Ungleiche Potenziale – Studie verzerrt die Lage der Integration in Deutschland
28. Januar 2009 | Von E. S. | Kategorie: Gesellschaft, Leitartikel | 16 Kommentare |Laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung sind Türken mit Abstand die am schlechtesten integrierte Migrantengruppe. Seit Veröffentlichung der Studie scheint das weit verbreitete Vorurteil, Türken seien integrationsunwillig, bestätigt zu sein. Print- wie Rundfunkmedien heben das schlechte Abschneiden der Türken hervor und vermitteln, als sei die Herkunft ursächlich für das Abschneiden der jeweiligen Migrantengruppen. Bei näherer Betrachtung der Studie werden allerdings Verzerrungsfaktoren deutlich, die maßgeblich für die Resultate der Studie und das Ranking der Migrantengruppen sind.
Für die Auswertung wurde seitens des Instituts ein Katalog von zwanzig Indikatoren zusammengestellt und mit den Daten aus dem Mikrozensus 2005 ausgewertet. Dabei wurden die Ergebnisse aus dem Mikrozensus in Bewertungsschlüssel aufgeteilt, auf Grund derer eine Benotung von eins (schlecht) bis acht (gut) erfolgt.
Im Folgenden werden die einzelnen Indikatoren unter die Lupe genommen und augenscheinliche Verzerrungsfaktoren aufgeführt.
1. Bereich Assimilation
Staatsbürgerschaft
Die deutsche Staatsbürgerschaft ist laut Studie vor allem für Menschen, die nicht aus EU-Ländern kommen, eine Voraussetzung für die rechtliche Gleichstellung. Der Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt und sozialen Leistungen ebne den Weg zur Integration erheblich. Gleichzeitig deute die Tatsache, dass jemand die deutsche Staatsbürgerschaft annehme, auf eine Identifikation mit der Bundesrepublik und damit auf den eigenen Integrationswillen hin.
Wie die Abbildung 1 verdeutlicht, schneiden hier die Aussiedler (8) am besten ab gefolgt von Afrikanern (6), den Migranten aus Ländern der 25 EU-Staaten (6). Migranten aus der Türkei belegen hier mit einer Bewertung von vier den sechsten Platz von acht miteinander verglichenen Migrantengruppen. Schlusslicht bilden Migranten aus Südeuropa und aus dem ehemaligen Jugoslawien mit dem schlechtesten Bewertungsschlüssel (1).
Verzerrungsfaktor 1
Was auf den ersten Blick wie ein relativ schlechtes Abschneiden der Türken ausschaut wird relativiert, wenn man in Betracht zieht, dass die Gruppe der Aussiedler bereits von Gesetzeswegen Deutsche sind. Bei ihnen bedarf es keiner Einbürgerung. Sämtliche Aussiedler (zu 100 %) werden im Mikrozensus bereits als Deutsche ausgewiesen. Ein Vergleich von Aussiedlern mit anderen Migrantengruppen, die nicht per Gesetz die Deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, ist daher nicht möglich und hätte auch nicht in die Gesamtbewertung einfließen dürfen.
Verzerrungsfaktor 2
Ein weiterer Verzerrungsfaktor ist der Vergleich von Türken mit Migranten aus den weiteren 25 Ländern der EU. Diese Gruppe umfasst Migranten aus Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn, dem Vereinigten Königreich und Zypern. Zuwanderer aus Griechenland, Italien, Spanien und Portugal werden als Gruppe der „Südeuropäer“ gesondert betrachtet.
Hier werden zwei Migrantengruppen miteinander verglichen, bei denen die rechtlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung nicht dieselben sind. Während Türken bei einer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband die türkische Staatsbürgerschaft aufgeben müssen, dürfen Migranten aus den oben genannten 25-EU-Ländern ihre bisherige Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in den deutschen Staatsverband behalten. Berücksichtigt man, dass mit Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft im Einzelfall nicht unerheblich finanzielle Verluste drohen (beispielsweise Rentenansprüche) können, führt ein direkter Vergleich zu unbrauchbaren Ergebnissen und verzerrt das Gesamtergebnis zum Nachteil der Türken nicht unerheblich. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass nicht nur Migranten aus den EU-Staaten doppelte Staatsbürger werden können, sondern teilweise auch Migranten aus den Migrantengruppen naher- und ferner Osten mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein Gegenseitigkeitsabkommen unterzeichnet hat.
