Beckstein über EU-Beitritt der Türkei: „Sind sie erst aufgenommen, streben sie sicher eine Führungsrolle an“

14. Februar 2008 | Von | Kategorie: Politik | 12 Kommentare |

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein führt in der Nürnberger Zeitung Gründe auf, die gegen einen EU-Beitritt der Türkei sprechen. Bei den Türken steige das Selbstbewusstsein – ob es um die Angriffe im Irak geht, den Kampf gegen die PKK oder die Forderung nach einer Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union. „Erdogan ist alles andere als ein einfacher Partner“, sagt Beckstein, der sich im gleichen Atemzug einen Freund der Türken nennt. In der EU will er – wie seine Partei – das Land auf keinen Fall sehen. Man dürfe sich keine Illusionen machen, warnt er. „Sind sie erst aufgenommen, streben sie sicher eine Führungsrolle an“, warnt Beckstein.

Beckstein hat demnach Angst davor, die Türkei würde eine Führungsrolle anstreben innerhalb der EU. Was Beckstein offensichtlich nicht kennt, sind die EU-Regelungen. Die wurden aber nicht von Türken gemacht.

Die Sitzverteilung des europäischen Parlaments beispielsweise orientiert sich weitestgehend, an den demographischen Verhältnissen der Mitgliedsländer. Je mehr Einwohner ein Land hat, desto mehr Mitglieder können sie entsenden.

Aktuell sieht die Sitzverteilung folgendermaßen aus:

Sitzverteilung im europäischem Parlament

Mit der Türkei würde sie in etwa folgendermaßen aussehen, wobei die Anzahl der Sitze festgelegt sind und eine an demographischen Verhältnissen orientierte Umverteilung stattfinden würde.

Sitzverteilung im europäischem Parlament, wenn die Türkei aufgenommen würde

Einwohnerzahlen der fünf größten Länder laut Wikipedia:

  • Deutschland: 82.438.000
  • Türkei: 70.586.256
  • Frankreich: 64.473.140
  • Vereinigte Königreich: 60.209.500
  • Italien: 59.131.287

Die Sitzverteilung im Rat ist ähnlich aufgebaut und orientiert sich an den Einwohnerzahlen der Länder.

Ergo: Die Türkei, würde sie in die EU aufgenommen werden, würde keine Führungsrolle anstreben, sie hätte sie Kraft EU-Recht bereits inne. Es fällt schwer, und das ist meiner Meinung nach einer der Hauptgründe für die Ablehnende Haltung Becksteins & Co., ein Stück von der eigenen Führungsrolle abzugeben. Alle anderen Gründe, die immer wieder aufgeführt werden, sind angesichts dieser Tatsache eher nebensächlich. Es geht um Macht und Machterhaltung.

12 Kommentare
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  1. Warum heißt diese Seite eigentlich noch jurblog? Ich finde hier seit langem keine sachlich aufbereiteten juristischen Themen mehr.

  2. […] Ausländer, Politik, Recht « JurBlog.de wrote an interesting post today on Beckstein über EU-Beitritt der Türkei: âSind sie erst aufgenommen, streben sie sicher eine Führungsrolle anâHere’s a quick excerpt Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein führt in der Nürnberger Zeitung Gründe auf, die gegen einen EU-Beitritt der Türkei sprechen. Bei den Türken steige das Selbstbewusstsein – ob es um die Angriffe im Irak geht, den Kampf gegen die PKK oder die Forderung nach einer Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union. „Erdogan ist alles andere als ein einfacher Partner“, sagt Beckstein, der sich im gleichen Atemzug einen Freund der Türken nennt. In der EU will er – wie seine Partei – d […]

  3. @ Abdul

    Sie haben Recht! Aber dann schlagen Sie bitte doch mal einen neuen Namen vor 🙂

    Spaß beiseite: Die letzten Tagen und Wochen gab es nun einmal sehr viel, über die ich berichten wollte. Das Problem ist dann selbstverständlich, dass ich nicht mehr die nötige Zeit habe, für andere Themen. Ich hoffe, dass es nicht so bleibt. Ansonsten halten sich hier die Beiträge politisch/juristisch aber doch die Wage, zumal die meisten – auf den Ersten Blick – politisch wirkenden Beiträge auch einen juristischen Bezug haben (bspw. hier).

    Auch dieser Beitrag hat einen gewissen juristischen Hintergrund. Die Details zur Sitzverteilung des europäischen Parlaments ergeben sich aus dem EGV, Europarecht also.

    Wen Du aber interessante juristische Artikel beisteuern kannst, dann nehme ich sie gerne als Gastbeiträge auf. Danke!

