Der Fall Marco W.: Deutsche Selbstverständlichkeiten
25. Juni 2007 | Von E. S. | Kategorie: Feuilleton | 46 Kommentare |Seit Wochen schreiben und titeln deutsche Blätter über den unglücklichen Fall des deutschen Schülers in Antalya. Der 17-Jährige sitzt wohl seit über zehn Wochen in Untersuchungshaft wegen eines Urlaubsflirts mit einer 13-Jährigen Engländerin.
Solche Meldungen und Geschichten ignoriere ich in der Regel so gut ich kann. Doch zeigt dieser Fall gleich mehrere deutsche Selbstverständlichkeiten:
1. Selbstverständlichkeiten unserer Politiker
Deutschland regt sich – weshalb auch immer – seit ein Paar Tagen über diesen Fall auf. Der Tatverdächtige sitzt allerdings, wie eingangs erwähnt, seit über zehn Wochen in Antalya. Wie so oft handeln deutsche Politiker erst wenn die Öffentlichkeit ausreichend sensibiliesiert ist…
2. Selbstverständlichkeiten unserer Medien
…und deutsche Medien dann, wenn der Sommerloch ansteht oder sonst nichts dramatisches passiert. Ich meine, dass dieser Fall vor zehn Wochen zwischen den Meldungen aus dem Innenministerium untergegangen wäre.
3. Selbstverständlich Ausländer
Viele Blätter schreiben, dass „Der Junge … mit … ausländischen Mitgefangenen eine Zelle teilen …“ müsse. Was damit wohl gemeint ist? Erwartet man, dass ein im Ausland inhaftierter Deutscher, keine Ausländer in der Zelle hat? Natürlich nicht! Ist aber auch nicht so wichtig. Fakt ist: Er sitzt mit „Ausländern“ in einer Zelle! Dem liegt anscheinend der Gedanke zugrunde, dass ausländische Insassen schlimmer sind als deutsche. Wieso sonst findet diese Selbstverständlichkeit Erwähnung?
4. Selbstverständliche Haftbedingungen
Über die Haftbedingungen in der Türkei braucht man sich nicht lange unterhalten. Da muss Besserung her. Dumm nur, dass man den Eindruck bekommt, als wünschte man sich für den deutschen Schüler die Haftbedingungen, die in Deutschland – in Zusammenhang mit Steuergeldern – oft genug für zu „zu gut“, “ zu komfortabel“ oder sogar als „zu luxuriös“ beschrieben wurden.
5. Selbstverständliche Freilassungsforderungen
Die Bundesregierung hat die Türkei offiziell aufgefordert, den 17-Jährigen deutschen Schüler vorzeitig aus der Haft zu entlassen.
Möchte nicht wissen, wie groß der Aufschrei wäre, wenn die türkische Regierung die Freilassung eines türkischen Jugendlichen fordert, mit Hinweis auf „besondere Umstände“ des Einzelfalls. Was die Eltern einer 13-Jährigen, die die Anzeige erstattet hätten, davon halten würden und was wohl Deutschlands größter Boulevardblatt titeln würde – „Kinderschänder frei – Eltern fassungslos“ – lassen wir offen.
6. Selbstverständlich strafmildernd
Nicht unerwähnt wird selbst in Fünfzeilern gelassen, dass keine Gewalt im „Spiel“ war, dass die 13-Jährige eingewilligt und sich für eine 15-Jährige ausgegeben hätte. Das sind in der Tat erwähnenswerte strafmildernde Gründe zu Gunsten des Tatverdächtigen, sofern sie vorliegen. Doch sind das keine Strafausschließungsgründe im Sinne des Straftatbestandes.
7. Selbstverständlich „… bis zu …“
Den Tatverdächtigen erwarte „bis zu acht Jahre Haft„, ist ebenfalls in fast allen Artikeln zum Thema zu lesen. Ob und wie lange der Tatverdächtige möglicherweise zu erwarten hat und höchstwahrscheinlich nicht einmal annähernd acht Jahre sitzen wird – wenn überhaupt – bleibt, angesichts der mildernden Umstände, unerwähnt.
§ 176 Strafgesetzbuch (Deutschland!): Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
Aber egal, oder?
