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Frau Merkel, Naivität und Vertrauen

Von | 19. Oktober 2005 | Kategorie: Politik | Keine Kommentare

Die Vorstellungen Frau Merkels über eine privilegierte Partnerschaft für die Türkei sind nicht neu, das Festhalten daran doch zunehmend naiv.

Rose von der Au (*1953), deutsche Lyrikerin und Aphoristikerin schrieb über Vertrauen: „Ich werde stets viel Zeit finden um das Vertrauen von Menschen zu gewinnen die meines Vertrauens würdig sind, aber keine verschwenden an die, die mein Vertrauen missbrauchen.“

Die Türkei wird keine Zeit mehr verschwenden an die, die ihr Vertrauen missbrauchen. Insofern ist die Debatte über eine privilegierte Partnerschaft überflüssig. Es geht um die Aufnahme oder eben um die Nichtaufnahme mit allen Konsequenzen.

„Es kann keine Freundschaft ohne Vertrauen … geben“, sagte zu dem Samuel Johnson (1709 – 1784), ein englischer Sprachforscher, Lehrer, Journalist und Herausgeber moralischer Wochenschriften.



Die Burka und das Arbeitslosengeld

Von | 13. Oktober 2005 | Kategorie: Gesellschaft | Keine Kommentare

Es ist nicht einfach, hier eine Balance zwischen der garantierten Religionsfreiheit und dem sozialstaatlichen Gerechtigkeitsempfinden zu finden. Fakt ist zunächst, dass auch die Burka unter die Religionsfreiheit fällt. Sehr oft hat bereits das Bundesverfassungsgericht betont, dass jeder seine Religion so leben darf, wie er/sie es für richtig hält. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Religion allgemein anerkannt ist oder ob es sich dabei um eine kleine Gruppe handelt. Voraussetzung ist lediglich eine ernsthafte Glaubhaftmachung. In diesem Sinne spielt es dann auch keine Rolle, ob das Tragen einer Burka für eine Muslime Pflicht ist oder nicht.

Wenn wir nun auch, den ebenfalls im Grundgesetz verankerten, Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht ziehen, dürfte eine Streichung des Arbeitslosengeldes aus diesem Grund nicht in erfolgen. Denn niemand darf wegen seines Glaubens, seiner religiösen Anschauung benachteiligt werden.

Zugegeben, so eindeutig die Rechtslage im Grunde auch sein mag, etwas kratzt schon an meinem Gerechtigkeitssinn. Ich sehe all diejenigen, die Tag für Tag zur Arbeit gehen und ein gutes Teil Ihres Einkommens für den Sozialstaat abzweigen mit einem unbehaglichen aber doch tröstendem Gefühl, dass sie es ja zurückbekommen, wenn es sie mal trifft.

Wieso, so denke ich mir provokativ, soll jemand auf der Tasche anderer liegen, nur weil sie nach muslimischen Geboten leben will, wobei anzumerken ist, dass das Tragen einer Burka, lediglich nach einer Mindermeinung, Pflicht ist? Kann man denn nicht ein Mindestmaß an Anpassung an die hiesigen Verhältnisse verlangen? Wie sollte man denn die Ernsthaftigkeit der Glaubhaftmachung widerlegen können, wenn sie gut vorgetragen wird? Da könnte ja jeder kommen. Verpflichtet das Gesetz denn nicht alles zu unterlassen, was einer Anstellung auf einem neuen Arbeitsplatz entgegen steht? Nun gut, das könnte im Einzelfall über das Ziel hinausschießen, wenn eine arbeitslose Frau an eine Bar zum Kellnern vermittelt wird und von Ihr verlangt wird, den Gepflogenheiten des Milieus und den männlichen Kundenwünschen entsprechend, gekleidet zu erscheinen.

Doch, frage ich mich, steckt hinter diesen und ähnlichen Maßnahmen noch etwas anderes? Etwas Tieferes als eine simple Abwägung zweier Interessen? Nahezu aufdrängen tut sich die Frage, was mit denjenigen ist, die etwa wegen Ihrer rosaroten Haare und den seit Wochen nicht gewaschenen und deshalb bis in den Himmel stinkenden Rasterlocken nicht vermittelt werden können weil deren Körper womöglich noch mit Tattoos und Piercings übersät sind. Sicher treffen auf solche Personen dieselben Argumente zu, wie bei der Burka tragenden Muslima. Wobei unser fiktiver rosaroter Panther seine Beweggründe noch nicht einmal mit irgendeiner Religion rechtfertigen könnte. Wieso, so drängt sich mir die Frage auf, wieso wird eine Muslima Zielscheibe solcher oder ähnlicher Maßnahmen und nicht eine mit Sicherheit zahlenmäßig viel größere Gruppe von Personen, die ebenfalls auf der Tasche anderer leben?

Es ist und bleibt eine zwiespältige Angelegenheit, bei der beide Seiten der Medaille nicht glänzen. Entscheide ich mich gegen die Burka, würde ich mich auch gleichzeitig gegen fundamentale Grundwerte der Verfassung entscheiden, die ich schätze. Entscheide ich mich für die Burka, bleibt ein unbehagliches Gefühl, denen Gegenüber, die arbeiten und ihren aktiven Beitrag leisten. Und dann ist da noch der rosarote Panther.



