Prozess um Kopftuch-Verbot in Bayern

29. November 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | 4 Kommentare |

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am Montag über eine Klage gegen das gesetzliche Verbot für muslimische Lehrerinnen verhandelt, an den Schulen ein Kopftuch zu tragen. Dieses Verbot ist in Bayern im Jahre 2004 in das Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen aufgenommen worden.

Artikel 59 Absatz 2 Satz 3 des BayEUG ist ein anschauliches Beispiel für die Formulierungskunst von Ministerialbürokraten, die zwar ein bestimmtes Ziel im Auge haben, dieses aber möglichst nicht konkret definieren wollen. Das Wort „Kopftuch“ kommt im Gesetz nicht vor.

Art. 59 Abs. 2 S. 3 BayEUG: Sie (die Lehrer) müssen die verfassungsrechtlichen Grundwerte glaubhaft vermitteln. Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, dürfen von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden, sofern die Symbole oder Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist.

Die Argumente beider Parteien, sind auch nicht ohne. Der Kläger-Anwalt Jürgen Weyer monierte (laut TAZ), neben der Unbestimmtheit des Gesetzes, dass das Gesetz nur den Kopftuch erfasse. Wenn wie in manchen Bundesländern – alle religiösen Symbole verboten wären, sei der Kläger durchaus mit Verboten einverstanden. Eine muslimische Lehrerin könne das Kopftuch ja im Lehrerzimmer lassen.

Die anfänglich solide wirkenden zwei Argumentationspunkte verpuffen mit dem letzten Satz zu einer Phrase. Wenn eine muslimische Lehrerin das Kopftuch im Lehrerzimmer lassen kann, worüber diskutieren und streiten wir uns eigentlich? Entweder empfindet eine Muslime das tragen des Kopftuchs für sich als Pflicht oder eben nicht! Kommt es bei der Ausübung der Religion denn darauf an, was andere tun? Werde ich befreit von meinen Sünden, wenn ich aus dem Fenster springe nur weil alle anderen auch springen mussten? Mit solch inkonsequentem Auftreten verlieren hier die Kläger die Glaubwürdigkeit und am Ende womöglich auch den Prozess.

Die Verteidigung dagegen bringt vor, dass das Kopftuch bei vielen Betrachtern als Symbol für eine fundamentalistische Grundhaltung und für die Benachteiligung der Frau gesehen werde. Das gelte für das christliche Ordenshabit nicht. Eine Kopftuch tragende Lehrerin sei nicht in der Lage, die verfassungsmäßigen Bildungs- und Erziehungsziele, insbesondere die Gleichberechtigung von Frau und Mann, glaubhaft zu vermitteln und zu verkörpern. Daher würden drei muslimische Lehrerinnen an Grund- und Hauptschulen in Oberbayern und Schwaben statt Kopftüchern nun neutrale Hüte tragen, die ihren religiösen Auffassungen Rechnung trügen, die aber nicht als Symbole eines Fundamentalismus missverstanden werden könnten. In Mittelfranken sei mit drei Schulpraktikantinnen vereinbart worden, dass sie ihre Kopftücher ablegen, wenn sie selbst unterrichten.

Das Argumentationsmuster der Verteidigung erinnert mich an den Steinmeißler, der sich einen Monster in einen riesigen Fels schlägt und am Ende Angst vor dem selbst erschaffenen Ungetüm bekommt. Seit Jahren schon wird tagtäglich der Bevölkerung in den Zeitungen/ im TV zum lesen/sehen vorgesetzt, dass das Kopftuch ein Symbol für die Unterdrückung der Frau sei. Diese wird von vielen Stellen mit so einer Selbstverständlichkeit vermittelt, als hätte Gott es persönlich unterschrieben, notariell beurkundet und im Bundesanzeiger verkünden lassen.

Aber nicht nur deswegen ist die Argumentation daneben. Die Verteidigung vertritt die Ansicht, dass eine Kopftuch tragende Lehrerin nicht in der Lage sei, die Gleichberechtigung von Frau und Mann glaubhaft zu vermitteln und zu verkörpern. Stimmt! Wenn per Gesetz de facto nur einer Muslima mit Kopftuch die Berufsausübung versagt wird einer Nonne nicht und Männern aller Religionen sowieso nicht, dann ist eine Muslima in der Tat nicht in der Lage zu vermitteln und zu verkörpern, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und sei es eben wegen der Religion. Auch werden Lehrerinnen mit Hüten die Gleichberechtigung schwerlich verkörpern können, wenn sie im Klassenzimmer Hüte tragen, nach Schulschluss aber Kopftücher. Nein! Diese Lehrerinnen werden umso mehr die Unterdrückte Muslima und das Gegenteil der Gleichberechtigung verkörpern. Diese Art der Unterdrückung wird ihren Ursprung aber weder in der Religion, noch in einem tyrannischen Ehemann haben, sondern in verfassungswidrigen Gesetzen.

Ekrem Senol – Köln, 29.11.2006

4 Kommentare
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  1. Endlich mal die Ironie der ganzen Phrase auf den Punkt gebracht 😉 . Wenn du Politiker wüssten wie sehr sie sich in Widersprüche verheddern, und die Bevölkerung mal den Mut aufbringen würde ihre Mündigkeit wahrzunehmen und sich selbst zu informieren, statt mediale Propaganda einzuatmen – dann bestünde eventuell auch mal die Grundlage für eine faire und objektive Diskussion zum Thema Kopftuch – absehbar ist das jedoch in nächster Zeit nicht.

  2. […] Prozess um Kopftuch-Verbot in Bayern – JurBlog […]

  3. […] FYI: in this same Germany a court has ruled last monday that female muslim teachers cannot wear head scarfs in class. I admit having difficulties with this ruling, as it is still common in Germany to see catholic sisters teaching in a habit that covers hair and neck in a similar manner. A little more background (in german!) about the reasoning behind the case can be found here and here, and a collection of news articles from Google news here. […]

  4. falschmeldungen von islamisten, wie üblich.

    das tragen von kopftüchern hat nichts mit religion zu tun, ist im quran nirgends vorgeschrieben. es stellt eine rein politische aussage dar, die eben im schulbetrieb nichts zu suchen hat.

    grundsätzlich aber ist es richtig, daß auch ordensschwestern keien religiöse pflicht in anspruch nehmen können, ihrerseits kopftücher zu tragen.

    also generell weg mit diesen vermummungen!

 

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