8. Selbstverständlich relativ
Teilweise ist zu lesen, dass der Tatverdächtige lediglich „Händchen gehalten“ habe mit der 13-Jährigen oder noch harmloser, sich lediglich „verliebt“ habe in eine Engländerin. In Zeiten zu vieler privatrechtlicher Mittagsshows wird anscheinend alles relativ. Was genau passiert ist, wird die türkische Justiz nun versuchen, herauszufinden. Sie wird allerdings auch berücksichtigen müssen, dass zum „verliebt sein“ oder „Händchen halten“ kein Hotelzimmer nötig ist und was die Mutter des Kindes dazu bewogen hat, selbst im Urlaub eine Anzeige zu erstatten.
9. Selbstverständlich ehrlich
Die Forderung, dass der Tatverdächtige ja nicht in Untersuchungshaft bleiben müsse, ist einfach nur lachhaft. In Deutschland werden Untersuchungshafte gegen Ausländer oft damit begründet, er könne sich in seine Heimat absetzen, selbst wenn der Tatverdächtige in Deutschland geboren, zur Schule gegangen ist, arbeitet und Kind und Familie hat. Wie groß die Gefahr bei einem Osterurlauber ist, sich in seine Heimat abzusetzen, wollen wir hier ebenfalls offen lassen.
10. Selbstverständlich türkisch
Das ganze wird in nahezu allen Artikeln so dargestellt, als wenn sowas typisch türkisch sei und nur türkische Gesetze so einen Unfug vorschreiben könnten. Unter den Teppich kommt die Tatsache, dass das türkische Strafgesetzbuch einen europäischen Ursprung hat.
11. Selbstverständlich überall?
Die Mutter aus England, die die Tat zur Anzeige gebracht habe, könne man nicht nachvollziehen ist teilweise noch zu lesen. Dieser Vorwurf ist in meinen Augen der Gipfel aller Unverschämtheiten. Mann kann doch eigentlich nur hoffen, dass alle Eltern sich ähnlichen verhalten, wenn ein 17-Jähriger die 13-Jährige Tochter im Hotelzimmer…
12. Selbstverständlich der EU-Beitritt
Last but not least: Der EU-Beitritt. Auch in diesem Fall wird die EU Keule geschwungen und danach gefragt, ob die Türkei reif für die EU sei. So als würde die Türkei etwas anderes tun, als die berechtigte Anzeige einer Kindesmutter verfolgen, sich also wie ein Rechtsstaat zu verhalten. Wären nämlich Haftbedingungen Beitrittskriterium, hätten in jüngster Vergangenheit so manche Länder der EU nicht beitreten dürfen.
Aber die EU-Keule gehört selbstverständlich dazu.
Ekrem Senol – Köln, 25.06.2007
Schöne Auflistung. Nur eine kurze Anmerkung zu 9.: Der „selbst wenn“-Teil macht einen wesentlichen Teil der Fluchtgefahr aus. Denn der Ausländer, der sich unabhängig von der Tat in sein Heimatland zurückbegibt und auch sonst nicht deutlich macht, dass er sich dem Verfahren entziehen wird, kann deshalb nicht in U-Haft genommen werden.
zu 3. Ausländer:
schon die Wortwahl zeigt ja die unglaubliche Ich-Bezogenheit. Es ist doch der ausländische Junge, der mit inländischen türkischen Häftlingen einsitzt. Aber anscheinend ist man als Türke selbst in der Türkei Ausländer.
***Kopfschüttel***
Moin Ekrem 🙂
Heute gehe ich in einigen Punkten nicht ganz konform mit Dir.
Zu 1:
Nicht Deutschland regt sich auf. Es finden sich auch Zeitungen mit sachlicher Berichterstattung. „Deutschland regt sich auf“ ist eigentlich mehr eine BILD-Aussage. Dazu habe ich heute auch etwas geschrieben.
Zu 3:
Das ist aber Boulevard-Schreibe. In Süddeutscher, FAZ oder FTD wirst Du nichts davon lesen.
Zu 5:
Da hat jemand die Sonntagskolumne in der Hürriyet gelesen. 😉
Davon abgesehen, wer denken kann, den interessiert die BILD nicht.
Zu 6 und 8:
Offizielle Statements seitens der türkischen Behörden gibt es meines Wissens über den „Tathergang“ noch gar nicht. Bislang stützen die Medien sich komplett auf Hörensagen. Darum sollte man darüber gar nicht erst spekulieren.