  4. Man hat ja schon an Polen gesehen, wie sehr ein einziges Land auf dem Ego-Trip die EU beschädigen kann.

    Als Nettozahler wären weder Polen noch die Türkei interessiert an einer EU-Mitgliedschaft.

    Im Falle der Türkei gibt es noch zig andere sehr gute Gründe den Beitritt abzulehnen.

    Erdogan und seine Islamisten-Freunde nutzen die EU übrigens eh nur dafür das türkische Militär loszuwerden/ zu entmachten.

  5. @ E.S.

    Den Namen zu ändern, jetzt wo die Seite so boomt, wäre wohl wirklich keine so gute Idee 🙂

    Mir war nur die Entwicklung der letzen Monate aufgefallen, die einen deutlichen Trend ins Politische aufzeigen. Aber vermutlich ist ja auch gerade dieser Trend der Grund für die wachsende Popularität der Seite…

    Viele Grüße,
    Abdul

  6. @ Abdul

    Das glaube ich auch 🙂

    Im übrigen ist mir auch aufgefallen (ist aber auch keine Überraschung) dass Texte mit zu vielen §§-Zeichen, Leser abschrecken. Entsprechend ist dann auch die Diskussion eher zurückhaltend.

    Soeben habe ich aber wieder so einen Text online gestellt. Ich hoffe, es gefällt Dir.

  7. Becktein versucht hier mal wieder Angst zu schüren.
    Ob ein Beitritt sinvoll ist hängt sicherlich von anderen Faktoren ab. Diese wären Geostabilität, Wirtschaftliche Interessen und Kontrolle.

    Obige Aussage lässt sich hier bewerten.

  8. Viele Beiträge irrrrrritieren mich sehr und als [ein seit ca. 1715 multinational gemischter] Ur-Bayer möchte ich mich mächtig dagegen stemmen. Das geht aber nicht mit Einzeilern – vielleicht hilft der Blick aufs Ganze, Details anders wahrzunehmen.

    In allen Nationen gibt’s gerne den Blick auf „DIE anderen“ – in Deutschland ärgerlicherweise allzuoft auf „DIE Türken“ und das trotz „Globalisierung in aller Munde“? Die wird reduziert auf länderübergreifende wirtschaftliche Verflechtung nahezu aller Nationen! Was ist mit der Globalisierung der Emotionen (oder wer will kann auch ‚der Herzen’ sagen) der Menschen des Erdballs? Intercontinental anstatt auf der nationalen „Insel“ – alle Lebensbereiche wechselseitig verflechtet besser denn je zu nutzen? Was kann heute EINE Nation ohne seine Nachbarn in nah und fern ausrichten? Werden diese Bindungen vergessen, hat das meist unerwünschte Nebenwirkungen – man könnte ergänzen: „fragen sie ihre Regierungschefs oder die Außen-/Wirtschaftsminister …“.
    „ Ausländer“ ? – gibt’s die in der globalisierten Welt? NEIN, wir alle sind „Welt-Innen-Bürger“! Und die Ausländer-feindlichen fliegen gern ins „ungeliebte“ Ausland um ihre „wichtigste“ Zeit des Jahres zu genießen? Erfreuen sich in den Medien an Shanghai, Istanbul, Moskau oder Rom? Um anschließend narkotisiert zu sagen „das ist typisch … das gäbe es bei uns nicht“. Unstreitig sind wir also „global“ – im Detail – gut informiert?
    Resigniert an eigenen Unzulänglichkeiten wird, nicht selten neiderfüllt, meist aus diffuser Angst resultierender innerer Aggression gegen alles ANDERE verbalisiert? Wenn ich die ANDERN klein mache, bin wenigstens ich der „GröFaZ“ in meiner Umgebung? (das hatten doch schon mal?“).

