.

Verfassungsschutz und Verfassungsschutzberichte haben die Aufgabe, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Bestrebungen zu schützen, die ihre Abschaffung oder Destabilisierung bezwecken. Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder sind nach Auffassung des Herrn Murswiek darüber hinaus aber auch Instrumente im politischen Kampf. Wer im Verfassungsschutz als „extremistisch“ bezeichnet sei, werde aus der politischen und publizistischen Diskussion ausgeschlossen und politisch wie gesellschaftlich isoliert.

Der Autor ordnet wegen dieses stigmatisierenden Charakters den Verfassungsschutzbericht als eine hoheitliche Maßnahme ein, mit der in die Meinungsfreiheit und ggf. auch in andere Grundrechte der betroffenen Organisationen eingegriffen werde. Diese Grundrechtsbeeinträchtigungen ließen sich nur dann rechtfertigen, wenn mit dem Verfassungsschutzbericht tatsächlich nur erwiesene Verfassungsfeinde bekämpft werden.

Die gängige Praxis, auch solche Organisationen als „extremistisch“ zu erwähnen, bei denen nur ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht, hält Herr Murswiek daher für verfassungswidrig. Der an sich legitime Zweck, die Verfassung gegen ihre Feinde zu schützen, drohe ansonsten in sein Gegenteil umzuschlagen und sich gegen die Demokratie zu wenden.

Meines Erachtens darf der Verfassungsschutz nicht zum Richter und Henker zugleich werden, wenn wir auch in Zukunft für uns in Anspruch nehmen wollen, in einem Rechtsstaat zu leben. Nicht ohne Grund sagte Rupert Schützbach (*1933): „Ein Rechtsstaat ist ein Staat, in dem man um sein Recht kämpfen darf.“ Dieses Recht sollte niemandem verwehrt werden.



Gott zählt auch die Ausländer

Von | 8. November 2005 | Kategorie: Politik | Keine Kommentare

Leider wurde die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland zum Spielball von Unionspolitikern, wie die Frankfurter Rundschau bereits berichtet hat. Ich möchte an dieser Stelle an die Worte von Walter Ludin (*1945) aufmerksam machen, der sagte: “Um im Himmel eingebürgert zu werden, brauchen wir die Stimmen der Ausländer“. Das sollte eigentlich die Christlich Demokratische/Soziale Union am besten wissen.

Gesetze, die für andere Ausländer nicht gelten sollen, wurden bei Türken in einer beispiellosen Kampagne mit zum Teil rechtsgrundlosen oder schlicht irreführenden Belehrungen und Fragebogen vollzogen. Irreführend deswegen, weil in keinem der von den Ländern verschicken Fragebogen zur Informationseinholung über die Doppelte Staatsbürgerschaft, die ausschließlich an die türkischstämmige Bevölkerung verschickt wurden, der Hinweis enthalten war, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nur dann automatisch erlischt, wenn der Widererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf „Antrag“ erworben wurde, was bei vielen nicht zutraf. Eine Voraussetzung, die im Gesetz ausdrücklich erwähnt wird.

§ 25 StAG: „Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag …“

Umso mehr erstaunt es, dass die Damen und Herren beim Innenministerium wie selbstverständlich auf diese Voraussetzung aufmerksam machen, wenn es um die deutsche Staatsbürgerschaft des Papstes geht. Der Papst hätte nämlich keinen Antrag gestellt, sondern sei gewählt worden und somit kraft Gesetzes die vatikanische Staatsbürgerschaft erhalten, was keineswegs zum Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft führe.

Verdutzt nahm ich eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg auf. Das Gericht hatte über den Fall zu entscheiden, bei der den minderjährigen Kindern eines türkischstämmigen Vaters die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden sollte, obwohl der Vater nur für sich einen Einbürgerungsantrag gestellt hatte und die Kinder kraft türkischen Rechts in die türkische Staatsbürgerschaft wieder aufgenommen wurden. Das Gericht hat zu Recht festgestellt, dass die minderjährigen Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verloren haben, weil kein Antrag vorlag. Traurig ist diese Entscheidung nur weil das Gesetz bereits vom Wortlaut her keine andere Entscheidung zulässt und ein Ausländeramt dies dennoch nicht erkennen wollte.