Hey, das solltest Du als Anwalt doch eigentlich wissen. 😉
Ich denke mal, die Diskussion ist wegen verschiedener Punkte so angeheizt. Eine britische Mutter zeigt einen deutschen Jungen in einem türkischen Urlaubsort an. Alleine diese Kombination lässt sich schon wunderbar von der Boulevardpresse ausschlachten. Da werden dann wieder alte Animositäten aufgewärmt etc.
Und es brauch bei so manchen Eltern wirklich keinen besonderen Grund, um Anzeige zu erstatten. Als ich 19 war zeigte der Vater meiner 17jährigen Freundin mich wegen „Verführung Minderjähriger“ an, nur weil sie eine Nacht bei mir übernachtet hatte. Okay, das ist jetzt über 20 Jahre her, aber solche Eltern gibt es heute mit Sicherheit auch noch. Ob da etwas passiert ist und wenn ja, was da passiert ist, kann letztlich nur das Gericht klären. Was ich dabei problematisch finde ist, dass sich die politische Stimmung dank diverser Boulevardblätter beider Seiten so angeheizt hat, dass ein übereifriger Richter der Meinung sein könnte, ein Exempel zu statuieren. Und DAS könnte in so einer Situation in jedem Land passieren.
@ Farlion
Zu 1.: Du hast natürlich Recht: Es sind nicht die „Deutschen“. Damit meine ich „selbstverständlich“ 😉 die deutsche Medienlandschaft und unsere Politiker.
Zu 3.:
Stern:
Spiegel:
Die Zeit:
Focus:
FAZ:
Das reicht 😉
Zu 6 und 8:
Du hast Recht. Sind nur spekulationen.
Ich verstehe das „mit 30 anderen ausländischen“ eigentlich so, daß eben keine Türken mit in der Zelle sitzen. Sondern Ausländer = Nichttürken.
„Mann kann doch eigentlich nur hoffen, dass alle Eltern sich ähnlichen verhalten, wenn ein 17 jähriger die 13 jährige Tochter im Hotelzimmer…“
– Kann man nicht nur nicht, sollte man insbesondere nicht. So etwas (dezent als “ …“ umschrieben, kann auch „poppen“ genannt werden) gehört nicht vor den Strafrichter, insbesondere nicht den türkischen !
[…] Senol analysiert im JurBlog die Berichterstattung zur Verhaftung eines deutschen 17-jährigen im türkischen Antalya. Dabei geht […]
@Ekrem
Der Schuldige für den Ausdruck „30 andere ausländische Gefangene“ ist gefunden. Das ist direkt aus der Meldung der „dpa“ übernommen worden. Die enthält diesen Satz.
Allerdings denke ich auch mal, dass man damit eventuell das ausdrücken wollte, was Kim hier auch in den Kommentaren vermutet.
Pah !
Ekrem – was wird diesem Marco denn eigendlich vorgeworfen ?!!!!
Du schreibst hier was von einem „Urlaubsflirt“ – und dafür geht man Wochenlang in den Knast ????
Wenn man sich dann mal erkundigt, was z.B. der Spiegel dazu schreibt lassen sich auch einige Deiner populistischer Generalvorwürfe gegen die Deutschen leicht als falsch entlarven !
„Die Türkei“ genimmt sich unmöglich – aber „Deutschland“ steht bei Dir am Pranger [kopfschüttel]
@Achim,
in der türkischen Presse liest man noch einiges mehr. Aber wie Farlion schon in seinem Blog schreibt, gesicherte Ergebnisse gibt es nicht wirklich viele.
Aber was ist daran unmöglich, wenn einer Anzeige nachgegangen wird, besonders wenn die Betroffene unter 14 Jahren alt und damit noch ein Kind ist.
Auch verstehe ich Deinen Vorwurf Ekrem gegenüber nicht. Seine Zurückhaltung kann ihm doch nicht zum Vorwurf gemacht werden, oder hätte er den Jungen nach Bild-Manier schon aburteilen sollen.
@Engin,
nun, der „Täter“ ist mit 17 Jahren aber auch noch nicht volljährig ! Und zumindestens der Spiegel behauptet, das keinen Geschlechtsverkehr und keine Gewalt gegeben hat – also : was wirft man dem Jungen vor ?
Das er Deutscher ist, und sich unmoralisch verhalten hat ? In wessen Augen ? Der Mutter ? Der Muslime ? …..