    DIESEN anderen, vor allem auch den türkischen Menschen, verdankt Deutschland noch immer sehr viel. Sie leisten nach wie vor nicht nur in der Wirtschaft einen erheblichen Anteil am Wohl des Landes! Aber respektlos sagten wir „Gast-Arbeiter“. Gäste nach türkischem Vorbild wahrzunehmen wäre dann die logische Folge? Müssten wir da zumindest noch ein paar Millionen guten heißen Kaffee mit freundlicher Einladung in deutsche Wohnungen an unsere Gäste nachliefern – schon mal daran gedacht? Und WIR könnten uns heute anstelle des „administrativen Integrations-Apparats“ wechselseitiger, „integrativ“ wirkender Freundschaft mit (unseren!) „Millionen Menschen türkischer Identität“ erfreuen.
    Dass das nicht so ist, liegt primär an „deutschen“ Gefühlen. Wir sind heute nicht mehr der Schurkenstaat der Jahre 1933-1945, wir sind objektiv ohne „Ausländerhass“ (!), ABER uns fehlt noch immer das gute Gefühl gegenüber „Ausländern“. Es ist weniger die Ausländerfeindlichkeit (abgesehen von Unverbesserlichen, die es ohnehin weltweit immer geben wird.). Es fehlt so etwas wie eine von innen ausstrahlende Selbstverständlichkeit – voraussetzungsloses Miteinander und Aufeinander-Zugehen, egal welche Hautfarbe, Religion oder sonstige Kultur und Herkunft. Seit wir etwas von „Schläfern“ und ähnlichen Aktivisten wissen, haben wir wieder Ausreden für unsere auf die anderen projizierten Selbstzweifel! Diffuse Ängste vor der Globalisierung potentieller Gefährder, deren Abwehr wir „konsequent und mit aller Härte“ fordern. Doppelzüngig ist uns aber der Schutz eigener Daten wichtiger. Fingerabdrücke etc. im Reisepass selbstverständlich, aber keinesfalls von „deutschen“ Fingern …
    Aus ist es mit „Multi-kultureller“ Verflechtung der Individuen und Nationen? Aber große Klappe, wenn so Ausgegrenzte, orientierungslos und irritiert Grenzen überschreiten!

    Was wollen wir in Deutschland ausrichten ohne all die anderen Kulturen und Nationen? Welthandel mit uns selber? „Kultur“ würde Fassbinder heute so beschreiben: „Deutsche Angst essen deutsche Seele auf!“ ?
    Haben wir schon wieder vergessen, dass die Europa weiter befriedende Wiedervereinigung nur dank tatkräftiger Hilfe vieler Nationen möglich wurde? Allen diesen „Ausländern“ traue ich ganz beruhigt Führungsrollen in Europa zu, ja ich hoffe sogar darauf – bis heute geht’s uns damit nicht schlecht, gerade Deutschland profitiert so vielfältig von den anderen Nationen. Und wir haben null Last „Führungsrolle“ – Teamarbeit ohne „Führer“ kann so entlastend und befriedigend sein !!!
    Das „Blut“ wurde nicht nur im „ur-alten Europa“ durch Krieg und Vertreibung so kräftig vermischt, dass es mehr gemeinsame Wurzeln gibt, als wir das alltäglich wahr haben wollen. Heute haben wir das Privileg Europäer zu sein – OHNE Krieg, OHNE Kriegsgeschrei. JEDOCH MIT gegenseitiger Anerkennung und Respekt, konstruktiv, das heißt zum Vorteil aller.
    Der fulminante Mit-Architekt des europäischen Haus, Herr MP Claude Junker, erinnerte heute (19.2.) in Berlin daran, „400 Jahre Krieg auf europäischem Boden; allein zwischen Frankreich und Deutschland alle 15 Jahre einen“.
    Heute brauchen wir statt „Außen-Politik“ die „Welt-Innen-Politik“; auch und gerade gegenüber „problematischen“ Regierungen. Problematisch sind nicht die im jeweiligen Land lebenden Menschen, sondern dort agierende Machthaber! Und wo die Gründe hochproblematischer Verhaltensweisen liegen – darüber darf jeder mal selbst nachdenken.

    Zahlreiche positive Beispiele (das jüngste ist 2 Tage alt) türkischer Menschen bestimmen meinen Alltag viel mehr, als jener „Ärger“ mit deutschen und anderen, auch Jugendliche betreffend.
    Gibt es brauchbare Beweise, dass die anderen „mehr Ärger“ machen als die eigenen? Ja, nämlich jenen „Ärger“, den jeder überwiegend selbst zu verantworten hat.
    Sind wir prinzipiell am konstruktiven Miteinander interessiert? Und was tun wir dafür?
    Ist Sprache der „Schlüssel“ zum „Erfolg“ – lasst uns dazu notwendige Sicherheitsschlösser auch bereitstellen.
    Für die andern, die ins Land kommen, als Gastgeschenk (!) ein „welcome“-Wörterbuch mit ca. 300 wechselseitig übersetzten alltäglichen Begriffen als „1. Hilfe“ und ersten Anreiz?
    Reale Wettbewerbe für beste Deutschkenntnisse, etwa nach dem Muster „Jauch“, „Pilawa“ oder „Gottschalk“etc. im Fernsehen, angefangen bei 1.000 Euro – das würde uns nicht nur sprachlich verbandeln, sondern sogar Spaß machen!
    Es wäre die volkswirtschaftlich günstigste „Investition“ und wirkt „echt integrativ“ im Gegensatz zu administrativen Drohgebärden und Keulen …
    Seltsam, als Urlaubsziel stand die Türkei nie in Frage?
    Geht es jedoch ums europäische Haus, ertönen bei uns beschämende Unkenrufe, selbst aus eigentlich verantwortungsbewussten politischen Reihen. [Herr Beckstein bitte, im neuen Europa gibt’s das nicht mehr „an sich reißen“, das heißt jetzt „zu den andern reisen“!]