Es ist eine Sache Integration zu fordern, eine ganz andere, Gesetze zu schaffen, die Integration fördern. Fast lächerlich wirken in diesem Zusammenhang die geschönten Einbürgerungszahlen der Integrationsbeauftragten und die seit der Reform des Ausländerrechts erzielten Erfolge bei der Integration. Wenn das Vertrauen in das Rechtssystem und das Gefühl, jemals dazugehören zu können, bei der größten Ausländergruppe fundamental erschüttert wird, kann von Erfolg keine Rede sein.

Um solche und ähnliche Vorkommnisse künftig zu vermeiden, schlage ich vor, den einbürgerungswilligen Ausländern gleich zwei Stimmen bei Wahlen zur Verfügung zu stellen, mit der Auflage, dass über die erste Stimme frei verfügt werden darf. Mit der zweiten Stimme muss er die CDU/CSU wählen.

Ein Trost bleibt dem Deutschtürken am Ende aber doch noch: „Gott zählt auch die Ausländer.“ (George Bernard Shaw (1856 – 1950), Literaturnobelpreisträger 1925).



Der Automatismus, die deutsche Staatsbürgerschaft und der Papst

Von | 4. November 2005 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Bei n-tv bin ich auf eine Meldung gestoßen, bei der ich mir das Lachen nicht verkneifen konnte. Nicht nur ex/wieder Ausländer sind von der Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes betroffen, sondern auch Deutsche. Sogar bayerische Päpste. Nach der Meldung hat der Papst seine deutsche Staatsbürgerschaft wohl automatisch verloren. Mit der Wahl zum Staatsoberhaupt des Vatikantstaates würde er „automatisch“ die vatikanische Staatsbürgerschaft annehmen, was zum automatischen Verlust der deutschen führe.

Eine gewisse Schadenfreude stellt sich bei solchen Meldungen automatisch ein. Nicht wegen Bendikt, wegen der Arroganz der Gesetzgebung. Endlich wird mal aufgezeigt, welche (Un)Wirkung die Vorschrift hat. Mit Pseudointegrationsfördernden Reformen versuchen Politiker immer mehr sich bei der Bevölkerung zu profilieren. Dabei geht es aber nicht darum, tatsächlich Fortschritt zu erzielen und dem Lande und den Menschen zu dienen. Das Recht wird immer mehr zur Vorlage bevorstehender Wahlen. Es wird Zeit, dass man begreift, was man verursacht. Tatsächlich haben sie es geschafft den Papst auszubürgern. Saubere, effektive wie effiziente Arbeit vom Feinsten.

Kurios wird das ganze aber erst, wenn man bedenkt, dass die Streichung der Inlandsklausel den Zweck hatte, ca. 50.000 türkischstämmige Deutsche auszubürgern. Laut Bayerisches Staatsministerium des Innern, haben sie deutsche Staatsbürgerschaft automatisch verloren, weil sie die türkische wieder angenommen haben.

Ein türkisches Sprichwort sagt: “Kime niyet, kime kismet“, was so viel Bedeutet wie: „Auf wen abgesehen und wessen Schicksal geworden“.



Frau Merkel, Naivität und Vertrauen

Von | 19. Oktober 2005 | Kategorie: Politik | Keine Kommentare

Die Vorstellungen Frau Merkels über eine privilegierte Partnerschaft für die Türkei sind nicht neu, das Festhalten daran doch zunehmend naiv.

Rose von der Au (*1953), deutsche Lyrikerin und Aphoristikerin schrieb über Vertrauen: „Ich werde stets viel Zeit finden um das Vertrauen von Menschen zu gewinnen die meines Vertrauens würdig sind, aber keine verschwenden an die, die mein Vertrauen missbrauchen.“

Die Türkei wird keine Zeit mehr verschwenden an die, die ihr Vertrauen missbrauchen. Insofern ist die Debatte über eine privilegierte Partnerschaft überflüssig. Es geht um die Aufnahme oder eben um die Nichtaufnahme mit allen Konsequenzen.

„Es kann keine Freundschaft ohne Vertrauen … geben“, sagte zu dem Samuel Johnson (1709 – 1784), ein englischer Sprachforscher, Lehrer, Journalist und Herausgeber moralischer Wochenschriften.