Und zu Ekrem – der führt hier ersteinmal einen 12 Punkte Plan auf, mit dem Tenor : Der böse Deutsche, der arme Türke ! Zurückhaltung kann ich da keine erkennen. Allerdings rechne ich es ihm hoch an, das er später einige Dinge zurückmimmt – Hochachtung.
Grüße
Achim
@ Achim
Der Tagesspiegel:
Stern:
So viel zu Ihrer Frage, was dem Tatverdächtigen vorgeworfen wird.
Ist es denn aber Zufall, dass Sie die Vorwürfe bisher nicht mitbekommen haben? Seit „heute“ gibt es die ersten Meldungen aus der Sicht der Mutter und der Gutachter in den deutschen Medien.
Nur das laut SPIEGEL Täter und Opfer abstreiten, das es zu einer wie auch immer gearteten Gewalttat gekommen sei !!Kann ja durchaus sein, das die Anklage das Anders sieht … die Frage ist aber doch wohl : Warum ???!!!
Man könnte jetzt mit dem fröhlichen Spekulieren anfangen, welches Interesse die türkische Justiz daran hat, den Jungen mit einer solchen Anklage zu konfrontieren und ihn dafür schon seit Woche einzulochen ?!?!?
Wie sieht es denn aus mit der Strafmündigkeit in der Türkei ?
Grüße
Achim
Ach Achim, nicht viel anders als in Deutschland auch.
@Achim,
es sollte doch mittlerweile möglich sein, eine ordentliche Verschwörungstheorie in der Sache aufzubauen, die zumindest etwas plausibel klingt.
Die (einzig verbleibende) Frage ist das „Beschleunigungsgebot in Haftsachen“, damit verbunden die Frage, ob die Sache nicht schon längst hätte entschieden gehört? Was soll noch ermittelt werden?
Erstaunlich ist in jedem Fall die Medienhysterie und der Reflex der „EU-Keule“.
Einerseits: Die Amis mach(t)en es bei vergleichbaren Fällen auch nicht anders (siehe Beitrag im JuracityBlog von heute).
Andererseits: Aber mit den „ausländischen Mitinsassen“ sind wohl nichttürkische Häftlinge vor allem aus Osteuropa gemeint. Die türkische Justiz meinte es dabei wohl eher gut mit dem Deutschen: http://www.net-tribune.de/article/250607-341.php.
Hallo,
grundsätzlich ist mir schon klar, dass die türkische Justiz nach der Anzeige handeln musste, dennoch steht für mich die Verhältnismässigkeit der Reaktion in Frage. Man kann sicher sagen, dass „Fluchtgefahr“ besteht, aber warum dauert die Aufklärung der simplen Fakten so lange, daß der Junge über zwei Monate in U-Haft verbringen muss? Laut Presseberichten waren ausser den beiden Protagonisten ebenfalls noch die 14-jährige Schwester als auch deren Begleiter anwesend, ist es da so schwer den Tatbestand erhellende Aussagen zu bekommen? Auch die Rolle der engl. Mutter gehört aufgeklärt, da diese anscheinend doch ihre Aufsichtspflicht verletzt hat, oder existiert diese nicht?
Und: War der Junge vorher schon auffällig, lagen gegen ihn in D schon Anzeigen vor? Anscheinend nicht.
Insgesamt hinterlässt die Angelegenheit bei mir einen schalen Beigeschmack, nicht so sehr wegen der Strafverfolgung des türkischen Staates, sondern eher wegen der Tatsache, dass es überhaupt zu einer Anzeige gekommen ist. Da stellt sich doch wirklich die Frage nach der Verhältnismässigkeit, oder sind wir hier schon so weit, dass amerikanische Moralvorstellungen überhand nehmen!?
@ Ralf B.
Das sind doch keine amerikanischen Moralvorstellungen! Ich bin mir sicher, dass viele auch in Deutschland und überall auf der Welt auch eine Anzeige erstattet hätten bei der Sachlage.
Laut türkischen Medienberichten, die sich auf den Gutachter stützen, soll Gewalt, Alkohol und Sperma im Spiel gewesen sein. Ob dem so ist, muss nun erörtert werden.