Zieht man die Werte der Gruppe der Südeuropäer (Griechenland, Italien, Portrugal und Spanien) hinzu, die trotz der Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft sehr schlecht abschneiden (1), schneiden Türken mit einer Bewertung von vier vergleichsweise sogar gut ab und geben keinesfalls den Eindruck, dass durch das Gesamtergebnis der Studie suggeriert wird.
Bikulturelle Ehen
Bikulturelle Ehen zeigen laut Studie den Grad der Annäherung zwischen Menschen mit deutscher und nicht-deutscher Herkunft und seien daher ein Integrationskriterium. Auch hier schneiden Türken (1) – gemeinsam mit den Einheimischen – im Vergleich zu anderen Migrantengruppen deutlich schlechter ab.
Bei näherer Betrachtung werden allerdings auch hier Faktoren deutlich, die einen direkten Vergleich zwischen den einzelnen Migrantengruppen im Grunde verhindern. Insbesondere Bikulturelle Ehen entstehen nach langjähriger gegenseitiger Annäherung und gegenseitigem Austausch. Je näher sich Menschen aus unterschiedlichen Ländern kommen, desto häufiger entstehen Partnerschaften zwischen ihnen. Dieser Grundsatz führ zu einer Verzerrung in der Studie.
Verzerrungsfaktor 1
So haben Türken aus der Türkei im Gegensatz zu Migranten aus den o.g. 25 EU-Staaten – die mit einer Wertung von acht am besten abschneiden – und im Gegensatz zu Migranten aus vielen anderen Teilen der Erde nicht die Möglichkeit, sich innerhalb der EU frei zu bewegen. Während ein/e Japaner/in ohne Visum in die EU einreisen darf, muss ein Türke einen äußerst mühseligen Visumsantrag stellen, die zudem nicht selten abgelehnt wird. Ein ständiger Austausch oder Annäherung mit Deutschen ist für Türken aus der Türkei erheblich schwieriger als für einen Belgier, Dänen oder Franzosen.
Auch die möglichst restriktive Anwendung des bereits seit 1963 bestehenden Assoziierungsabkommens EWG, das die Türkei auf die EU-Mitgliedschaft vorbereiten soll, ist in weiten Teilen eher eine Abschottungs- als einer Annäherungspolitik.
Verzerrungsfaktor 2
Weiterhin verdeutlichen die Ergebnisse der Studie, dass selbst unter Migrantengruppen mit denselben Freizügigkeitsregelungen offensichtliche Unterschiede bestehen. Während Migranten aus den eher nördlichen 25 EU-Ländern auf eine Wertung von acht kommen, kommt die Migrantengruppe aus Südeuropa auf gerade einmal die Hälfte (4), was mit den kulturellen Unterschieden und unterschiedlichen Lebensweisen zusammenhängen dürfte. Dies macht sich auch bei den Türkischstämmigen bemerkbar, die nicht nur aus einem anderen Kulturkreis kommen sondern i.d.R. auch eine andere Religion haben, was sich insbesondere auf die Lebensweise auswirkt.
Ob Faktoren wie unterschiedliche Kultur und Religion, die gegenseitige Annäherung zwar verlangsamen aber grundsätzlich nicht verhindern, Rückschlüsse auf die Integrationswilligkeit der Migranten geben, darf stark bezweifelt werden. Je unterschiedlicher zwei Menschen sind und je größer die Entfernung zwischen ihnen, desto länger braucht die Annäherung. Dies steckt in der Natur des Menschen und dürfte kaum mit Willen oder Können im Zusammenhang stehen. So erklärt sich das Nord-Süd-Gefälle innerhalb Europas. Die temperamentvollen Südländer Europas gehen viel weniger eine Ehe mit einem/r Deutschen/in ein als Nordeuropäer.
Auch die dynamische Auswertung bikultureller Ehen unter den Deutschen und Türkischstämmigen in der zweiten Generation belegt dies deutlich: Während Bikulturelle Ehen unter allen Türkischstämmigen in Deutschland auf einen Wert von eins kommen, steigt dieser Wert in der zweiten Generation auf drei, was darauf hindeutet, dass Annäherung auch eine Zeitfrage ist.
