Europameisterschaft 2008: Mein Fazit

30. Juni 2008 | Von | Kategorie: Feuilleton, Leitartikel | 8 Kommentare |

Mit Spanien hat Europa 2008 einen würdigen und verdienten Meister gefunden. Nicht nur im Finale gegen die deutsche Auswahl haben sie Spielwitz und Kombinationen wie aus dem Lehrbuch gezeigt, sondern über den gesamten Turnierverlauf schönen und ansehnlichen Fussball gespielt. Daher: Herzlichen Glückwunsch an die Spanier!

Am meisten enttäuscht haben eindeutig die Italiener. Vom amtierenden Weltmeister hätte ich mehr erwartet als das Rumgekicke gen Elfmeterschießen, wo sie dann auch ausschieden. Die italienische Fussballphilosophie „bloß kein Tor kassieren“ ist damit hoffentlich endgültig begraben und findet – siehe auch das schlechte Abschneiden der Griechen – hoffentlich keine Nachahmer mehr.

Überraschung des Turniers waren eindeutig die Türken, was mich als türkischstämmiger Fussballfan besonders gefreut hat. Einige wissen es bereits, ich drücke meine Daumen ausschließlich für drei Mannschaften in der nachfolgend aufgezählten festen Reihenfolge, wenn es um Nationalmannschaften geht: An erster Stelle kommt die Türkei, an zweiter Stelle David und an dritter Stelle die bessere Mannschaft. Für Deutschland drücke ich daher nur gegen Brasilien die Daumen.

Vermisst habe ich bei diesem Turnier die Engländer auch wenn sie ebenfalls zu den Mannschaften gehören, für die ich mein Daumen nicht krumm mache. Anscheinend haben die sich durch ihre permanente Präsenz bei allen großen Turnieren – sei es auf Vereins- oder Nationalmannschaftsebene – doch irgendwie ins Gehirn gebrannt.

Genervt hat mich die Berichterstattung vor dem Halbfinalspiel Deutschland gegen die Türkei. Das Frühstücksfernsehen begann die medizinische Diagnose über den einzigen deutschen Vielleicht-Ausfall Thorsten Frings, das Nachtjournal beendete es. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Türkei vier endgültig verletzte, drei angeschlagene und vier gesperrte Spieler.

Bester Spieler des Turniers war für mich Hamit Altintop, auch wenn er für Bayern München spielt.

Gefreut hat mich die gemeinsame Feier von Deutschen und Türken nach dem Halbfinalspiel. Es gab keine nennenswerten Auseinandersetzungen. Die Türken haben Sinn für Fairplay erwiesen und waren bessere Verlierer, als man es ihnen zugetraut hatte.

Niete des Turniers waren Hooligans aus dem Osten, die trotz gewonnenem Spiel gegen die Türkei ihre Hände nicht von türkischen Einrichtung lassen konnten. Es gab Sachschaden und einige Verletzungen.

Leid haben mir die Kroaten nach der Viertelfinale gegen die Türken getan.

Die beste Nationalhymne wurde von einem Türken gesungen:

Schön waren die mit Fahnen geschmückten Autos, Gebäude und Straßen. Ganz besonders die, wo neben der türkischen auch die deutsche Fahne wehte. Es hat wieder einmal gezeigt, dass die in Deutschland geführte Debatte um Loyalität eine überflüssige Debatte ist. Die Menschen wissen, wo sie sind, wohin sie gehören und wo sie auch morgen sein werden.

Die wichtigste Botschaft des Turniers wurde ausgerechnet von Bild und Hürriyet verkündet vor dem Halbfinalspiel Deutschland-Türkei: Gewinnen soll die Freundschaft.

Überflüssig fand ich fast bei jedem Spiel die Vorberichterstattung im Fernsehen. Während von der deutschen Mannschaft selbst „keine Meldungen“ in einem Sonderbeitrag zu Meldungen gemacht wurden: „Es gibt nichts zu vermelden aus dem Lager der deutschen Nationalmannschaft“, wurde den aktuell spielenden Mannschaften kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich freut sich der Zuschauer auf das Spiel des Abends und möchte im Vorfeld über Spieler, mögliche Taktiken und Entwicklungen der jeweiligen Mannschaften informiert werden. Was die Spielerfrauen von Ballack und Co. im Tagesverlauf gemacht haben, interessierte mich jedenfalls nicht.

Zum Schmunzeln waren die Auswechslungen des schwächsten deutschen Spielers zur Halbzeit: Es war stets verletzungsbedingt und hatte mit der Leistung nichts zu tun.

Süß fand ich Angela Merkel.