Über amerikanische Justiz und Moralvorstellungen: Juracitiy
PS:
[…] dem traurigen Fall des deutschen Schülers in Antalya mischen seit neuestem auch deutsche Magazine und Zeitungen mit. Während der Stern in Anlehnung […]
So jetzt ist es raus:
Dreizehnjährige Engländerin gibt sich für älter aus und holt nichtsahnendem 17Jährigen aus Deutschland im Urlaub in der Türkei einen runter. Daher auch die gefundenen Spermaspuren. – Oder doch Gewalt im Spiel?
Fazit bis jetzt:
1. Es ist zu sexuellen Handlungen mit einer 13-jährigen gekommen.
2. Strafverfahren war in jedem Fall einzuleiten. Wäre in Deutschland auch passiert
3. Wegen Fluchtgefahr scheint Anordnung der Haft jedenfalls grundsätzlich nicht ungerechtfertigt gewesen zu sein. Auch das wäre in Deutschland wohl nicht anders gelaufen.
4. Über Dauer der Haft (Stichwort „Beschleunigungsgebot“) und Haftbedingungen kann man streiten.
5. Die EU-Diskussion ist in diesem Zusammenhang (wenn auch ansonsten m.E. grds. nicht ungerechtfertigt) völlig unangebracht und im Hinblick auf die Äußerungen einiger Politiker in Deutschland einfach nur peinlich.
… allerdings 6.:
Wenn er als 17jähriger gedacht hat, sie sei 15 Jahre alt, und das ist bei der Art und Weise, wie sich die britischen Mädchen aufdonnern können, nicht fernliegend, würde bei einem Haftprüfingstermin in Deutschland bei einem Nicht-Volljährigen jeder halbwegs versierte Verteigiger den Knaben innerhalb von 24 Stunden mit den entsprechenden Auflagen frei kriegen. Egal ob Türke, Chinese, Deutscher oder Ami !
@ Bestrafer
Zu 6.: Nicht wenn der Türke, Chinese, Deutscher oder Ami nicht in Deutschland einen festen Wohnsitz hätte sondern im Ausland, Deutschland zu Urlaubszwecken besucht hätte, den Rückflugsschein bereits in der Tasche hätte und weswegen auch immer eigentlich schon längst zurück sein müsste. Egal ob er 17 oder 71 wäre und egal für wie alt sich das „Kind“ ausgegeben hätte.
— Ausländer:
Ein X-Länder in einem Knast in Y-Land hat es immer schwerer als ein Y-Länder. Kommunikation mit Sozialarbeitern und Wachteln, Mitgefangenen, Bibliothek, „fremdes“ Essen …
Vor diesem Hintergrund, meine ich, ist es durchaus eine Erwähnung wert, daß ein Deutscher in einem ausländischen Knast sitzt. Festzuhalten ist aber, daß die Perspektive falsch dargestellt wurde: Es ist der Deutsche, der als Ausländer unter den Inländern schmort.
— 17 Jahre:
Heftig ist im Übrigen auch – das wird hier im Blog leider noch nicht diskutiert – daß es sich um einen *Jugendlichen* handelt, der in einem Knast unter *Erwachsenen* einsitzt. Nicht ohne Grund gibt es bei uns Jugendstrafanstalten …
— Fluchtgefahr:
Es gibt Fälle, da reicht es manchem deutschen Haftrichter, wenn der deutsche Beschuldigte eine nicht-deutsche Großmutter hat, um daraus eine Fluchtgefahr zu konstruieren. Und man muß sich nichts vormachen: Wenn der Junge entlassen wird, ist er für die türkischen Gerichte nicht mehr erreichbar. Also entläßt man ihn eben nicht. Das wäre in Deutschland nicht anders.
[…] Zusammenfassung all derjenigen Dinge, die in diesem speziellen Fall „falsch“ sind, findet sich bei Jurblog! […]
So die ganze Labberei geht mir echt auf die Nerven!!!! Fakt ist der Junge hat in der Türkei eine Straftat beganngen und? Wo ist das Problem? Das der arme jetzt unterernährt rumläuft? Das er jetzt länger wie normal im Knast sitzt? Ich sage dazu nur selber Schuld, wer mit 17 Jahren meint, seinen Penis an einem Mädchen zu reiben oder Sex hat muß mit den Konzequenzen leben. Egal, im welchen Land auch immer, er hat dort die Tat beganngen also muß er in meinen Augen dort auch vors Gericht! Ende aus! Und das 13 Jährige Mädchen und ihre Mutter sollten auch in den Knast!!!!!!! Die haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!! Ja klar jetzt heißt es der arme Junge, er ist ja noch ein Kind aber zum wenn es um Sex geht ist er da noch immer der kleine Junge?