    Begreifen wir und die Politiker nicht, dass das europäische Haus ohne Türkei in Schieflage gerät? Langfristig nicht ohne Einsturzgefahr!!!

    Was soll die nach-tretende kleinkarierte Diskussion gegen den türkischen Ministerpräsidenten Herrn Erdogan?
    Stellen wir doch klar: es war bestens für beide Länder, dass und wie er hier war! Und wir danken ihm, dass er sich so konstruktiv und unkompliziert im Umgang mit den Ängsten und Fragen aller Beteiligten verhielt!
    ER hat als Vertreter der Türkei gezeigt, DIESE Türkei wird ein absolut zu schätzendes Mitglied der europäischen Gemeinschaft sein bzw. werden und es besteht kein Anlass, die Türkei als Bittsteller zu „behandeln“.
    Die EU-Staaten sind die „privilegierte Partnerschaft“! Sie haben nämlich das historisch einmalige Privileg, die Türkei in der EU WILLKOMMEN zu heißen!
    Jede Nation im europäischen Haus hat genug damit zu tun, seine Bereiche ordnend an und in der Gemeinschaft auszurichten. Dafür bedarf es keiner Belehrungen und Fingerzeige.
    Wir brauchen den absoluten Willen: WIR wollen das miteinander machen! Ist dies das europäische Prinzip, werden wir -wie bisher- alle offenen Fragen miteinander irgendwie und irgendwann lösen. Nur so können wir mit unterschiedlichen Vorstellungen und Identitäten im „neuen“ Europa weiterhin gut leben.
    Die EU verfügt über die Erfahrung von 26 bzw. 27 Staaten, dies wird doch für die nächst-folgenden Beitrittsländer ausreichen.
    Die Kraft Europas liegt im Einigungs- und nicht im Abwehr-Willen! Es gibt letztlich keine einzige Frage, die zur Trennung von Europa und Türkei geeignet ist. Aber es gibt Wege aller demokratischen Orientierungen die guten Willens sind, auf denen schon viele Meilensteine existieren. Wege die zu immer mehr Gemeinsamkeiten und damit zu Vorteilen für alle führen.
    Glaubt irgend jemand ernsthaft, dass sich „kritische Punkte“ in einzelnen europäischen Nationen „außerhalb“ der EU besser lösen lassen als in der Gemeinschaft? Ich bin allerdings der Auffassung, dass alle verantwortungsbewussten Kräfte und Regierungen einer allseits positiv ausgerichteten EUROPA-Stimmung verpflichtet sind.
    Und für alle unsere Volksseelen können „Euro-Visions“ im Fernsehen etwas bewirken: nicht nur über Europa reden, sondern mehr gemeinsames Erleben schaffen ! Es gibt zwar einen nach wie vor marginalen internationalen „Frühschoppen“. Wie wär’s mal mit monatlichen europäischen „Gala-Dinners am Abend“ aus und mit allen Lebensbereichen, wo der Showmaster Europa heißt?
    Und ein letztes: Frau Merkel hat am 19.02.08 bei der Laudatio für Herrn MP C. Junker gesagt „wir können heute Dank „Schengen“ ohne Pass von Lettland bis Portugal reisen. Es ist nicht empfehlenswert ohne Ausweis, den brauchen wir auch im neuen Europa. Sie meinte, es geht von einem Land ins andere ohne Grenzkontrollen mit Ausweis vorzuzeigen ….

  9. @ Hans Werth
    So viel Konstruktives von einem deutschen Mitbürger zu lesen, bereitet mir Freude und schafft Hoffnung.

    Danke Hans

  10. @ Hans Werth

    Ein lesenswerter Beitrag, fernab von dem Getöse der Tagespolitik.

    Das gemeinsame Miteinander und die gemeinsame Zukunft, die uns trotz aller Widerstände erwartet, sollte wie Sie zutreffend feststellen, im Mittelpunkt stehen.

    Grüsse

    LI

  11. Hans Werth weiß, was Türken wünschen!

  12. Die Türkei muss sich ändern. Die EU ist auch eine Wertegemeinschaft und in manchen Aspekten (Rechte der Kurden und der Frauen) ist die Türkei noch nicht so weit. Sollte sich diese Lage geändert haben sehe ich keinen Grund die Türkei nicht aufzunehmen.

 

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