Die Burka und das Arbeitslosengeld

Von | 13. Oktober 2005 | Kategorie: Gesellschaft | Keine Kommentare

Es ist nicht einfach, hier eine Balance zwischen der garantierten Religionsfreiheit und dem sozialstaatlichen Gerechtigkeitsempfinden zu finden. Fakt ist zunächst, dass auch die Burka unter die Religionsfreiheit fällt. Sehr oft hat bereits das Bundesverfassungsgericht betont, dass jeder seine Religion so leben darf, wie er/sie es für richtig hält. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Religion allgemein anerkannt ist oder ob es sich dabei um eine kleine Gruppe handelt. Voraussetzung ist lediglich eine ernsthafte Glaubhaftmachung. In diesem Sinne spielt es dann auch keine Rolle, ob das Tragen einer Burka für eine Muslime Pflicht ist oder nicht.

Wenn wir nun auch, den ebenfalls im Grundgesetz verankerten, Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht ziehen, dürfte eine Streichung des Arbeitslosengeldes aus diesem Grund nicht in erfolgen. Denn niemand darf wegen seines Glaubens, seiner religiösen Anschauung benachteiligt werden.

Zugegeben, so eindeutig die Rechtslage im Grunde auch sein mag, etwas kratzt schon an meinem Gerechtigkeitssinn. Ich sehe all diejenigen, die Tag für Tag zur Arbeit gehen und ein gutes Teil Ihres Einkommens für den Sozialstaat abzweigen mit einem unbehaglichen aber doch tröstendem Gefühl, dass sie es ja zurückbekommen, wenn es sie mal trifft.

Wieso, so denke ich mir provokativ, soll jemand auf der Tasche anderer liegen, nur weil sie nach muslimischen Geboten leben will, wobei anzumerken ist, dass das Tragen einer Burka, lediglich nach einer Mindermeinung, Pflicht ist? Kann man denn nicht ein Mindestmaß an Anpassung an die hiesigen Verhältnisse verlangen? Wie sollte man denn die Ernsthaftigkeit der Glaubhaftmachung widerlegen können, wenn sie gut vorgetragen wird? Da könnte ja jeder kommen. Verpflichtet das Gesetz denn nicht alles zu unterlassen, was einer Anstellung auf einem neuen Arbeitsplatz entgegen steht? Nun gut, das könnte im Einzelfall über das Ziel hinausschießen, wenn eine arbeitslose Frau an eine Bar zum Kellnern vermittelt wird und von Ihr verlangt wird, den Gepflogenheiten des Milieus und den männlichen Kundenwünschen entsprechend, gekleidet zu erscheinen.

Doch, frage ich mich, steckt hinter diesen und ähnlichen Maßnahmen noch etwas anderes? Etwas Tieferes als eine simple Abwägung zweier Interessen? Nahezu aufdrängen tut sich die Frage, was mit denjenigen ist, die etwa wegen Ihrer rosaroten Haare und den seit Wochen nicht gewaschenen und deshalb bis in den Himmel stinkenden Rasterlocken nicht vermittelt werden können weil deren Körper womöglich noch mit Tattoos und Piercings übersät sind. Sicher treffen auf solche Personen dieselben Argumente zu, wie bei der Burka tragenden Muslima. Wobei unser fiktiver rosaroter Panther seine Beweggründe noch nicht einmal mit irgendeiner Religion rechtfertigen könnte. Wieso, so drängt sich mir die Frage auf, wieso wird eine Muslima Zielscheibe solcher oder ähnlicher Maßnahmen und nicht eine mit Sicherheit zahlenmäßig viel größere Gruppe von Personen, die ebenfalls auf der Tasche anderer leben?

Es ist und bleibt eine zwiespältige Angelegenheit, bei der beide Seiten der Medaille nicht glänzen. Entscheide ich mich gegen die Burka, würde ich mich auch gleichzeitig gegen fundamentale Grundwerte der Verfassung entscheiden, die ich schätze. Entscheide ich mich für die Burka, bleibt ein unbehagliches Gefühl, denen Gegenüber, die arbeiten und ihren aktiven Beitrag leisten. Und dann ist da noch der rosarote Panther.



Innenministerium fordert Behörden auf, ARB 1/80 zu umgehen

Von | 14. Juli 2005 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

Das am 12. September 1963 von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten mit der Türkei geschlossene Assoziationsabkommen (BGBl. 1964 II S. 509) nebst dem Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 (BGBl. 1972 II S. 385) hat zum langfristigen Ziel, die Türkei über eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die Errichtung einer Zollunion (seit 1. Januar 1996) auf einen Beitritt zur Europäischen Union vorzubereiten. Seit dem hat sich die Türkei sowohl politisch als auch wirtschaftlich der Europäischen Union angenähert und befindet sich auf bestem Wege zur Vollmitgliedschaft.