Doppelpass bei Israelis erlaubt

Von | 12. Oktober 2005 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

1. Nicht nur bei Israelis, sondern bei allen Nationen ist und wird die doppelte Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn eines der zahlreichen Ausnahmevorschriften des § 12 StAG greifen.

2. Die betroffenen würden unterrichtet werden, wie sie die deutsche Staatsbürgerschaft behalten – vorausgesetzt, die deutsche Staatsbürgerschaft ist nicht bereits erloschen (dies geht aus dem zweiten Halbsatz hervor – oder bei vorherigem Verlust wieder erwerben können. Damit sagt dieser irreführende Satz nicht mehr aus, als dass auch Israelis bei Erwerb Ihrer israelischen Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft verloren haben oder

3. eine Beibehaltungsgenehmigung einholen sollen. Auch die Nennung der Wiedereinbürgerungsmöglichkeit zeigt, dass die deutsche Staatsbürgerschaft zunächst einmal verloren gegangen ist.

4. Worin die Privilegierung liegen soll wird in diesem Kontext nicht klar. Was allerdings auch an dem Anfangs geschriebenen kratzt. Es bleibt die Frage, wie die CDU/CSU versucht haben zu verhindern, dass die „deutsch-israelis“ an den Bundeswahlen teilnehmen können. Wie hatte Hartmut Koschyk innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion doch noch mal gesagt: „Vor der Bundestagswahl muss der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig Geltung verschafft werden. Es muss Gewissheit herrschen, dass Personen, die ihr Wahlrecht verloren haben, nicht an der Bundestagswahl teilnehmen können. Die Wählerinnen und Wähler müssen sicher sein können, dass alles mit rechten Dingen zugeht.“



Innenministerium fordert Behörden auf, ARB 1/80 zu umgehen

Von | 14. Juli 2005 | Kategorie: Recht | Keine Kommentare

Das am 12. September 1963 von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten mit der Türkei geschlossene Assoziationsabkommen (BGBl. 1964 II S. 509) nebst dem Zusatzprotokoll vom 23. November 1970 (BGBl. 1972 II S. 385) hat zum langfristigen Ziel, die Türkei über eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik und die Errichtung einer Zollunion (seit 1. Januar 1996) auf einen Beitritt zur Europäischen Union vorzubereiten. Seit dem hat sich die Türkei sowohl politisch als auch wirtschaftlich der Europäischen Union angenähert und befindet sich auf bestem Wege zur Vollmitgliedschaft.

Umso mehr verwundern in diesem Zusammenhang die allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern in der Fassung vom 2. Mai 2002 zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei, worin die Behörden offen dazu aufgefordert werden, Türken vom Anwendungsbereich des Beschlusses herauszuhalten, in dem man die erstmalige Arbeitsaufnahme gemäß den innerstaatlichen ausländer- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf zunächst höchstens elf Monate befristet. Denn sobald ein türkischer Arbeitnehmer mehr als ein Jahr ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber ordnungsgemäß beschäftigt ist, besitzt er kraft dieses Beschlusses ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Begründet wird diese Aufforderung damit, dass die Verfestigungsregeln des ARB 1/80 im Ergebnis gegen geltenden Anwerberstopp zuwider laufen würden.

In Zeiten einer historischen Annäherung der Türkei an Europa ist es bemerkenswert, dass wegen innerstaatlichen Arbeitsmarkpolitischen Interessen der Sinn und Zweck eines internationalen Beschlusses vereitelt wird, was nicht nur aus politischer, sondern auch aus juristischer Sicht bedauerlich ist. Diese Aufforderung erhebt innerstaatliche einfache Gesetze praktisch über den Beschluss des Assoziationsrates, so dass dessen Anwendungsbereich faktisch verkleinert wird.



Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit für die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland

Von | 7. Juni 2005 | Kategorie: Leitartikel | 2 Kommentare

Es gibt eine Reihe Ausnahmen im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht, die eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorsehen. Im Folgenden werden die einzelnen Voraussetzungen vorgestellt um sodann in die Feinheiten der meist unbestimmten Begriffe einzugehen und diese auf die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland zu übertragen.



Doppelte Staatsbürgerschaft der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland

Von | 26. Mai 2005 | Kategorie: Leitartikel | 61 Kommentare

Bis zum 31.12.1999 bestand jedoch die „Inlandsklausel“, die im Inland lebende Deutsche vom automatischen Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft ausnahm. Nachdem diese rechtliche Möglichkeit von manchen genutzt worden war, ihre gerade im Zusammenhang mit der deutschen Einbürgerung aufgegebene frühere Staatsangehörigkeit gefahrlos wieder zu erwerben, wurde versucht, dieser Praxis mit dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBI, l S. 1618) entgegenzuwirken.
Mit der Streichung der „Inlandsklausel“ hat sich die Rechtslage geändert: Wenn im Inland lebende Deutsche seit dem 1.1.2000 eine ausländische Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben haben, ohne vorher eine Beibehaltungsgenehmigung einzuholen, haben die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt kraft Gesetzes automatisch (Staatsangehörigkeitsrecht, Hailbronner/Renner, München 2005, 4. Auflage, § 25 StAG Rn. 6) zu dem Zeitpunkt ein, in dem die ausländische Staatsangehörigkeit tatsächlich (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) Vom 13. Dezember 2000, Nr. 25.1.2. StAR-VwV ) erworben wurde. Abgestellt wird hierbei nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den der Einbürgerung. Maßgeblich ist insoweit das ausländische Recht (Staatsangehörigkeitsrecht, Hailbronner/Renner, München 2005, 4. Auflage, § 25 StAG Rn. 11).

