Die Bundesregierung über die Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention

8. August 2007 | Von | Kategorie: Politik | Keine Kommentare |

Als die Vereinten Nationen 1989 das Übereinkommen über die Rechte des Kindes – die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) – verabschiedeten, war dies ein Meilenstein in der Geschichte der Kinderrechte. Eine ihrer zentralen Botschaften lautet: „Alle Kinder haben die gleichen Rechte.“ So achten die Vertragsstaaten „jedem in ihrer Hoheitsgewalt unterstehendem Kind ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormundes“ (Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention) die festgelegten Rechte.

Mit der Ratifizierung für die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1992 erfuhr die Kinderpolitik eine wesentliche Stärkung. Allerdings wurde die Konvention nicht uneingeschränkt ratifiziert. So erklärt die Bundesrepublik Deutschland mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde, dass „keine Bestimmung der UN-KRK dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise von Ausländern und die Bedingungen ihres Aufenthalts zu erlassen oder Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen“. Wegen dieser Vorbehalte werden bis heute ausländische Flüchtlingskinder und Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft in Deutschland ungleich behandelt.

Im folgenden einzelne Antworten der Bundesregierung (16/6076) auf eine Große Anfrage der Grünen (16/4205):

1. Wie steht die Bundesregierung zu den zurückliegenden Beschlüssen des Deutschen Bundestages zur geforderten Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention?

6. Warum hat die Bundesregierung die Vorbehalte bisher nicht zurückgenommen, obwohl eine formalrechtliche Zustimmung der Bundesländer nicht zwingend erforderlich ist?

7. Von welcher Bedeutung ist beim Abwägungsprozess hinsichtlich der Rücknahme der Vorbehalte die Rücksichtnahme gegenüber den Bundesländern?

… Die Bundesregierung sieht sich außerstande, die Erklärung zu der Kinderrechtskonvention zurückzunehmen, da die Länder mit einer Rücknahme der Erklärung nach wie vor nicht einverstanden sind. Die Bundesländer waren nur unter der Bedingung, dass die deutsche Erklärung zur VN-Kinderrechtskonvention abgegeben wird, mit der Ratifikation des Ãœbereinkommens einverstanden. Die Bundesregierung hat aufgrund der Verständigung zwischen der Bundesregierung und den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des Bundes vom 14. November 1957 („Lindauer Absprache“) vor der Ratifizierung der VN-Kinderrechtskonvention die Zustimmung der Länder herbeigeführt. Eine Rücknahme der Erklärung gegen den Willen der Länder kommt für die Bundesregierung nicht in Betracht. Dies entspricht der kontinuierlichen Haltung der Bundesregierung auch in den letzten beiden Legislaturperioden. Aus grundsätzlichen Erwägungen ist die Bundesregierung daher nicht bereit, in dieser Frage gegen den ausdrücklichen Willen der Länder tätig zu werden.

Aus der sechsten Frage ergibt sich bereits, dass eine formalrechtliche Zustimmung der Bundesländer nicht zwingend erforderlich ist. Weshalb die Bundesregierung in dieser Frage grundsätzlich (???) nicht gegen den Willen der Länder tätig werden möchte, erfahren wir weiter unten.

3. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung in dieser Wahlperiode unternommen, um die Bundesländer von einer Rücknahme zu überzeugen?

Der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, hat durch Schreiben vom 19. Dezember 2006 bei den Innenministern und -senatoren der Länder nachgefragt, ob diese hinsichtlich der Frage der Rücknahme der deutschen Erklärung zur VN-Kinderrechtskonvention bei ihrer bisherigen Haltung bleiben.

Oh bitte, bitte seid dagegen! Ich stelle die Frage auch so, dass Ihr mit „Ja“ antworten könnt, obwohl Ihr „Nein“ meint.

4. Welche Länder lehnen mit welcher Begründung die Rücknahme der Vorbehalte ab?

Eine Rücknahme der deutschen Erklärung zur VN-Kinderrechtskonvention haben bislang explizit abgelehnt die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen. Zur Begründung tragen die genannten Länder im Wesentlichen vor, dass eine Rücknahme der Erklärung zu Fehlinterpretationen, zu falschen Erwartungen und zu einer damit zusammenhängenden erhöhten Belastung beim Gesetzesvollzug sowie insbesondere zu Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des nationalen Aufenthalts- und Asylrechts führen würde.

5. Insofern die Bundesregierung Anstrengungen unternommen hat, wie argumentiert sie gegenüber den Bundesländern?

Den Ländern wurde mitgeteilt, dass der Wunsch, die deutsche Erklärung zur VN-Kinderrechtskonvention zurückzunehmen, erneut an die Bundesregierung herangetragen wurde.

Wie überzeugend! Ich bin mir sicher, dass die Herantragenden ein Paar Argumente mehr für ihr Vorbringen vorgelegt haben, die überzeugender gewirkt hätten.

13. Wie steht die Bundesregierung zu der Auffassung von Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz …, dass Artikel 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention innerstaatlich unmittelbar anzuwenden ist?

Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu einzelnen Rechtsmeinungen.

Insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine Gegenmeinung handelt.

22. Geht die Bundesregierung davon aus, dass mit der Rücknahme der Vorbehalte Mehrkosten verbunden sind? Wenn ja, wie hoch schätzt die Bundesregierung diese anhand bisheriger Zahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Deutschland?

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Rücknahme der bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zur VN-Kinderrechtskonvention abgegebenen Erklärung migrationspolitisch bedenklich wäre, da sie zu einem Anstieg der Einreise unbegleiteter minderjähriger Ausländer ins Bundesgebiet führen könnte. Durch einen solchen „Pull-Effekt“ würden Mehrkosten entstehen, deren Höhe sich nicht übersehen lässt und die daher nicht näher quantifiziert werden können.

Da haben wir es endlich. Den ganzen Kauderwelsch an Fragen und Antworten hätten wir uns auch ersparen können. Es geht um Geld. Um so viel Geld, deren Höhe sich nicht übersehen lässt. Und es geht um Migrationspolitik, dass bis vor ein Paar Jahren nicht einmal an der Tagesordnung der Bundesregierung stand und jetzt als Begründung für ein Vorbehalt aus dem Jahre 1992 herhalten muss.

Es ist schon erstaunlich, wie der Musterschüler unter den Ländern der Erde im Schulfach Menschenrechte versagt, wenn es um innerstaatliche Interessen und Geld geht. Um so erstaunlicher ist die Weste, die der vermeintliche Musterschüler meint, tragen zu können.

Ekrem Senol – Köln, 08.08.2007

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