Deutschland wachgerüttelt hat Lukas Podolski nach seinen beiden Toren gegen Polen und Murat Yakin nach seinem Treffer gegen die Türkei. Das Nichtjubeln hat etwas gezeigt, was lange für falsch/unmöglich gehalten wurde. Die Akzeptanz und das Bewusstsein, dass in einem Herzen Platz für zwei Länder sein können. Die in Deutschland oft und immer wieder geforderte Entscheidung von Migranten und insbesondere von Türken, dass sie sich für oder gegen Deutschland entscheiden müssen, sollte damit ein Ende finden. Wer nicht möchte, muss sich nicht entscheiden.

Zitat des Turniers kam vom deutschen Nationalspieler Thomas Hitzlsperger: „Die Türken sind erst besiegt, wenn sie in den Bus steigen”.

Die dämlichste Frage war, wieso die Türkei bei der Europameisterschaft mitspielt, obwohl die Türkei nicht in der EU ist.

Aufgefallen ist mir – jedenfalls war es in Köln so, dass die meisten deutschen Fahnen in den Vierteln zu sehen waren, wo der Migrantenanteil in der Bevölkerung am größten ist.

Was ich nicht mehr hören kann ist das ständige Großreden der gegnerischen und das Kleinreden der deutschen Nationalmannschaft trotz sechs Finalspielen bei der EM mit drei Titeln sowie sieben Finalspielen bei der WM mit ebenfalls drei Titeln. Hinzu kommt die nicht abwegige Erkenntnis Gary Linekers: „Football is a simple game: 22 men chase a ball for 90 minutes and at the end, the Germans win.“

Für die Zukunft wünsche ich mir ein Finalspiel zwischen der deutschen und der türkischen Mannschaft bei der WM 2010 mit einer noch schöneren gemeinsamen Feier.

[poll id=“12″]Hinweis: Erlaubt sind bis zu drei Nominierungen.

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8 Kommentare
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  1. […] Brilliant, einfach nur brilliant! Eine wunderschöne Zusammenfassung der EM 2008 habe ich btw bei Ekrem Senol gelesen. Der sich ebenso wie ich auf die kommende WM in Südafrika […]

  2. Bärendienst von Lukas Podolski? Kann es sein, dass Du genau das Gegenteil meinst?

  3. @Michael:

    Danke für den Hinweis. Ich meinte natürlich das Gegenteil. Ist korrigiert. Es war sehr spät in der Nacht. 🙂

  4. […] Bergtour 2008 ist zu Ende. Für Deutschland hat es knapp nicht gereicht. Ich habe mich von Ekrem Senol inspirieren lassen und möchte euch meine positiven und negativen Eindrücke der Fußball Euro 2008 […]

  5. Super Zusammenfassung… ich kann nur Zustimmen, das es sehr schade für die Kroaten war… Mein Tipp war deren EM Sieg 😉 Aber die Spanier haben definitiv verdient gesiegt…

    Gruß Mathy

  6. Wirklich toll der Beitrag, vor allem das eingehen auf die zwei Seelen in einer brust.

    Mein Europameister sind die Niederlande – zwar verdient gegen Russland ausgeschieden, quasi mit den eigenen Waffen des Tempofußballs geschlagen. Keine Mannschaft hat so schnell in der Vorrunde gespielt und dabei so viel Spielfreude gezeigt.

  7. Ein gelungenes Fazit.

    Von mir ein eher trauriger Nachtrag. Vor dem Spiel Deutschland-Türkei am Mittwoch wurde auf einigen Seiten des Internets ja Panik geschürt, was denn passieren würde, wenn die Türken verlieren. Nun, sie verloren, und wie oben richtig steht, sie waren gute Verlierer.

    Einige deutsche Zuschauer – ich will sie nicht mal als Fans bezeichnen, wohl eher nicht:
    „In Magdeburg, Halle, Burg sowie in Schwerin und Bautzen überschatteten Krawalle die Fan-Feste zum Finale der Fußball-EM. Millionen Fußball-Fans in der Bundesrepublik verließen die Fan- Meilen nach der 0:1-Niederlage der deutschen Mannschaft gegen Spanien am Sonntagabend zwar enttäuscht und traurig. Größere Zwischenfälle blieben aber aus, wie die Polizeidienststellen übereinstimmend berichteten. Dagegen musste die Polizei im Osten zum Teil massiv eingreifen.

    In Sachsen-Anhalt wurden 25 Polizisten verletzt. Die Sicherheitskräfte nahmen dort 60 Gewalttäter in Gewahrsam, die Polizisten mit Flaschen, Steinen, Leuchtraketen oder Fußtritten angegriffen hatten. Randalierer beschädigten Autos der Polizei, zündeten Mülltonnen an, zerstörten Haltestellen und beschädigten eine Straßenbahn.