2. Problematik und Ausmaß

Die seit mehreren Jahren andauernde Einbürgerungswelle der türkischen Bevölkerung in Deutschland hat ihren Höhepunkt erreicht, als seitens der türkischen Regierung die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ausdrücklich unterstützt wurde. Die Unterstützungsmaßnahme ging so weit, dass für ausgebürgerte Türken eine so genannte „Rosa Karte“ eingeführt wurde, mit denen sie als nicht türkische Staatsbürger in der Türkei diverse Bürgerrechte wahrnehmen konnten. Die „Rosa Karte“ wurde von den türkischen Konsulaten im Rahmen des Ausbürgerungsprozesses ausgehändigt.

Trotz Einführung der „Rosa Karte“ haben viele türkischstämmige Bürger die türkische Staatsangehörigkeit, auch begünstigt durch die „Inlandsklausel“, wieder erlangt, da die mit der „Rosa Karte“ versprochenen Rechte in den türkischen Behörden weitestgehend unbekannt waren und daher die Durchsetzung der Rechte in vielen Teilen der Türkei nahezu unmöglich war.

Die „Inlandsklausel“ haben die meisten der türkischstämmigen Bürger genutzt um die unbefriedigende Situation zu meistern. Einerseits war der Wunsch vorhanden, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, um am öffentlichen Leben teilhaben zu können, andererseits jedoch wollten sie keine, meist wirtschaftliche (erbrechtlich oder immobiliarsrechtlich), Nachteile hinnehmen, die durch den Verlust der türkischen Staatsbürgerschaft verbunden waren.

3. Praxis der türkischen Konsulate bei Ausbürgerungen aus der türkischen Staatsbürgerschaft und die Wiedereinbürgerung

Diese weit verbreitete Einbürgerungspraxis haben die meisten auch nach Wegfall der „Inlandsklausel“ am 01.01.2000 fortgeführt, ohne rechtliche Nachteile befürchten zu müssen, da die Gesetzesänderung und insbesondere deren Auswirkungen von der breiten Masse nicht wahrgenommen wurde. Auch die Belehrung bei der Einbürgerung in den Deutschen Staatsverband blieb, was die hohe Anzahl der Doppelstaatler zeigt, ohne Wirkung. Ebenso wenig haben türkische Konsulate auf die Gesetzesänderung reagiert und die Wiedereinbürgerung ohne Vorbehalte weitergeführt. Nach Auskunft der türkischen Regierung haben ca. 40.000 bis 50.000 Personen die türkische Staatsbürgerschaft nach dem 01.01.2000 wieder erlangt (Deutscher Bundestag Drucksache 15/4880). Insbesondere die Konsulate haben dazu beigetragen, dass diese Praxis weitergeführt wurde. Die Betroffenen wurden mit der Erteilung der Unterlagen zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit gefragt, ob sie wieder eingebürgert werden möchten. Dabei wurden teilweise falsche Auskünfte erteilt, wonach die Wiedereinbürgerung keinerlei Auswirkungen auf die deutsche Staatsangehörigkeit habe oder die Türkei niemals Auskunft über die Wiedereinbürgerung erteilen würde. Dies wird durch den Runderlass vom 10. September 2001 durch die türkische Regierung an alle Gouverneursämter dokumentiert. Die Gouverneursämter wurden angewiesen, die in Deutschland verlangten Registerauszüge zu manipulieren und so den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gegenüber deutschen Behörden zu verschleiern. Ohne eine aktive Mitwirkung der türkischen Konsulate bei der Wiedereinbürgerung gäbe es keinen Anlass für eine Verschleierungstaktik. Oftmals wurden die Betroffenen nicht einmal befragt, ob sie die türkische Staatsangehörigkeit wieder erlangen möchten.

Diese Praxis zeigt, dass die Betroffenen in zweierlei Hinsicht in die Irre geführt wurden. Zum einen wurde verschwiegen, dass die deutsche Staatsbürgerschaft mit Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit automatisch verloren geht. Zum anderen stimmt die Aussage nicht, dass die türkische Regierung keine Auskunft erteilen wird. Wenn Deutschland das Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsermittlungen vom 10.09.1964 ratifiziert, würde Deutschland gegenüber der Türkei eine rechtliche Grundlage zum Erhalt von Einbürgerungsmitteilungen erlangen (Pressetexte der CDU/CSU Fraktion, 09.03.2005, Regierung unterschätzt Problematik der Scheinbürgerschaften).

4. Fallgruppen

a. Wiedereinbürgerung auf Antrag

Personen, die auf Antrag die türkische Staatsangehörigkeit nach dem 1. Januar 2000 erlangt haben, haben die deutsche Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes verloren, § 25 StAG. Hierbei ist der Zeitpunkt der Antragstellung zu berücksichtigen, auf den unten unter 5. a. näher eingegangen wird.

b. Wiedereinbürgerung ohne Antrag bzw. gegen den Willen

Viele der wieder eingebürgerten türkischstämmigen Deutschen wurden ohne einen entsprechenden Antrag auf Einbürgerung bzw. gegen ihren Willen wieder eingebürgert. Bei Ausstellung der Austrittsunterlagen aus der türkischen Staatsangehörigkeit wurde in der Praxis insbesondere bei männlichen Bürgern, die ihren Wehrdienst nicht abgeleistet haben, die Wiedereinbürgerung vollzogen, um die Wehrpflicht der Bürger aufrecht zu erhalten.