Umso mehr verwundern in diesem Zusammenhang die allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern in der Fassung vom 2. Mai 2002 zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei, worin die Behörden offen dazu aufgefordert werden, Türken vom Anwendungsbereich des Beschlusses herauszuhalten, in dem man die erstmalige Arbeitsaufnahme gemäß den innerstaatlichen ausländer- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf zunächst höchstens elf Monate befristet. Denn sobald ein türkischer Arbeitnehmer mehr als ein Jahr ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber ordnungsgemäß beschäftigt ist, besitzt er kraft dieses Beschlusses ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Begründet wird diese Aufforderung damit, dass die Verfestigungsregeln des ARB 1/80 im Ergebnis gegen geltenden Anwerberstopp zuwider laufen würden.

In Zeiten einer historischen Annäherung der Türkei an Europa ist es bemerkenswert, dass wegen innerstaatlichen Arbeitsmarkpolitischen Interessen der Sinn und Zweck eines internationalen Beschlusses vereitelt wird, was nicht nur aus politischer, sondern auch aus juristischer Sicht bedauerlich ist. Diese Aufforderung erhebt innerstaatliche einfache Gesetze praktisch über den Beschluss des Assoziationsrates, so dass dessen Anwendungsbereich faktisch verkleinert wird.



Doppelte Staatsbürgerschaft – Eine Falle?

Von | 1. April 2005 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist in der Bundesrepublik Deutschland eine mehrfache Staatsbürgerschaft nicht unzulässig. Bis zum In-Kraft-Treten des StAngRG am 1. Januar 2000 galt nach § 25 Abs. 1 aF, dass derjenige die deutsche Staatsbürgerschaft durch die Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft nicht verliert, der im Inland seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hat (Staatsangehörigkeitsrecht, Heilbronner/Renner, München 2005, 4. Auflage, § 25 StAG Rn. 25). Demnach konnten Ausländer, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatten, die alte Staatsangehörigkeit wieder erlangen, wenn Sie nach wie vor in Deutschland ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hatten (sog. Inlandsklausel). Vor allem diese Vorschrift manifestierte in der Vergangenheit den Grundsatz, dass doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich und unter bestimmten Voraussetzungen möglich waren.
Von dieser Regelung wurde insbesondere von türkischstämmigen Ausländern oft Gebrauch gemacht, so dass die Bundesregierung die Inlandsklausel mit Wirkung zum 1. Januar 2000ersatzlos strich. Mit der Konsequenz, dass seit diesem Zeitpunkt eingebürgerte ehemalige Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes, d.h. ohne dass es eines Verwaltungsaktes oder einer sonstigen Handlung bedarf, verlieren, sobald der Eingebürgerte durch seinen Antrag hin die Staatsbürgerschaft seines alten Landes oder eines anderen Landes annimmt. Der Betroffene wird zwar aufgrund der Vermutungswirkung seiner noch gültigen Papiere wie ein Deutscher behandelt. Dieser Zustand kann jedoch enden, sobald die Behörden Kenntnis von der doppelten Staatsangehörigkeit erlangen. Deutsche Behörden können auf verschiedene Weise von einer Wiedereinbürgerung erfahren, z.B. bei Ausstellung neuer Ausweispapiere, Anmeldung einer Eheschließung, Antrag auf Familienzusammenführung oder Einbürgerung des Ehepartners. Auch dürften deutsche und insbesondere türkische Behörden aufgrund des anvisierten Beitritts der Türkei zur Europäischen Union mittlerweile besser kooperieren. Inzwischen verzichtet die Türkei offenbar darauf, bei Auszügen aus den Personenstandsregistern die Tatsache einer Wiedereinbürgerung zu verschleiern (Bundeszentrale für politische Bildung, Migration und Bevölkerung, Ausgabe 2 März 2005, Seite 2).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diejenigen, die nach dem 1. Januar 2000 Ihre Einbürgerungsanträge gestellt haben, zum Zeitpunkt der Wiedererlangung ihrer alten Staatsangehörigkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch (kraft Gesetzes) verloren haben.

