Der Fall Marco W.: Eine Kehrtwende in der Berichterstattung?

26. Juni 2007 | Von | Kategorie: Feuilleton | Ein Kommentar |

Die neuesten Meldungen über den in Antalya in Untersuchungshaft sitzenden deutschen Schüler scheinen, sachlicher zu werden. Schade, dass man nicht von vornherein mit Sachverstand, Geduld und kühlem Kopf an die Angelegenheit herangegangen ist. Während noch am 22.06.2007 beispielsweise die n-tv „Grund: Urlaubsflirt“ titelte, wird heute nach „Flirt oder mehr“ gefragt. Die Süddeutsche berichtet über erste Äußerungen des Tatverdächtigen und nicht mehr aus dem Spekulatio:

Marco W. bestätigte, dass es zu sexuellen Kontakten gekommen sei, betonte aber, das sei mit ihrem Einverständnis, sogar auf ihre Initiative hin geschehen. „Sie hat mich geküsst, angefasst, da bin ich zu früh gekommen.“

Die türkischen Ermittler beurteilten die Vorgänge anders, berichtet Bild. Nach ausgiebigem Alkoholkonsum sei Marco W. zudringlich geworden, das britische Mädchen habe dann um Hilfe gerufen.

Derweil zitierte N24 einen türkischen Anwalt, der Einblick in die Anklageschrift gegen Marco W. gehabt habe. Der Vorwurf lautet demnach auf „sexuellen Missbrauch von Kindern im schweren Fall“, sagte Bilal Kalayci. Ihm werde eine Gewalttat zur Last gelegt.

Hier wohl der Inhalt eines Briefes von Christian Wulf an den türkischen Premier Erdogan:

„Ich möchte Ihrer persönlichen Ãœberprüfung und dem Ergebnis der unabhängigen türkischen Justiz nicht vorgreifen, aber ich will aus meiner Meinung keinen Hehl machen: Nach all den Informationen, die mir vorliegen, gehört der Junge zu seinen Eltern nach Hause und nicht ins Gefängnis“, schrieb Wulff. Möglicherweise notwendige staatsanwaltschaftliche Ermittlungen könnten auch in Deutschland erfolgen.

Dazu das Bundesjustizministerium:

Nach deutschem Recht seien die Vorwürfe, soweit sie bislang bekannt seien, nicht strafbar, hieß es. (Quelle: Stern)

Hier stimmt doch etwas nicht.

Das Beste ist aber:

Die Bundesregierung wolle aber nicht auf die türkische Justiz „unbotmäßig Einfluss nehmen“.

Haben wir das nicht schon hinter uns gebracht? Unzumutbar und unverhältnismäßig schien hier weder die Mutter, noch das Vorgehen der türkischen Justiz gewesen zu sein.

Und was ist die Moral der Geschichte? „Der Junge im Türken-Knast“ Titelt die Bild-Zeitung heute noch herab wertend. Klar, die Bild-Zeitung ist nur ein Boulevardblatt und nicht ernst zu nehmen. Doch interessiert das in Anbetracht der Auflagenzahlen der Bild und aller anderen sog. seriösen Blätter? Bild Dir Deine Meinung!

Ekrem Senol – Köln, 26.06.2007

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