Bei dieser Gruppe ist die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 25 StAG nicht entfallen, da es an einem erforderlichen Antrag fehlt. § 25 StAG setzt voraus, dass der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit durch eine freie, unmittelbar auf den Erwerb der anderen Staatsangehörigkeit gerichtete Willensentscheidung bewirkt wird (BVerwG, Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5). Eine solche Willensbildung ist bei diesem Personenkreis, mangels eines Antrags, nicht zu erkennen.

c. Keine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit

Es gibt eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen, die trotz Erledigung aller Formalitäten aus der türkischen Staatsbürgerschaft nicht entlassen wurden. Für diese Personengruppe gilt:

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt dann ein, wenn ein Deutscher eine ausländische Staatsangehörigkeit auf Antrag tatsächlich erwirbt (Staatsangehörigkeitsrecht, Hailbronner/Renner, München 2005, 4. Auflage, § 25 StAG Rn. 11). Maßgebend sind dabei die Vorschriften des ausländischen Rechts (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht (StAR-VwV) Vom 13. Dezember 2000, Nr. 25.1.2. StAR-VwV ). Nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht verliert man die türkische Staatsangehörigkeit mit Aushändigung und Unterzeichnung der Ausbürgerungsunterlagen (Staatsangehörigkeitsrecht, Prof. Dr. Rona Aybay, 4. Auflage 2001 Istanbul, Seite 141), die Wiedererlangung hingegen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Ministerrates (Staatsangehörigkeitsrecht, Prof. Dr. Rona Aybay, 4. Auflage 2001 Istanbul, Seite 83). Demnach besteht eine Divergenz zwischen türkischem Recht und der Praxis, da offensichtlich die Ausbürgerung, trotz Vorliegen der Voraussetzungen, in manchen Fällen nicht vollzogen wurde. Nach türkischem Recht bleibt eine Person so lange türkischer Staatsbürger, wie er im Melderegister als Türke weitergeführt wird (Staatsangehörigkeitsrecht, Prof. Dr. Rona Aybay, 4. Auflage 2001 Istanbul, Seite 186). Dieser Umstand berührt allerdings die deutsche Staatsbürgerschaft nicht, da der eindeutige Wortlaut des § 25 StAG für den Verlust voraussetzt, dass ein Deutscher eine ausländische Staatsbürgerschaft, d.h. nachdem er in den deutschen Staatsverband aufgenommen wurde, auf Antrag annimmt. Eine Annahme der türkischen Staatsbürgerschaft kann hier allerdings schon deshalb nicht vorliegen, weil eine Ausbürgerung erst gar nicht erfolgt ist.

Demnach haben Personen, die die Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit beantragt und sämtliche Ausbürgerungsvoraussetzungen erfüllt haben und dennoch als türkische Staatsbürger in den türkischen Personenstandsregistern geführt werden, die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verloren.

5. Lösungswege

a. Zu 4a

Gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erhalten diejenigen eine Niederlassungserlaubnis, die als Deutscher ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit fünf Jahren im Bundesgebiet hatten. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist in der Praxis sehr gering. Die meisten der auf Antrag wieder eingebürgerten haben ihre Anträge bei den türkischen Konsulaten zeitgleich mit Aushändigung der Ausbürgerungsunterlagen gestellt. Die Wiedereinbürgerung erfolgte in der Regel ein bis zwei Jahre später. Diejenigen, deren Wiedereinbürgerung vor dem 1.1.2000 erfolgte, sind vom Wegfall der Inlandsklausel nicht betroffen.

Daher ist § 38 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der Praxis eher relevant, der nur ein Jahr einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraussetzt. Demnach soll den Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wobei die Länge der Befristung offen ist. Mehr als die Frist der zu erteilenden Aufenthaltserlaubnisse, ist hier die Frage von Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen eine Wiedereinbürgerung in den deutschen Staatsverband erfolgen soll, wobei eine Befristung des Aufenthaltserlaubnisses von drei Monaten eindeutig zu kurz ist. Auch sollten die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG zu Gunsten des Betroffenen ausgelegt und vom § 38 Abs. 3 AufenthG gebrauch gemacht werden, wonach in besonderen Fällen abweichend von § 5 AufenthG ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Von Amts wegen sollte eine Überprüfung des Beschlusses des Assoziationsrates EWG/Türkei (AAH-ARB 1/80) zu Gunsten aller Personen vorgenommen werden, da eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG einen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt von acht Jahren voraussetzt. Da bis zu fünf Jahre des Voraufenthaltes in Analogie zu § 12 b StAG angerechnet werden können, kann ein Anspruch auf Einbürgerung somit frühestens drei Jahre nach erneuter Erteilung eines Aufenthaltstitels geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt jedoch für den Personenkreis, der ursprünglich durch den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (AAH-ARB 1/80) privilegiert gewesen ist und weiterhin unter diese Regelung fällt. Denn in diesen Fällen hat der Aufenthaltstitel lediglich deklaratorischen Charakter (Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (AAH – ARB 1/80), Fassung 2002 – vom 2. Mai 2002, 1.5), so dass gegebenenfalls keine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts eingetreten ist und damit die zeitlichen Voraussetzungen für eine erneute Anspruchseinbürgerung bereits erfüllt sind. Nur bei Personen, die offensichtlich nicht in den Schutzbereich des Assoziationsabkommens fallen, ist eine Überprüfung entbehrlich.
Des Weiteren kommt als Anspruchsgrundlage für die Wiedereinbürgerung, nach dem Erhalt eines Aufenthaltstitels, in den deutschen Staatsverband die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in betracht. Da es sich bei den Betroffenen um ehemalige Deutsche handelt, besteht die Möglichkeit einer sofortigen Wiedereinbürgerung. Bei der Ermessenseinbürgerung ist folgender Punkt, bei Personen die ihren Antrag auf Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsbürgerschaft vor dem 1.1.2000 gestellt haben, besonders zu berücksichtigen.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung galt die Inlandsklausel und deren Wegfall war nicht abzusehen. Auch erfolgte vor dem 1.1.2000 bei der Aufnahme in den deutschen Staatsverband keine Belehrung über den automatischen Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft, so dass diese Personen über die Konsequenzen ihrer Anträge, keine Kenntnis hatten und auch nicht haben konnten.

