Rechtsprechung: Satelittenschüssel trotz Kabelanschluss wenn Religionsausübung nur per TV möglich ist

11. Januar 2008 | Von | Kategorie: Recht | 3 Kommentare |

Das OLG München hat in seiner Entscheidung (32 Wx 146/07) vom 06.11.2007 beschlossen, dass selbst bei vorhandenem Kabelanschluss das Informationsinteresse und das Interesse an der Ausübung der Religion eines Wohnungseigentümers dazu führen kann, dass die übrigen Wohnungseigentümer die Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach dulden müssen. Voraussetzung sei allerdings, dass eine geringere Beeinträchtigung durch eine andere Anbringung (z.B. Balkon) nicht möglich sei.

Die türkischen Antragsteller waren Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft und gehören der alevitischen Glaubensrichtung des Islam an. In der Eigentümerversammlung vom 31.3.2005 beantragten sie eine Parabolantenne anbringen zu dürfen. Nach dem Protokoll dieser Versammlung wurde kein ausdrücklicher Beschluss hierzu gefasst; vielmehr wies die Hausverwaltung mit großer Zustimmung und ohne Einwände darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, einen zusätzlichen Decoder über eine Kabelgesellschaft für ausländische Sender zu besorgen und bisher Satellitenanlagen von den Eigentümern kategorisch abgelehnt wurden, was auch hier zu erfolgen habe.

Das Gericht sieht die Rechtslage anders. Man müsse bei der erforderlichen Abwägung neben dem Informationsinteresse auch der Freiheit der Religionsausübung und in dessen Rahmen der Ermöglichung der Teilnahme an gottesdienstlichen Handlung ein besonderer Stellenwert zukommen lassen. Dies sei insbesondere dann gegeben, wenn die Teilnahme an Gottesdiensten einzelnen Bewohnern nicht möglich sei und Fernsehsender, die regelmäßig gottesdienstliche Handlungen ausstrahlen, nur über Satelliten zu empfangen seien.

Werde bei der Abwägung den Eigentumsrechten der anderen Eigentümer vor der Informations- und Religionsausübungsfreiheit mit der Begründung der Vorzug gegeben, dass ein „Schüsselwald“ zu befürchten sei, müssten konkrete tatsächliche Feststellungen getroffen werden. Bei dieser Feststellung müsse die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude sowie die Struktur der Bewohner berücksichtigt werden. Auch könne man die Gestattung von einer Vereinbarung abhängig machen, anderen Eigentümern, die auf vom gleichen Satelliten ausgestrahlte Programme angewiesen sind, die Mitbenutzung der Parabolantenne zu gestatten.

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg (642 C 580/05) hatte in einem ähnlichen Fall am 22.03.2005 noch anders entschieden. Es war der Ansicht, dass das Berufen auf die Religionsfreiheit (des Mieters = im Ausgangsfall ist der Antragsteller Wohnungseigentümer!) nicht dazu führt, dass grundsätzlich der Empfang eines jeden religiösen Senders gewährleistet werden muss.

Der BGH (VIII ZR 260/06) wiederum stellte mit Urteil vom 10.10.2007 fest, dass auch das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit eines Mieters (hier: türkischer Staatsbürgerschaft alevitischen Glaubens) bei der Abwägung der Interessen berücksichtigt werden müsse, auch wenn im Breitbandkabelnetz türkische Programme ausgestrahlt würden, diese aber nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens berichteten.

3 Kommentare
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  1. Bravo !
    Wer auch nur ein wenig von der alevitischen Obödienz weiß, für die Religion kein verknöchertes Festhalten an Bekleidungsvorschriften ist sondern erfahrene, emotionell erfahrene Spiritualität, wer weiß, dass diese frommen demokratisch gesinntgen Menschen eine Minderheit hier und dort darstellen, somit außerhalb des Mainstreams sthen, wer weiß, dass der alevitische Religionsunterricht nicht überall möglich ist, der kann das Münchner OLG und den BGH zu dieser sinngerecchten Anwendung des Grundgesetzes nur loben und beglückwünschen : hier geht es tatsächlich einmal um den Glauben, um den weg derVereinigung, und nicht um alberne Äußerlichkeiten.

  2. seit wann gibt es den alevitische religionssender? also ich habe bis heute keinen sender gesehen, der so etwas ausstrahlt.

    @mfd: die albernen äußerlichkeiten, die sie ansprechen, sind teil des islamischen glaubens. die aleviten sind soweit ich weiß, auch teil des islams und unterliegen diesen gesetzen. deswegen kann ich ihre äußerungen nicht nachvollziehen.

  3. @mfg
    Super!

    Uns fehlten nur noch die aleviten!!

    @the ring
    Ja, die aleviten sind auch teil des islams, nur deren Prophet ist Ali und nicht Mohammed. wir haben nicht den selben Propheten. Die akzeptieren Mohammed als Propheten nicht!! Obwohl Ali der Halifa (Schüler) und auch gleichzeitig der Schwiegersohn von Mohammed war.

 

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