Wenn die „Putzfrau“ diskriminierend wirkt
16. November 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | 3 Kommentare |Erste Verfahren zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) laufen bereits. Ãœber weitere mögliche Klagegründe, wird in der „Neue Ruhr Zeitung“ berichtet.
Besonders deutlich wird eine Diskriminierung in Stellenanzeigen: Die Formulierung „…junge, dynamische Küchenhilfe gesucht…“ ist ab sofort unzulässig. Schließlich dürfen sich ältere Jahrgänge da ausgeschlossen fühlen. „Putzfrau gesucht“ ist ebenso nicht im Einklang mit dem Gesetz, denn auch Männer sollten eine Chance auf diesen Job haben. …
Bösartige Bewerber könnten daraus ein Geschäft machen, fürchten nun einige Chefs. Zum Beispiel, wenn man sich absichtlich auf Stellenanzeigen meldet und nur auf „Diskriminierungen“ wartet – mit dem Anwalt im Gepäck. So viel steht fest: Wer tatsächlich andere benachteiligt, muss Schadenersatz zahlen. Trittbrettfahrer sollen keine Chance haben. …
So neu ist die Idee ja nicht und das Problem ist nicht erst mit dem AGG an der Tagesordnung. In den Anfangssemestern meiner Studienzeit war § 611a II BGB der beste Geldgeber für so manche Kommilitonen. Immerhin hat man damals Rund drei Monatsgehälter zugesprochen bekommen. Das ging so lange gut, bis die Häufung dieser Fälle mit immer denselben Klägern bei den Kölner Arbeitsrichtern Misstrauen hervorruf. Ein Kommilitone wollte wohl auf Teufel komm raus an einer typischen Frauenstelle arbeiten.
Ekrem Senol – Köln, 16.11.2006
„Dank“ der Entschädigungs-Ritter ist es als „Behinderte“ mittlerweile beinahe unmöglich geworden, einen Job zu bekommen. Sobald eine Bewerberin offenbaren muss, dass sie „behindert“ ist (Rollstuhlfahrerinnen z.B. können diese Tatsache schlecht bis zum Gespräch verbergen, wenn sie fragen müssen, ob der potentielle Arbeitsplatz bzw. der Gesprächsraum überhaupt zugänglich ist), kommt die Bewerbung in die „Rundablage“ (Müll) – angeblich ist es mittlerweile ein viel zu „heißes Eisen“, „Behinderte“ auch nur anzuhören – sie könnten sich ja sofort diskriminiert „fühlen“ und klagen.
So ist es für arbeitsfähige und -willige sog. „Behinderte“ nicht einmal mehr möglich, sich bei einem Gespräch zu „präsentieren“ bzw. durch eigentlich abzulehnende unbezahlte Probearbeit sich zu „bewähren“ oder zu „beweisen“ – nicht einmal mehr dazu werden sie zugelassen.
Die achsotolle „Behindertenquote“ wird dann, wenn überhaupt, mit geistig „Behinderten“ besetzt, z.B. in der Grünanlagenpflege oder beim Putzdienst, da diese weniger „aufmucken“ bzw. sich auch bei offensichtlicher Diskriminierung aufgrund lebenslangen Dankbarkeitstrainings nicht wehren.
Es wird wieder einmal klar: „Fürsorgegedanken“ sind kontraproduktiv. Es nützt nichts, etwas „für“ die armen Diskriminierten zu tun, sondern es ist notwendig, Diskriminierung als solche zu benennen und zu bekämpfen.
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Der stets zitierte „Gleichbehandlungsgrundsatz“ bzw. Art. 3 GG regelt lediglich das Verhältnis des Staates zur potentiell diskriminierten BürgerIn. Es ist erfreulich, dass nun auch „Behinderte“ nun Zugang zum allgemeinen Wohnungsmarkt („nee, so eine wollen wir hier nicht, wir sind doch kein Heim/keine Anstalt/kein Behindertenspielplatz“) bzw. auch zu Urlaubsmöglichkeiten haben (es ist immer noch möglich, sichtbar „Behinderten“ die Teilnahme an Gruppenreisen bzw. die Einmietung in Beherbungsbetrieben zu verweigern, da der Anblick z.B. eine Rollstuhlfahrerin mindernd auf die Urlaubsfreude der „Gesunden“ wirken könnte). Allein – es wird m.E. wenig nützen. Dann ist die Wohnung eben „gerade anderweitig vermietet“, wenn die ach-so-Behinderte als solche erkannt wird, oder die deutsch sprechende Kandidatin schwarz ist, oder oder oder.
Trotz aller Justizkosmetik: Die Diskrimnierung wird durch Gesetze nicht behindert, ja, sie wird, wie oben angerissen, durch unreflektierte Übernahme eines sozialarbeiterischen Fürsorgegedankens, nicht nur perpetuiert, sondern geradezu verschärft.
Zufall?
Hallo Zynikerin? Das Problem der Diskriminierung von Minderheiten taucht ja in der Tat überall auf. Mit Gesetzen kann man dem nur bedingt entgegenwirken. Wo ist Ihrer Meinung nach Handlungsbedarf? Wie kann der Bevölkerung der Umgang mit Minderheiten nähergebracht werden?
Ich kann von mir sagen, dass ich, bis ich einen Ferienjob in einem Sanitätshaus angenommen hatte auch keinerlei Erfahrung mit behinderten Menschen hatte. Dort habe ich – sowohl Kunden als auch Kollegen – sehr viele Rollstuhlfahrer/innen kennengelernt. Anfangs habe ich z.B. die Tür immer aufgehalten weil ich dachte, dem Rollstuhlfahrer damit zu helfen. In den Folgetagen habe ich dann gemerkt, dass dort alles Rollstuhlfahrergerecht konzipiert war. Das Türaufhalten habe ich dennoch nicht sein lassen. Dann aber aus Höflichkeit und nicht als Hilfe. Heute weiß ich, wie ich mit behinderten Menschen umzugehen habe. Nicht jeder hat aber in einem Sanitätshaus gearbeitet oder eine gute Bekannte mit Kopftuch oder einen netten schwarzen Nachbarn, mit dem er mal einen trinken geht. Wie soll die Mehrheit solche Erfahrungen sammeln? Und wie kann man „alle“ Otto-Normal-Verbraucher freiwillig dazu bringen, sich diese Erfahrungen anzueignen? Das ist schwer!
Daher brauchen wir mehr Sensibilität in den Grundschulen mit solchen Themen. Der Umgang mit Minderheiten sollte bereits Kindern als „selbstverständlich“ beigebracht werden. Genauso wie Kinder lernen, über die Straße zu laufen, sollten Sie auch lernen, wie sie mit Minderheiten umzugehen haben. Schließlich sind das gesellschaftliche Regeln, an die sich jeder halten muss, damit ein Zusammenleben funktioniert.
Gruß
[…] Besonders empfehlenswert: Meine Ausführungen (letzter Absatz) im JurBlog.de: Wenn die Putzfrau diskriminierend wirkt Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm scheiterte ein Industriekaufmann, der sich aus einer ungekündigten Stellung heraus beworben hatte. Er hatte auf eine Annonce geantwortet, in der eine „Sekretärin“ gesucht wurde. Die Stelle war allerdings nur mit der Hälfte seines Gehalts dotiert. […]