Auch der Umstand, dass die Erlangung der türkischen Staatsbürgerschaft vom Beschluss des Ministerrates abhängt (Staatsangehörigkeitsrecht, Prof. Dr. Rona Aybay, 4. Auflage 2001 Istanbul, Seite 83) und somit zeitlich nicht vorherzusehen ist, wann genau die Einbürgerung erfolgt, ist zu berücksichtigen. Der automatische Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft hängt allein vom Zufall ab, ob der Ministerratsbeschluss vor oder nach dem 1.1.2000 erfolgt.

Insoweit sollten diejenigen, die vor dem Wegfall der Inlandsklausel ihre Wiedereinbürgerungsanträge gestellt haben, in jedem Falle wieder eingebürgert werden, auch wenn im Einzelfall der Betroffene sich und seine Angehörigen zu ernähren nicht imstande ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG), da § 8 Abs. 2 StAG zur Vermeidung einer besonderen Härte von den Voraussetzungen der Nr. 4 absieht. Das generell erforderliche öffentliche Interesse an der erneuten Einbürgerung ließe sich damit begründen, die türkische Bevölkerung nachhaltig zu integrieren.

Personen, die ihre Anträge auf Einbürgerung in die türkische Staatsbürgerschaft nach dem 1.1.2000 gestellt haben, ist im Einzelfall danach zu differenzieren, ob sie sich im Rahmen der vom Gesetz vorgegebenen Frist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden und sich entsprechend bei den Behörden stellen und die sofortige Wiedereinbürgerung in den deutschen Staatsverband beantragen. Diese Personen geben durch ihre Mitwirkung zur Beseitigung der Fehler in den Melderegister und den Antrag auf Wiedereinbürgerung, unmissverständlich zu erkennen, dass Sie bei Kenntnis der Sach- und Rechtslage keinen Antrag auf Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsbürgerschaft gestellt hätten, welches durch eine wohlwollende Anwendung des § 8 StAG honoriert werden sollte. Wann allerdings die Frist des § 38 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu laufen beginnt, ist umstritten. Teilweise wird auf den 1.1.2000 abgestellt. Teilweise wird vertreten, dass die Frist mit der Erlangung der Kenntnis von dem rechtlichen Sachverhalt des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit beginnt, nicht aber bereits mit der Erlangung der Kenntnis von den Gründen, die zu diesem Verlust führten (Vorläufige Anwendungshinweise zum Zuwanderungsgesetz, Bundesministerium des Innern, Nr. 38.1.10). Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes, dass auf die Kenntnis vom Verlust abstellt, ist der Auslegung des Bundesministeriums zu folgen.

Betroffene, die sich nicht oder verspätet melden, sollten je nach Sachverhalt gemäß §§ 8 und 10 StAG, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, unter Berücksichtigung der allgemeinen Beweggründe, die zu einem Antrag auf Einbürgerung in die türkische Staatsbürgerschaft führten (s.o. Punkte 2 und 3), auf Wunsch in einer wohlwollenden und entgegenkommen Weise eingebürgert werden.

b. Zu 4b und c

Diejenigen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht verloren haben, weil sie entweder aus der türkischen Staatsbürgerschaft nicht entlassen wurden oder keinen Antrag gestellt haben, sind nach wie vor deutsche Staatsbürger, so dass lediglich darauf geachtet werden muss, dass Bürgern die deutschen Ausweispapiere nicht zu unrecht entzogen werden. Beruft sich jemand auf einen hier beschrieben Sachverhalt, so liegt die materielle Beweislast dafür, ob die deutsche Staatsbürgerschaft verloren gegangen ist, bei der Behörde (BayVGH, DVBl. 1999, 1218 unter Verweis auf BVerfG, Buchholz 12.3. § 1 BVFG Nr. 46).

Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Bürgers, allein wegen dem Besitz des türkischen Ausweises, kommt nicht in Betracht, da dem wiederum der Besitz der deutschen Ausweisdokumente und die Einbürgerungsurkunde entgegenstehen, die ebenfalls eine Vermutungswirkung für das Bestehen der deutschen Staatsbürgerschaft entfalten. Auch wäre es nicht möglich für den Betroffenen, einen Antrag, der nicht existiert, zu beweisen. Insbesondere die türkischen Konsulate werden sich weigern, zu bestätigen, dass jemandem die türkische Staatsbürgerschaft verliehen wurde oder jemand nicht entlassen wurde obwohl kein Antrag vorliegt beziehungsweise Ausbürgerungsunterlagen ausgehändigt wurden. Eine Beweislastumkehr ist daher dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen nicht zuzumuten, da es ihm nicht möglich sein wird, Auskünfte von Konsulaten zu erhalten.

c. Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG

Eine Aufenthaltserlaubnis kann dem türkischen Staatsangehörigen auch dann zustehen, wenn während des Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit Kinder geboren wurden. Deren Staatsangehörigkeit bleibt unberührt, wenn sie selbst keine Wiedereinbürgerung in der Türkei betrieben haben. Dem Elternteil ist dann zum Zwecke der Personensorge ohne weiteres eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).

6. Fazit

Personen, die ohne Antrag oder gegen den Willen türkische Staatsbürger geworden sind oder diejenigen, die erst gar nicht aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen wurden, sind nach wie vor deutsche Staatsbürger. Demnach ist von Maßnahmen abzusehen, die auf Einziehung von Personalausweis und Reisepass gerichtet sind.

Diejenigen, die gemäß § 25 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben sind, unter Berücksichtigung des allgemeinen Gedankens, dass Integration wichtiger ist als die Vermeidung von Mehrstaatigkeit nach Erteilung eines Aufenthaltserlaubnisses, welches nicht unter ein Jahr befristen werden sollte, wieder einzubürgern. Dabei kommen je nach Sachverhalt die §§ 8 und 10 StAG in Betracht. Durch eine von Amts wegen eingeleitet Überprüfung des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (AAH-ARB 1/80) ist eine mögliche Anspruchseinbürgerung gemäß § 10 StAG Vorrangig zu überprüfen. Bei der Ermessenseinbürgerung gemäß § 8 StAG ist im Rahmen des rechtlich möglichen eine wohlwollende Bearbeitung, d.h. unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 StAG, angebracht.



Doppelte Staatsbürgerschaft – Eine Falle?

Von | 1. April 2005 | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare

Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist in der Bundesrepublik Deutschland eine mehrfache Staatsbürgerschaft nicht unzulässig. Bis zum In-Kraft-Treten des StAngRG am 1. Januar 2000 galt nach § 25 Abs. 1 aF, dass derjenige die deutsche Staatsbürgerschaft durch die Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft nicht verliert, der im Inland seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hat (Staatsangehörigkeitsrecht, Heilbronner/Renner, München 2005, 4. Auflage, § 25 StAG Rn. 25). Demnach konnten Ausländer, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatten, die alte Staatsangehörigkeit wieder erlangen, wenn Sie nach wie vor in Deutschland ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt hatten (sog. Inlandsklausel). Vor allem diese Vorschrift manifestierte in der Vergangenheit den Grundsatz, dass doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich und unter bestimmten Voraussetzungen möglich waren.
Von dieser Regelung wurde insbesondere von türkischstämmigen Ausländern oft Gebrauch gemacht, so dass die Bundesregierung die Inlandsklausel mit Wirkung zum 1. Januar 2000ersatzlos strich. Mit der Konsequenz, dass seit diesem Zeitpunkt eingebürgerte ehemalige Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes, d.h. ohne dass es eines Verwaltungsaktes oder einer sonstigen Handlung bedarf, verlieren, sobald der Eingebürgerte durch seinen Antrag hin die Staatsbürgerschaft seines alten Landes oder eines anderen Landes annimmt. Der Betroffene wird zwar aufgrund der Vermutungswirkung seiner noch gültigen Papiere wie ein Deutscher behandelt. Dieser Zustand kann jedoch enden, sobald die Behörden Kenntnis von der doppelten Staatsangehörigkeit erlangen. Deutsche Behörden können auf verschiedene Weise von einer Wiedereinbürgerung erfahren, z.B. bei Ausstellung neuer Ausweispapiere, Anmeldung einer Eheschließung, Antrag auf Familienzusammenführung oder Einbürgerung des Ehepartners. Auch dürften deutsche und insbesondere türkische Behörden aufgrund des anvisierten Beitritts der Türkei zur Europäischen Union mittlerweile besser kooperieren. Inzwischen verzichtet die Türkei offenbar darauf, bei Auszügen aus den Personenstandsregistern die Tatsache einer Wiedereinbürgerung zu verschleiern (Bundeszentrale für politische Bildung, Migration und Bevölkerung, Ausgabe 2 März 2005, Seite 2).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass diejenigen, die nach dem 1. Januar 2000 Ihre Einbürgerungsanträge gestellt haben, zum Zeitpunkt der Wiedererlangung ihrer alten Staatsangehörigkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch (kraft Gesetzes) verloren haben.

