Armin Laschet: Das Zuwanderungsgesetz ist zu rigide
24. August 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |Wer arbeitet in 20 Jahren für die Rentner dieses Landes? Die alternde Gesellschaft braucht alle Potenziale. Armin Laschet (CDU), Minister für Generationen, Familien, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen erklärt in „Die Welt„, warum die Eingliederung von Ausländern erfolgreich werden muss.
Wir sind eine alternde Gesellschaft. Dieses erfreuliche Faktum – dass unsere Lebenserwartung von Jahr zu Jahr wächst – verbindet sich mit dem unerfreulichen Umstand, eines der am wenigsten kinderfreundlichen Länder der Erde zu sein. Immer weniger Kinder erblicken in Deutschland das Licht der Welt. Wer aber wird dann in 20 Jahren das Bruttoinlandsprodukt erarbeiten, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Sechzigerjahre in Rente gehen? …
Wir wissen bereits, dass Deutschland trotz des offiziellen Anwerbestopps seit Jahren de facto ein Einwanderungsland ist. Jeder fünfte Mensch in Deutschland hat heute eine Zuwanderungsgeschichte – sei es als Spätaussiedler, sei es als ausländischer Staatsbürger oder als hier geborenes Kind zugewanderter Eltern. Höchste Zeit also, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Zum einen müssen wir alle Potenziale nutzen, die in uns stecken. Ohne Bildung geht heute nichts mehr. Das heißt, dass wir auch Kinder von Zuwanderern besser in unser Bildungssystem integrieren müssen. Denn während die deutsche Wirtschaft dringend qualifizierte Arbeitnehmer braucht, sind in Großstädten wie Berlin über 40 Prozent der Ausländer arbeitslos. Man könnte daraus schließen, dass Zuwanderer weniger fleißig sind. Betrachtet man aber unser Bildungssystem genauer, wird deutlich: Einerseits stehen viele der Zuwandererkinder dem Arbeitsmarkt von Anfang an gar nicht erst zur Verfügung, da sie nicht ausreichend qualifiziert sind. Weil dies häufig an mangelnden Sprachkenntnissen liegt, müssen wir schon im Kindergarten als Ort frühkindlicher Bildung mit Sprachförderung beginnen. Andererseits schieben wir in zahlreichen Einzelfällen immer noch hoch gebildete Schüler, die perfekt Deutsch sprechen und kurz vor dem Abitur stehen, ins ferne Heimatland ihrer Eltern ab. Wir brauchen daher ein Bildungssystem, das sich auf die Förderung der oft bildungsfernen Zuwandererkinder konzentriert, und wir brauchen eine Bleiberechtslösung für gut integrierte Ausländer. Alles andere kann Deutschland sich schlichtweg nicht leisten.
Verschärfend kommt hinzu, dass wir ein Zuwanderungsgesetz haben, das so streng ist, dass die Eliten der Welt gar nicht zu uns kommen können. Es kann nicht sein, dass wir Abgänger von weltberühmten Eliteuniversitäten per Zuwanderungsgesetz so behandeln, als wollten wir sie gar nicht unbedingt haben. Wir brauchen sie. Unbedingt. …
Mit Wissensquiz und Gewissenstest kann man keine Terroristen aufspüren. Jemand, der weiß, wer die Musik zu Schillers „Ode an die Freude“ komponiert hat, kann nachts immer noch von falschen Götterfunken träumen.
Wir brauchen eine gute Balance zwischen Fördern und Fordern: Bildung und Beratung stehen unter dem Grundsatz Fördern, Einbürgerung und Rechtstreue gehören zum Fordern. Es ist wichtig, dass wir diese Balance finden, denn Integration ist eine Chance für den deutschen Sozialstaat. Es ist gut, dass die Zuwanderer da sind. Ohne sie wären unsere Probleme größer. Das muss das alternde Deutschland erkennen.
Herr Laschet, weiter so!
Ekrem Senol – Köln, 24.08.2006