Und Deutschland soll mal besser ganz den Mund halten hier werden doch sogennannte Triebtätter wieder auf die Menschheit losgelassen, weil sie angeblich eine schlechte Kindheit hatten und vergehen sich später wieder an Kinder was ist los?!!!!
Echt nur noch peinlich!!!
MfG
Manuela
[…] http://www.jurblog.de/2007/06/25/der-fall-marco-w-deutsche-selbstverstaendlichkeiten/ […]
[…] des Vorwurfs des Missbrauchs in einem türkischen Gefängnis in Untersuchungshaft sitzt. In den deutschen Medien wird der Fall politisch stark aufgebauscht und als erneruter Beweis für die EU-Inkompatibilität der Türkei und absurderweise für die […]
@Manuela
Ich find den letzten Beitrag mehr als treffend! Endlich wird es klar und deutlich gesagt!
Es geht doch garnicht um den Fall Marco W., es geht um die kontrollierte Meinungsmache! Vor etwa 2 Wochen habe ich bei einer Polit-Talk-Sendung auf Phoenix von einem CDU/CSU Politiker (Name fällt mir nicht mehr ein)diese Worte mit entsetzen mitbekommen: „Es kann nicht sein, dass wir uns von der Türkei so behandeln lassen, ich bin dafür, dass wir endlich der Türkei einen Denkzettel verpassen und ich gehe mit gutem beispiel voran und bin dafür, dass wir gemeinschaftlich Türkei-Reisen boykottieren!“ Hallo! Ich glaub ich Spinne! Sollte sich wirklich so ein Trend entwickeln, dann bin ich dafür, dass alle Türken Ihr Vermögen sowie Investitionen, Einkäufe etc. nicht mehr bei deutschen Anbietern machen! Natürlich ist das Schwachsinn, würde ich nicht wirklich befürworten, doch sieht man gleich die Reaktion die daraus resultiert!
Leider finden solche Politiker in Deutschland immer genügend Sympatisanten! Ich fühle mich als Deutsch-Türke immer mehr Fremd in meiner Heimat! Deutschland macht mir Angst und diese Angst nimmt bestimmt nicht ab wenn ein Herr Schäuble total banale Ideen zum Thema mehr Sicherheit von sich gibt! Warum gibt es nicht Ideen die uns wirklich als Gesellschaft näher zusammenbringen! Ist es wirklich eine deutsche Krankheit, immer einen Sündenbock zu erklären und ihn stück für stück zu vernichten?!?!?!?!
Wir müssen uns gemeinsam entwickeln und nicht gegenseitig runtermachen! Wär hat den wem richtig betrachtet etwas voraus? Niemand! Wir sind alle nur ein Fehler von Mutternatur. Wir hassen alles was im Gleichgewicht ist, da es für den jeweiligen keinen Vorteil gibt. Einfach nur egoistisch, machthungrig und letztendlich (unbewußt) selbstzerstörend. Ich hoffe die Menschen bereiten sich Ihr eigenes Ende sehr schnell, da ich persönlich uns (betonung liegt auf „uns“) nicht mehr ertragen kann!
Verzweifelte Grüße,
Hallo Ekrem, Du prangerst hier „Selbstverständlichkeiten“ an –
und verlierst Dich dabei in Vorurteilen.
Nicht gerade ideale Voraussetzungen für einen Anwalt….
@hugo
Ich habe lediglich wiedergegeben, was über den Fall in den Medien tagelang zu lesen war.
@E.S.
Wo stand denn das?
„Mann kann doch eigentlich nur hoffen, dass alle Eltern sich ähnlichen verhalten, wenn ein 17-Jähriger die 13-Jährige Tochter im Hotelzimmer…“
Warum vervollständigst Du diesen Satz nicht?
Doch voller Vorurteile?
@ hugo
Sie haben sicher mehr Phantasie als ich. Vervollständigen Sie es! 😉
habt ihr denn nichts besseres vor
ich habt doch alle einen weg geht arbeiten.
und stirbt in ruhe
@E. S.
Ich denke Sie brauchen den Satz nicht vervollständigen: Ihre Intention war klar!