II.
Die genaue Anzahl der betroffenen Personen ist aktuell nicht ermittelbar (BT-Drucksache 15/4880). Schätzungsweise sind jedoch 50.000 türkischstämmige Bürger vom Wegfall der Inlandsklausel unmittelbar betroffen (Dr. Lale Akgün, Hintergrundinformation: Chance zur Wiedereinbürgerung; http://www.lale-akguen.de/), so die türkische Regierung. Allein die große Anzahl der Betroffenen führte in jüngster Vergangenheit dazu, dass zahlreiche Artikel in Printmedien veröffentlicht wurden, die allerdings mehr zur Verwirrung beitrugen als den Betroffenen zu helfen. Sogar Äußerungen von Politikern geben meist nur Halbwahrheiten wieder, die meist unvollständig sind oder mögliche Probleme herunterspielen oder gar ganz verschweigen. So z.B. Dr. Lale Akgün, die auf ihrer Homepage einige Hintergrundinformation zum Thema bereitstellt, darin jedoch in einer unverantwortlichen Art und Weise über die Konsequenzen ihrer Lösungsvorschläge schweigt. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Betroffene nach § 38 AufenthG ein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis haben, wenn sie fünf Jahre lang als Deutsche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben oder ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis, die nur noch befristet erteilt wird, aber grundsätzlich verlängerbar ist, wenn man mindestens ein Jahr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Was auf den ersten Blick stimmt und wie eine Regelung erscheint, die durchdacht und angemessen ist, kommen doch bei einer näheren Betrachtung erhebliche Zweifel auf, die für die Betroffenen meist nicht hinnehmbar sein werden.

1. Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass ein Bürger der vor seiner Einbürgerung im Besitze einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder gar im Besitze einer Aufenthaltsberechtigung war, durch die unverantwortliche Wiedereinbürgerungspraxis der Konsulate und der mangelnden Informationspolitik der deutschen Regierung, die türkische Staatsangehörigkeit wieder erlangt hat, de facto zurückgestuft wird und nur noch die befristete Aufenthaltserlaubnis erlangen kann. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die meisten Betroffenen, wenn sie Kenntnis über die Rechtslage gehabt hätten, die Wiedereinbürgerung nicht beantragt oder zumindest von der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband Abstand genommen hätten. Nicht zu vergessen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland von der Einbürgerungspraxis der ausländischen Konsulate informiert war und dennoch nichts unternahm, um über die Auswirkungen der Wiedererlangung einer anderen Staatsbürgerschaft zu informieren. Erst jetzt sieht man halbherzige Bemühungen, die Bevölkerung mit mehrsprachigen Broschüren aufzuklären.

2. Die mögliche Niederlassungserlaubnis, was der alten Aufenthaltsberechtigung gleich kommt, ist in diesem Zusammenhang Makulatur, da diese eine fünfjährige deutsche Staatsbürgerschaft voraussetzt. Der Wegfall der Inlandsklausel trat am 1. Januar 2000 in Kraft und das Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2005. Da niemandem am 1. Januar 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde und niemand zugleich am 1. Januar 2005 die türkische wiedererlangt hat, erfüllt keiner der Betroffenen die Voraussetzung, fünf Jahre als Deutscher den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland zu haben. Demnach dürfte der Anwendungsbereich des § 38 AufenthG bezüglich der Niederlassungserlaubnis, äußerst gering sein.

3. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf die befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 38 AufenthG (s.o.) müssen, und das wird meist verschwiegen, zusätzlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift muss unter anderem der allgemeine Lebensunterhalt gesichert sein. Der Regelerteilungsgrund der Lebensunterhaltsicherung dient dazu, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu vermeiden (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 5.1.1.2). Eine Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel ist gegeben, wenn der Lebensunterhalt entweder aus eigenen Mitteln des Ausländers oder aus Mitteln Dritter, die keine öffentlichen Mittel sind, bestritten wird und dies nicht nur vorübergehend. Eine Sicherungsmöglichkeit besteht auch im Rahmen einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG oder durch Unterhaltsleistungen von Familienangehörigen oder Dritter (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 2.3 ff.). Festzuhalten ist demnach, dass ein Ausländer nach § 38 AufenthG keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hat, wenn er die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Wiedereinbürgerung verloren hat und mittlerweile arbeitslos geworden ist und Arbeitslosengeld II bezieht. Bei der bis 31. Dezember 2004 geltenden Regelung hätte er noch Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt und somit einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Die im Rahmen der Hartz IV Reform erfolgten Veränderungen können somit im Einzelfall Folgen bis hin zur Abschiebung haben. Auch wird der Assoziationsratsbeschluss 1/80 den Betroffenen nicht weiterhelfen, da diese auf Selbständige und Nichterwerbstätige keine Anwendung findet (BT-Drucksache 15/4880).

III.
1. Ein weiteres Problem könnte unter Umständen in Bezug auf das Kindergeld entstehen. Nach aktueller Rechtslage haben Anspruch auf Kindergeld nur diejenigen Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis oder Aufenthaltserlaubnis besitzen, § 1 Abs. 3 BKGG. Da Ausländer, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit ab dem Zeitpunkt verloren haben, zu dem sie ihre alte Staatsbürgerschaft wieder erlangt haben, auch keine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis haben, kann das ihnen gezahlte Kindergeld rückwirkend zurückverlangt werden. So hat das Finanzgericht Münster einen Betroffenen in einem vergleichbaren Fall zur Rückzahlung des zu Unrecht erhaltenen Kindergelds verurteilt (Finanzgericht Münster, Az: 14 K 1288/01 Kg). Hoffnung gibt allerdings eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die bisherige Differenzierung der Anspruchsberechtigten nach deren aufenthaltsrechtlichem Status in der bisherigen Art und Weise für verfassungswidrig erklärt. Demnach darf für einen Anspruch auf das Kindergeld nicht Maßstab sein, ob der Betroffene eine Aufenthaltserlaubnis hat oder nicht. Wie allerdings die Bundesregierung die gesetzte Frist bis zum 1. Januar 2006 nutzen wird um eine Neuregelung zu verabschieden, bleibt abzuwarten.

