Schäubles Relativierung des Koordinationsrates der Muslime (KRM)

4. Mai 2007 | Von | Kategorie: Politik | 5 Kommentare |

Aus nachvollziehbaren Gründen hatte Innenminister Wolfgang Schäuble im Rahmen des ersten Islamgipfels ein Ansprechpartner auf Seiten der Muslime gefordert. Nachvollziehbar, weil die große Mehrheit der organisierten Muslime in Deutschland einem der vier großen Dachverbände angehören und keine dieser Organisationen für alle sprechen kann.

Es müsse möglich sein mit einen kompetenten Partner Themen wie z.B. islamischer Religionsunterricht an staatlichen zu beraten und zu gestalten. Es könne nicht sein, dass man mit jedem Verband einzeln verhandle und zu unterschiedlichen Ergebnissen komme. Diese plausible Forderung wurde von den vier größten (gemessen an der Mitgliederzahl) angenommen und innerhalb kürzester Zeit umgesetzt. Sie haben sich zum KRM (Koordinierungsrat der Muslime) zusammen geschlossen.

Der Bedeutung entsprechend wurde das Ereignis in der KölnArena vor tausenden Gästen gewürdigt und der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Die Resonanz war und ist seit dem gewaltig; kaum ein Tag vergeht, ohne dass der KRM in den großen Tageszeitungen Erwähnung findet. Schließlich überraschten die islamischen Dachverbände mit ihrem schnellen handeln nicht nur die breite Öffentlichkeit, selbst die eigenen Mitglieder hätten diesen Schritt ihren Vorständen nicht zugetraut.

Selbstverständlich gab es viele Lobeshymnen wie Kritik aus allen Seiten. Herr Schäuble befand den Zusammenschluss zwar löblich doch relativ. Der KRM habe rund 300.000 Mitglieder und könne daher nicht für alle Muslime sprechen. Immerhin würden bis zu 3.000.000 Muslime in Deutschland geschätzt.

So sehr Herr Schäuble mathematisch Recht haben mag, stellt sich dann die Frage nach der Ernsthaftigkeit der anfänglichen Forderung, bitte nur ein Ansprechpartner haben zu wollen. Die Mitgliederzahlen der Verbände haben sich in den letzten Wochen sicher nicht wesentlich verändert. Wenn selbst die vier größten – und nicht irgendwer – nach einem Zusammenschluss nicht groß genug sind, muss Herr Schäuble sich die frage gefallen lassen, ob er nicht bewusst eine unmögliche Forderung gestellt hat oder einfach, wie alle anderen auch vom Tempo der islamischen Verbände beeindruckt, vom KRM überrumpelt wurde und nun versucht, irgendwie noch die Kurve zu kriegen um nicht von/mit einem Ansprechpartner sprechen zu müssen.

Nach der Schäuble’schen Logik jedenfalls werden Muslime niemals einen Ansprechpartner auf Augenhöhe hervorbringen können. Selbst den vier größten muslimischen Verbänden gemeinsam wird es nicht gelingen, jemals 51% aller Muslime in Deutschland zu ihren Mitgliedern zu zählen, um für die Mehrheit – geschweige denn für alle – sprechen zu können.

Ekrem Senol – Köln, 04.05.2007

5 Kommentare
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  1. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was dieses Geschwafel von „Ansprechpartner auf Augenhöhe“ heissen soll…
    Beim Gespräch am Tisch der Islamkonferenz sitzen auf den Fotos alle auf gleicher Augenhöhe.
    Davor und danach sind die muslimischen Konferenzteilnehmer sogar „über Augenhöhe“, weil Minister Schäuble im Rollstuhl sitzt.

    Wenn man das mit der Augenhöhe aber nicht wörtlich, sondern sinnbildlich versteht, muß man mal feststellen:

    Innenminister Schäuble ist ein demokratisch gewählter und legitimierter Vertreter der staatlichen Exekutive, der mit französischen oder türkischen Innenministern auf gleicher Augenhöhe verhandelt, aber nicht mit den Vertretern privater Vereine (von übrigens fragwürdiger demokratischer Legitimation).

    Das sind und bleiben verschiedene Ebenen.
    Andererseits wurde aber auch nie verlangt, irgendwie demütig zu buckeln – was also soll dieses Geschwafel?

  2. und noch was zum Thema gleiche Augenhöhe:

    Ali Toprak, Generalsekretär der liberalen Alevitischen Gemeinde Deutschland:

    Erst unmittelbar vor dem Beginn der Pressekonferenz hat Innenminister Wolfgang Schäuble bekanntgegeben, wer mit ihm auf das öffentliche Podium darf. Daraufhin hat Herr Kizilkaya dagegen protestiert, dass ich auch dabei bin. Sein Hauptargument ist, dass ich als Vertreter der Aleviten nicht für Muslime sprechen dürfe. Er und die anderen Herren des Koordinierungsrats haben auch im Fahrstuhl und auf dem Weg zur Pressekonferenz keine Ruhe gegeben. Sie haben allen Ernstes versucht, mir zwischen Tür und Angel ein Glaubensbekenntnis zum Islam abzuverlangen. Wer keinen Respekt gegenüber anderen Religionsgemeinschaften zeigt, verdient selbst keinen Respekt und keine Anerkennung.
    taz

  3. @ M(aria)

    Gemessen an der Zielsetzung der Islamkonferenz und den anfänglichen Forderungen Herr Schäubles ist es, wenn auch nicht vergleichbar mit Außenministern unter sich, notwendig, auf gleicher Augenhöhe zu sitzen, da sonst nicht von Beratung und gemeinsamer Arbeit gesprochen werden kann.

    Wundert mich aber nicht, dass Sie sich an einem Begriff festbeißen und den wesentlichen Inhalt – Die Forderungen und die anschließende Relativierung – außen vor lassen.

  4. Ich kann Herrn Schäuble ebenfalls nicht verstehen. Grundsätzlich halte ich diese Konferenz für falsch und nicht der Integration dienlich.

    Allerdings wenn er schon diesen falschen Schritt gemacht hat, dann sollte er es offen äußern und die Konferenz dann für hinfällig erklären anstatt mit fragwürdigen Forderungen das ganze ins Absurde zu führen.
    Er sollte klar aussprechen, daß es nichts auf dieser Konferenz zu besprechen gibt und auch kein einheitlicher Ansprechpartner für diese Verbände eine Rolle spielt.

    Selbst so ein Mann wie Herr Schäuble wagt es nicht deutlich auszusprechen, daß der Islam sich in unserem Land unseren Regeln anzupassen hat und sonst nichts.
    Armes Deutschland.

    Gruß,
    Volker K.

  5. […] in Deutschland und dienen meist der Marginalisierung des Einflusses muslimischer Vertretung. Ekrem bemängelt bspw., dass Bundesinnenminister Schäuble den Zusammenschluss der deutsch-islamischen Dachverbände […]

 

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