Lesen Sie eigentlich noch eine deutsche Zeitungen? Bei Ihrem Rundumschlag von Stern und Spiegel über die Zeit bis bin zu FAZ und Focus bleibt ja nicht mehr viel lesbares übrig das Sie nicht in die rechtspopublistische Ecke stellen.
@ bastian
Selbstverständlich lese ich deutsche Zeitungen. Wo sonst finde ich so viel Material für JurBlog? 😉
Im übrigen stellt der Artikel kein Rundumschlag dar. Es ist lediglich der Hinweis auf „Selbstverständlichkeiten“, die sonst nicht einmal auffallen weil der Leser nichts anderes mehr gewohnt ist.
Schon erstaunlich, wie sich Deutschland über das rechtliche Schicksal eines 17 jährigen triebgeilen Jünglings ereifert.
Sässe ein Rumäne mit dem gleichen Tatvorwurf an einer deutschen Minderjährigen in türkischer Haft, wäre der Schrei der deutschen Öffentlichkeit nach einer sofortigen Freilassung sicherlich kein Thema.
Nein, ganz im Gegenteil würde die hier nur fiktiv wiedergegebene öffentliche (Stammtisch)-Meinung sogar noch die Kastration des Täters fordern.
Wie soll man nun den Aufschrei der deutschen Medien und einer breiten Öffentlichkeit als Freibrief dahingehend werten? Etwa dahin
„17 jährige aller Länder vereinigt Euch und fallt geschlossen und sanktionslos über 13 Jährige Mädchen her.“
Wenn das Teil der Leitkultur sein soll, dann nein danke.
@E. S.
Mit Ihrem Rundumschlag spreche ich auch eher Ihren Kommentar an der ja wirklich kein ernstzunehmendes Blatt auslässt.
Aber mal im Ernst: Sie fordern immer wieder Toleranz und Verständnis für andere Kulturen. Wo bleibt Ihr Verständnis für die – vielleicht ja auch Ihre eigene – deutsche Kultur? Bei Ihnen kochen Emotionen hoch wenn es darum geht wie ein muslimischer Metzer sein Vieh schlachtet aber wenn ein deutscher Junge zwischen den Fronten zweier Kulturen zerrieben wird so lässt Sie das nicht nur klat, Sie kippen sogar noch Öl in’s Feuer.
In einem anderen Beispiel fragen Sie mit recht wo der unterschied zwischen Mehmet und Marco liegt. Vielleicht in der Art wie Sie über die beiden Berichten. Auf der einen Seite Unterstellungen:
Auf der andere Seite zitieren Sie unkommentiert „Folker und Willkür“:
„Folter und Willkür“ in einem Land das nichts anderes tut,
Vielleicht sollten Sie Ihre eigenen Selbstverständlichkeiten mal überdenken.
@ bastian
Sie verwechseln Emotionen mit Feststellungen. Was den muslimischen Metzger angeht ist das ein verkarpertes und verlogenes Spiel der übelsten Sorte.
Welche zwei Kulturen? Die der türkischen und deutschen oder die der englischen und deutschen oder der deutsch-deutschen? Was sie hier mit zerrieben beschreiben würde anderswo in Europa auch nicht anders verlaufen.
Nein, mein Lieber! Nicht in der Art wie ich darüber berichte sondern deutsche Medien. Ich habe hier nur eine bescheidene Handvoll Leser. Den Mainstream betreiben andere.
Zum Rest: In der Türkei gibt es Folter genau so wie in fast allen Ländern der Welt auch. Siehe Berichte von Amnesty International. Vor kurzem wurde, obwohl Folter bereits attestiert, in Deutschland darüber diskutiert, ob und wie man Folter legitimieren kann im Kampf gegen den Terrorismus. Ist Deutschland deswegen kein Rechtsstaat mehr? Da wir ja auch schon bei den wesentlichen Unterschieden zwischen diesen Fällen wären:
Desde wurde wegen angeblichen Beziehungen zu einer Kurdenbewegung verurteilt, die für ein unabhängiges kurdisches Staat kämpfen (ob nun wahr oder unwahr). Jedenfalls dürften die Probleme der Türkei mit solchen Organisationen ihnen nicht entgangen sein. Der Fall des Marco dagegen ist ein ganz anderer. Folter kommt daher bei ihm nicht in Betracht und das Rechtsstaatlichkeit lässt mich das noch lange nicht zweifeln.