    Als Gründe für die Ausschreitungen nannte die Polizei eine Mischung aus Frust über die Niederlage der deutschen Mannschaft, immensen Alkoholkonsum – und Lust an Gewalt. In Burg ging die Randale nach Angaben von Sachsen-Anhalts Innen-Staatssekretär Rüdiger Erben (SPD) von Mitgliedern rechtsextremer Gruppierungen aus. Etwa 15 bis 20 Mitglieder der im April verbotenen militanten Fangruppe «Blue White Street Elite» und sogenannter Kameradschaften hätten sich quasi verbrüdert, um die Polizei mit Flaschen zu bewerfen.“
    http://www.ftd.de/sport/euro2008/splitter/:Krawalle%20Fan%20Festen%20Ostdeutschland/379827.html

    Ich habe mir bei der Lektüre dieses Artikels nur mit Schrecken vorgestellt, was passiert wäre, hätte die deutsche Mannschaft schon am Mittwoch verloren. So sehr ich der Türkei den Sieg gönnte, es war genau dies, was mich erleichtert das letzte Tor zur Kenntnis nehmen ließ….

  8. Die deutsche Mannschaft hat unverdient das Finale erreicht, das ist Fakt! Sie hat sich mehr oder weniger durch das Turnierspiel regelrecht durchgeschmuggelt, hatte zufällig auch noch die schwächsten Gegner, z.B. mit Österreich, wenn man dabei schon ehrlich bleiben will, hat sie sich auch nur zum Schluss, wegen dem Torwart Rüstü der es nicht gelernt hat im Tor gefälligst zu bleiben, in das Halbfinale geschaukelt, ist dann zum Endspiel hin getorkelt! Außerdem haben die Deutschen auch noch gegen die B-Auswahl der Türkei gespielt. Das ist dann wohl doch kein besonders gelungener Sieg, über die sprichwörtlich „letzten Mannen“ der türkischen 11er, der auch noch in den letzten Minuten unglücklich entstand. Ein Sieg hätte auch nicht mit einem 3:2 abgeschlossen werden dürfen. Viel Ehr war das nicht meine Freunde!

    Und was hat es der deutschen teuren Elite-Mannschaft gebracht? Ein drittes oder viertes Mal schied sie nun nur als Zweiter im Endkampf aus der EM. Der Zweite, also der Vize, zu sein bedeutet so aber auch gar nichts! Deutlicher konnte es auch nicht ausfallen, wenn so wenige Fans in Berlin diese Mannschaft hofierte. Genauso hätten sie auch gleich den dritten oder vierten Platz einnehmen können – in diesem EM 2008 Turnier.

    Schickt sich denn eigentlich das Resultat von einem zweifachen Europameister und dreifachen Weltmeister ein derartigen Schlusspunkt zu setzen. Fast wirkt es schon lächerlich wieder einmal kurzdavor verloren und damit auch versagt zu haben, und das auch noch mit „NULL“ Toren!

    Wäre es vielleicht nicht besser gewesen man hätte sich nicht so sehr angestrengt um unbedingt gegen die „Underdogs“, die Türken, gewinnen zu müssen?! Schließlich hätte man einen ganz anderen Fußball im Endfinale erleben können, weil zum einen einige gesperrte Spieler der Türken wieder spielen hätten dürfen und zum anderen den Spaniern eine unangenehmere Mannschaft gegenüber gestanden hätte, die sich mit ihr locker hätte messen können. Denn immer wäre im Hinterkopf der Spanier die schnelle und unermüdliche Kampfeswille und die Gefahr des „Last-Minute-Tores“ der türkischen Mannschaft geblieben. Die „Omen-Gläubigkeit“ der Spanier war ja beim Spiel gegen Italiener fast schon zu spüren und sogar sprichwörtlich in ihrem zaghaften Verhalten gegen die Italiener war dies auch zu sehen, denn wie sonst käme es zum Elfmeterschießen kommen können?

    Schließlich hätte die Welt einen viel bezaubernderen und fesselnderen (Krimi-)Fußball-Endkampf bei der EM sehen können. Und Vielleicht hätten die Türken gar den EM-Pokal mit nach Hause nehmen können? Ich möchte behaupten es wäre auch so gekommen. Aber die Deutschen haben uns diesen Weg unbedingt verbauen wollen und damit auch der Welt ein tolles Spiel vorenthalten, wissentlich, dass sie im Endspiel nicht dazu fähig gewesen waren zu siegen! Ähnlich und wie gewohnt, wie im Verhalten als Frontmann bei der Sperrung für den Weg zur EU – für die Türkei! Vom Großmut, auch im Bewusstsein bereits schon diesen Pokal zweimal gewonnen zu haben und deshalb auch mal die Türken dran zu lassen, war nix zu spüren. Gerechtfertigt wäre es nur gewesen, wenn sie wirklich gewonnen hätten, so aber war es „nichts außer Spesen gewesen“! Ein guter Freund der Türken waren sie wieder einmal nicht!

    Nun wir haben die Zeit und die Ausdauer! Zur WM werden wir Weltmeister!

    Jetzt haben wir nur angeklopft. Später werden wir auch reingehen und uns die Titel holen!

 

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