2. Auch die bereits erfolgte Familienzusammenführung von ehemaligen Deutschen, kann unter Umständen zum Problem werden. Wer zum Zeitpunkt der Familienzusammenführung wegen der Wiedereinbürgerung die deutsche Staatsbürgerschaft verloren hatte, hätte rechtlich gesehen überhaupt kein Anspruch auf Familienzusammenführung gehabt. Insofern war die Einreise rechtswidrig und auch sonstige erteilte Aufenthaltstitel, so dass auch hier die Ausweisung des Ehepartners droht.

3. Weitere zahlreiche Fälle könnten hier noch angeführt werden, deren einzelne Ausführung jedoch hier den Rahmen sprengen würde, wie z.B. das ausgeübte Wahlrecht oder der abgeleistete Militärdienst.

IV.
Aufgrund dieser zu erwartenden möglichen Probleme stellt sich unter den Betroffenen zu Recht die Frage, wie man sich verhalten soll. Dr. Lale Akgün, die Bundestagsabgeordnete der SPD, rät dazu, sich bei den Behörden zu stellen, um anschließend vom Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis Gebrauch zu machen. Ob diese Vorgehensweise die Beste ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit beantworten. Fakt ist, dass sowohl die türkische als auch die deutsche Regierung noch keine Lösung für die Problematik gefunden haben, die Bemühungen allerdings fortdauern. Fest steht allerdings auch, dass es aktuell kein Grund zur Eile gibt. Laut § 38 Abs. 1 AufenthG haben ehemalige Deutsche eine Frist von sechs Monaten, nach Kenntnis vom Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft, den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Die Frist beginnt mit der Erlangung der Kenntnis von dem rechtlichen Sachverhalt des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Antragsteller, nicht aber bereits mit der Erlangung der Kenntnis von den Gründen, die zu diesem Verlust führen. Zudem setzt erst die hinreichend sichere Kenntnis von dem Verlust der Staatsangehörigkeit die Frist in Gang. Erforderlich ist in der Regel die Kenntnisnahme einer verbindlichen Äußerung einer zuständigen Behörde, etwa einer Staatsangehörigkeitsbehörde (Bundesministerium des Innern, Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes, Vorläufige Anwendungshinweise, 38.1.10).
Die Entlassung aus der alten Staatsbürgerschaft zu beantragen, ist ebenfalls keine Lösung für mögliche Probleme, da unabhängig von einer anderen Staatsbürgerschaft die deutsche bereits gesetzlich weggefallen ist (s.o.). Dies würde allenfalls dazu führen, dass der Betroffene staatenlos wird.

V.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „ehemalige“ Deutsche, einen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis haben, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist. Zurzeit besteht keine notwendiger Handlungsbedarf, da abzuwarten bleibt, ob und welche Lösungen zu dieser Problematik noch ausgearbeitet werden. Abzuwarten ist letztlich auch die Durchführung des neuen Zuwanderungsgesetzes und der damit verbundenen übrigen Probleme.



Vorwort

Von | 7. Dezember 2004 | Kategorie: Feuilleton | Keine Kommentare

Es fing positiv an. Nur wenige Vorlesungen später, hatte sich mein Selbstwertgefühl voller Stolz ins unermessliche gesteigert, als ich zu der Erkenntnis kam, ich sei von nun an eine juristische Person. Ich studierte Jura und war somit eine „juristische Person“. Das muss man sich als Grünschnabel mal auf der Zunge zergehen lassen. Gestern noch an der Gesamtschule Biologie und Geschichte Leistungskurs geschwänzt und heute schon eine „juristische Person“. Meine Karriere nahm langsam Formen an. Organe, mit denen ich handeln und sonst alles mögliche tun konnte hatte ich schließlich ja auch, wobei die ausdrückliche Betonung der „Organe“ vom Professor, der sonst vor Eloquenz nur so strotzte, ich für übertrieben hielt.

Unmittelbar im Anschluss an die Vorlesung investierte ich eine noch nie da gewesene Summe, voller Elan und aufgepumpt mit Glückshormonen, in einen Buch, den die Verkäuferin schlicht nur “Brox” nannte. Das sollte mein Untergang und zugleich die Wiederauferstehung sein. Langsam dämmerte es mir, weshalb der Professor im Zusammenhang mit der juristischen Person dauernd von eingetragenen Vereinen und von Gesellschaften mit beschränkter Haftung sprach. Das war mein Untergang. Aber wie konnte mein alter Fussballverein „S.V. Gremberg e.V.“ Organe haben? War es vielleicht mein Trainer? Er hatte zwar Organe, aber als solches? Das konnte und durfte es nicht sein.

Zum Glück hat es nicht mehr lange gedauert und mit der Erleuchtung. Dank Herrn Brox, bekam das Wort „Organ“ eine ganz neue Bedeutung (die Wiedersaufstehung). Von dem Augenblick an wurde mir klar, dass ich nicht nur eine ganz neue Sprache lernen, sondern auch die Logik der Juristerei nachvollziehen musste. Denn mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und nicht nur höchstwahrscheinlich, sprengte ein solches Organ die Gesetze der Logik.





 

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