Schließlich ist Deutschland immer noch die „Wiege“ der Rechtsstaatlichkeit trotz „Kurnaz“. Selbstverständlich ist in der Tat etwas anderes. Gelle? 😉
@E. S.
Stimmt, selbstverständlich sollte sein dass ein Junge nur für das Veruteilt wird das er auch begangen hat, dies auch erst nachdem es Bewiesen wurde und nicht schon vorher scheinheilige Andeutungen zu machen. Genauso selbstverständlich sollte es sein dass ein Rechtsstaat in keinem Fall foltert, egal ob Vergewaltingung, Kidnapping oder Terrorismus. Ebenso wie es selbstverständlich sein sollte die Religionsfreiheit und die Menschenwürde zu achten oder tolerant zu sein gegenüber anderen Sichtweisen sein.
Ich kann verstehen dass Sie einen anderen – sicher nicht Vorurteilsfreien – Blickwinkel haben, wer hat das nicht? Ich finde es jedoch schade dass Ihnen das nicht bewusst ist, oder Sie zumindest so schreiben als wenn es Ihnen nicht bewusst wäre.
@ bastian
Schöne und noble Ansätze, die Sie da haben. Die Realität sieht aber auch in Deutschland nicht anders aus. Hier mal ein kurzer Auszug aus einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts (Nr. 23/2005 vom 4. März 2005)
Noch mal auf Deutsch: Der Beschuldigte (Ausländer übrigens) saß in einem Deutschen Gefängnis für 2,5 Jahre in U-Haft. Der Grund für die U-Haft war: Fluchtgefahr! Also … immer schön auf dem Teppich bleiben.
Die Länge der U-Haft soll in Deutschland zwar 6 Monate nicht überschreitn, aber gleichzeitig auch dem Strafmaß angepasst sein. Wenn Marco schuldig ist wäre das Strafmaß bis zu 15 Jahre. Die U-Haft ist daher noch nicht unangemessen.
Und nur mal am Rande: In Deutschland wird Untersuchungshaft gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden gerne als Strafersatz betrachtet.
Sehe ich genau so!
Ebeeeeen!
Danke für Ihr Mitgefühl! Doch sind meine Antworten lediglich Reaktionen auf Ihre Kommentare dar, wie diese hier übrigens auch. Das sollte Ihnen vielleicht ebenfalls zu Denken geben.
wen ein jüdischer Metzger das Vieh entsprechend seines Ritus schächtet, dann ist es Teil der Religionsausübung.
Wenn ein islamischer Metzger das Gleiche tut ist es barbarisch.
Wenn die USA über 5 Jahre Menschen ohne richterlichen Beschluss einkerkert ist es ein Akt der Selbstverteidigung.
Wenn ein türkischer Richter auf der Grundlage geltenden Rechts Untersuchungshaft anordnet ist es Unrecht, wobei es von den innerdeutschen Laienrechtsgelehrten nur zu gerne übersehen wird, dass in den Statistiken des statistischen Bundesamtes (2004) bei Verstößen gegen § 176 StGB Untersuchungshaftdauern von bis zu oder sogar mehr als zwei Jahren geführt werden.
Gerne dürfen die Richterin Salesch und Richter Hold gebildeten Rechtsexperten Lichterketten vor deutschen Justizvollzugsanstalten einrichten und fleißig aus den Standartwerken StGB Kommentar Springer/Bertelsmann und StPO Kommentar Burda/Gruner/Jahr zitieren
Die Arroganz der Mehrheitsgesellschaft verhindert offenkundig einen ungetrübten Blick auf die eigenen Verhältnisse, dabei hält man ihr doch bloss das eigene Spiegelbild der Intoleranz vor.
@ Li
Hätten Sie einen Link/Fundstelle für mich?
Gerne
https://www-ec.destatis.de/csp/shop/sfg/bpm.html.cms.cBroker.cls?cmspath=struktur,vollanzeige.csp&ID=1018271
als PDF Datei 480 Seiten (Tabelle Seite 342 ff)
Grüsse
LI
@ Li
Danke sehr 🙂
[…] dass Tatverdächtige Klarheit über die drohende Strafe erlangen. Doch ist die deutsche Selbstverständlichkeit in diesem Fall leider alles andere als sachlich, vernünftig und objektiv. Sobald man den […]