II.
Die genaue Anzahl der betroffenen Personen ist aktuell nicht ermittelbar (BT-Drucksache 15/4880). Schätzungsweise sind jedoch 50.000 türkischstämmige Bürger vom Wegfall der Inlandsklausel unmittelbar betroffen (Dr. Lale Akgün, Hintergrundinformation: Chance zur Wiedereinbürgerung; http://www.lale-akguen.de/), so die türkische Regierung. Allein die große Anzahl der Betroffenen führte in jüngster Vergangenheit dazu, dass zahlreiche Artikel in Printmedien veröffentlicht wurden, die allerdings mehr zur Verwirrung beitrugen als den Betroffenen zu helfen. Sogar Äußerungen von Politikern geben meist nur Halbwahrheiten wieder, die meist unvollständig sind oder mögliche Probleme herunterspielen oder gar ganz verschweigen. So z.B. Dr. Lale Akgün, die auf ihrer Homepage einige Hintergrundinformation zum Thema bereitstellt, darin jedoch in einer unverantwortlichen Art und Weise über die Konsequenzen ihrer Lösungsvorschläge schweigt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Betroffene nach § 38 AufenthG ein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis haben, wenn sie fünf Jahre lang als Deutsche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben oder ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis, die nur noch befristet erteilt wird, aber grundsätzlich verlängerbar ist, wenn man mindestens ein Jahr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Was auf den ersten Blick stimmt und wie eine Regelung erscheint, die durchdacht und angemessen ist, kommen doch bei einer näheren Betrachtung erhebliche Zweifel auf, die für die Betroffenen meist nicht hinnehmbar sein werden.

1. Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Bürger der vor seiner Einbürgerung im Besitze einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder gar im Besitze einer Aufenthaltsberechtigung war, durch die unverantwortliche Wiedereinbürgerungspraxis der Konsulate und der mangelnden Informationspolitik der deutschen Regierung, die türkische Staatsangehörigkeit wieder erlangt hat, de facto zurückgestuft wird und nur noch die befristete Aufenthaltserlaubnis erlangen kann. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die meisten Betroffenen, wenn sie Kenntnis über die Rechtslage gehabt hätten, die Wiedereinbürgerung nicht beantragt oder zumindest von der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband Abstand genommen hätten. Nicht zu vergessen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland von der Einbürgerungspraxis der ausländischen Konsulate informiert war und dennoch nichts unternahm, um über die Auswirkungen der Wiedererlangung einer anderen Staatsbürgerschaft zu informieren. Erst jetzt sieht man halbherzige Bemühungen, die Bevölkerung mit mehrsprachigen Broschüren aufzuklären.

2. Die mögliche Niederlassungserlaubnis, was der alten Aufenthaltsberechtigung gleich kommt, ist in diesem Zusammenhang Makulatur, da diese eine fünfjährige deutsche Staatsbürgerschaft voraussetzt. Der Wegfall der Inlandsklausel trat am 1. Januar 2000 in Kraft und das Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2005. Da niemandem am 1. Januar 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde und niemand zugleich am 1. Januar 2005 die türkische wiedererlangt hat, erfüllt keiner der Betroffenen die Voraussetzung, fünf Jahre als Deutscher den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland zu haben. Demnach dürfte der Anwendungsbereich des § 38 AufenthG bezüglich der Niederlassungserlaubnis, äußerst gering sein.

3. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf die befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 38 AufenthG (s.o.) müssen, und das wird meist verschwiegen, zusätzlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift muss unter anderem der allgemeine Lebensunterhalt gesichert sein. Der Regelerteilungsgrund der Lebensunterhaltsicherung dient dazu, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu vermeiden (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 5.1.1.2). Eine Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ist gegeben, wenn der Lebensunterhalt entweder aus eigenen Mitteln des Ausländers oder aus Mitteln Dritter, die keine öffentlichen Mittel sind, bestritten wird und dies nicht nur vorübergehend. Eine Sicherungsmöglichkeit besteht auch im Rahmen einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG oder durch Unterhaltsleistungen von Familienangehörigen oder Dritter (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 2.3 ff.). Festzuhalten ist demnach, dass ein Ausländer nach § 38 AufenthG keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hat, wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Wiedereinbürgerung verloren hat und mittlerweile arbeitslos geworden ist und Arbeitslosengeld II bezieht. Bei der bis 31. Dezember 2004 geltenden Regelung hätte er noch Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt und somit einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Die im Rahmen der Hartz IV Reform erfolgten Veränderungen können somit im Einzelfall Folgen bis hin zur Abschiebung haben. Auch wird der Assoziationsratsbeschluss 1/80 den Betroffenen nicht weiterhelfen, da diese auf Selbständige und Nichterwerbstätige keine Anwendung findet (BT-Drucksache 15/4880).