Verzerrungsfaktor 3
Ein weiterer Verzerrungsfaktor sind Ehevermittlungen über das Internet. Einer Studie aus dem Jahr 2000 zufolge werden für den deutschen “Heiratsmarkt“ rund 70 % Frauen aus Osteuropa präsentiert, etwa 15 % Frauen aus Asien und ca. 10 % Frauen aus Lateinamerika. Familienzusammenführungsanträge aus dem fernen Osten zu deutschen Ehemännern gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung. Mit 2.535 Ehen im Jahre 2003 zwischen thailändischen Frauen und deutschen Männern ist Thailand beispielsweise die nur dritthäufigste an interethnischen Ehen in Deutschland beteiligte Nation. Die Zahl der Eheschließungen von deutschen Frauen mit einem Thailänder lag dagegen bei 26, was das offensichtliche Ungleichgewicht und die Intention der Eheschließungen zeigt. Diese Zahlen zeigen aber nicht einmal das tatsächliche Ausmaß. In der offiziellen Statistik tauchen nur Eheschließungen auf, die vor einem deutschen Standesamt oder in einem deutschen Generalkonsulat im Ausland geschlossen wurden (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung), im Mikrozensus dagegen werden alle Eheschließungen erfasst, die von den Befragten angegeben wurden.
In diesem Zusammenhang darf bereits die Eignung des Faktors „binationale Ehen“ als ein Integrationskriterium angezweifelt werden. Wenn Frauen aus den armen Regionen der Welt wie aus einem Versandhandelkatalog bestellt und ehelicht werden, dürfte dies wohl kaum Rückschlüsse auf den Integrationswillen zulassen. Insbesondere bei kleineren Migrantengruppen in Deutschland dürfte der prozentuale Anteil an Ehen aus dem Katalog einen nicht unerheblichen prozentualen Anteil am Gesamten ausmachen und darf nicht als Vergleich mit anderen Migrantengruppen herangezogen werden.
2. Bildung
Eine gute Ausbildung ist in einem hoch entwickelten Industrieland Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, so die Studie. Finanzielle Unabhängigkeit, Qualität des Arbeitsplatzes, Höhe des Erwerbseinkommens und gesellschaftliches Engagement stehen in engem Zusammenhang mit dem Bildungsstand eines Menschen.
Schaut man sich die Gesamtpunktebewertung der die Bildung betreffenden Faktoren (ohne dynamisch) einmal an, schneiden Türken erneut mit Abstand am schlechtesten ab. Allerdings sind auch hier einige Punkte anzuführen, die zeigen, dass auch diese Ergebnisse nur bedingt aussagekräftig sind.
Verzerrungsfaktor 1
Für den Bereich Bildung wurden Personen im Alter von 20 bis 64 Jahre erfasst. D.h., dass auch Migranten der ersten Zuwanderergeneration mit erfasst sind. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, wäre ein besseres Abschneiden aller Türkischstämmigen in Deutschland überraschend. Die erste Generation der Türkischstämmigen, die Gastarbeiter, stammte ganz überwiegend aus ländlichen, strukturschwachen Gebieten und hatte häufig keinerlei Ausbildung. Sie waren zwischen 20 und 40 Jahre alt. In Deutschland angekommen sollten sie für eine vorübergehende Zeit arbeiten und wieder in ihre Heimat zurückkehren. Sprachkurse oder Fortbildungsmaßnahmen, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. Daher verwundert es nicht, dass die Bildungsquote der Türkischstämmigen deutlich schlecht ausfällt.
Dieser Umstand deckt sich mit dem Grundtenor der Studie – Türken seien integrationsunwillig – nicht überein. Schaut man sich die dynamische Entwicklung (Kinder von Migranten) in punkto Bildung an, wird deutlich, dass insbesondere Türken am besten abschneiden und den größten Sprung hinlegen. Die guten Werte bei der dynamischen Bewertung für „Hochschulreife“ fließt in das Gesamtergebnis allerdings nur mit 1/20 ein, während die Bewertungen der 20 bis 64-jährigen mit einem Anteil von 4/20 einfließen, was das Gesamtbild äußerst negativ beeinflusst, obwohl unter den Türkischstämmigen ein deutlicher Trend hin zum Positiven vorhanden ist, wenn auch immer noch verbesserungsbedürftig.