III.
1. Ein weiteres Problem könnte unter Umständen in Bezug auf das Kindergeld entstehen. Nach aktueller Rechtslage haben Anspruch auf Kindergeld nur diejenigen Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis oder Aufenthaltserlaubnis besitzen, § 1 Abs. 3 BKGG. Da Ausländer, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit ab dem Zeitpunkt verloren haben, zu dem sie ihre alte Staatsbürgerschaft wieder erlangt haben, auch keine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis haben, kann das ihnen gezahlte Kindergeld rückwirkend zurückverlangt werden. So hat das Finanzgericht Münster einen Betroffenen in einem vergleichbaren Fall zur Rückzahlung des zu Unrecht erhaltenen Kindergelds verurteilt (Finanzgericht Münster, Az: 14 K 1288/01 Kg). Hoffnung gibt allerdings eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die bisherige Differenzierung der Anspruchsberechtigten nach deren aufenthaltsrechtlichem Status in der bisherigen Art und Weise für verfassungswidrig erklärt. Demnach darf für einen Anspruch auf das Kindergeld nicht Maßstab sein, ob der Betroffene eine Aufenthaltserlaubnis hat oder nicht. Wie allerdings die Bundesregierung die gesetzte Frist bis zum 1. Januar 2006 nutzen wird um eine Neuregelung zu verabschieden, bleibt abzuwarten.

2. Auch die bereits erfolgte Familienzusammenführung von ehemaligen Deutschen, kann unter Umständen zum Problem werden. Wer zum Zeitpunkt der Familienzusammenführung wegen der Wiedereinbürgerung die deutsche Staatsbürgerschaft verloren hatte, hätte rechtlich gesehen überhaupt kein Anspruch auf Familienzusammenführung gehabt. Insofern war die Einreise rechtswidrig und auch sonstige erteilte Aufenthaltstitel, so dass auch hier die Ausweisung des Ehepartners droht.

3. Weitere zahlreiche Fälle könnten hier noch angeführt werden, deren einzelne Ausführung jedoch hier den Rahmen sprengen würde, wie z.B. das ausgeübte Wahlrecht oder der abgeleistete Militärdienst.

IV.
Aufgrund dieser zu erwartenden möglichen Probleme stellt sich unter den Betroffenen zu Recht die Frage, wie man sich verhalten soll. Dr. Lale Akgün, die Bundestagsabgeordnete der SPD, rät dazu, sich bei den Behörden zu stellen, um anschließend vom Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis Gebrauch zu machen. Ob diese Vorgehensweise die Beste ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit beantworten. Fakt ist, dass sowohl die türkische als auch die deutsche Regierung noch keine Lösung für die Problematik gefunden haben, die Bemühungen allerdings fortdauern. Fest steht allerdings auch, dass es aktuell kein Grund zur Eile gibt. Laut § 38 Abs. 1 AufenthG haben ehemalige Deutsche eine Frist von sechs Monaten, nach Kenntnis vom Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft, den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Die Frist beginnt mit der Erlangung der Kenntnis von dem rechtlichen Sachverhalt des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Antragsteller, nicht aber bereits mit der Erlangung der Kenntnis von den Gründen, die zu diesem Verlust führen. Zudem setzt erst die hinreichend sichere Kenntnis von dem Verlust der Staatsangehörigkeit die Frist in Gang. Erforderlich ist in der Regel die Kenntnisnahme einer verbindlichen Äußerung einer zuständigen Behörde, etwa einer Staatsangehörigkeitsbehörde (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 38.1.10).
Die Entlassung aus der alten Staatsbürgerschaft zu beantragen, ist ebenfalls keine Lösung für mögliche Probleme, da unabhängig von einer anderen Staatsbürgerschaft die deutsche bereits gesetzlich weggefallen ist (s.o.). Dies würde allenfalls dazu führen, dass der Betroffene staatenlos wird.

V.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „ehemalige“ Deutsche, einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis haben, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist. Zurzeit besteht keine notwendiger Handlungsbedarf, da abzuwarten bleibt, ob und welche Lösungen zu dieser Problematik noch ausgearbeitet werden. Abzuwarten ist letztlich auch die Durchführung des neuen Zuwanderungsgesetzes und der damit verbundenen übrigen Probleme.





 

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