Verzerrungsfaktor 2
Migrantenkinder haben es im deutschen Bildungssystem besonders schwer; sie sind mehrfach benachteiligt. Kinder aus sozial schwachen Familien (häufig Migrantenfamilien) müssen vergleichsweise mehr Leistung erbringen als deutsche Kinder, um eine Empfehlung für eine Realschule oder für das Gymnasium zu erhalten. Des Weiteren erhalten Zuwandererkinder aufgrund ihres Migrationshintergrundes eher eine schlechtere Empfehlung für eine weitergehende Schule. (Quellen mit weiterführenden Verweisen: hier, hier und hier).
Insbesondere die PISA-Studien haben erstmals quantitativ exakt belegt, dass Deutschland stärker durch Migranten unterschichtet ist als die anderen modernen Einwanderungsgesellschaften, wobei die tendenzielle Statuskluft bei den Einwanderern aus der Türkei besonders groß ist. In einigen europäischen Nachbarländern – Vereinigtes Königreich, Schweden, Norwegen, Frankreich – ist der Statusabstand höchstens halb so groß, und in Kanada, das seit drei Jahrzehnten eine durchdachte Migrationspolitik mit einer darauf abgestimmten Integrationspolitik betreibt, gibt es derartige Statusunterschiede kaum, was wiederum darauf schließen lässt, dass Erfolg und Misserfolg von Integration nicht davon abhängt, woher ein Migrant kommt.
3. Erwerbsleben
Indikatoren zur erfolgreichen Beteiligung am Erwerbsleben deuten laut Studie immer auf zwei Aspekte hin. Sie zeigen zum einen, ob eine Person gewillt ist, am wirtschaftlichen und damit auch am sozialen Leben teilzunehmen. Zum anderen lassen sie Rückschlüsse darauf zu, wie offen die Aufnahmegesellschaft gegenüber den Migranten ist. Türkischstämmige Migranten erzielen auch hier das weitaus schlechteste Ergebnis.
Verzerrungsfaktor 1
Die Ergebnisse dieser Indikatoren sind für sich betrachtet von großer Bedeutung und zeigen deutlich auf, wo Defizite sind und Handlungsbedarf besteht. Allerdings hängen sämtliche dieser Indikatoren mit den oben aufgezeigten Bildungsindikatoren zusammen. Mangelnde Bildung führt zu hohen Erwerbslosenquoten und zu wenigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in Vertrauensberufen.
Der Verzerrungsfaktor liegt darin, dass sämtliche Indikatoren der Gruppe „Erwerbsleben“ auf das Gesamtergebnis mit einer Gewichtung von 8/20 einfließen. Die damit zusammenhängende Indikatorengruppe „Bildung“ wird mit 5/20 gewichtet. Zusammen kommen die Indikatorengruppen „Bildung“ und „Erwerbslosigkeit“ auf eine Gewichtung von 13/20 im Gesamtergebnis. Die deutsche Staatsbürgerschaft hingegen fließt in das Gesamtergebnis mit nur einer Gewichtung von 1/20 ein.
Verzerrungsfaktor 2
Viele Vertrauensberufe sowie die Beschäftigung im öffentlichen Dienst setzen die deutsche Staatsbürgerschaft voraus, was zu einer weiteren Verzerrung bei Migrantengruppen führt, die es schwieriger haben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen als beispielsweise Migranten aus den EU-Ländern (siehe oben: Staatsbürgerschaft).
Verzerrungsfaktor 3
Die Nichtanerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen oder erlernter Berufe führt bei Personen aus Nicht EU-Ländern häufig dazu, dass sie trotz Berufserfahrung und Ausbildung in Deutschland als unqualifizierte Arbeitssuchende eingestuft werden und somit schlechte Aussichten auf eine Arbeitsstelle haben. Dieser Umstand trägt maßgeblich mit dazu bei, dass viele von ihnen ihre Berufe nicht als Selbständige ausüben dürfen. Dieser Problematik bewusst, werden aktuell auf Bundes- und Landesebene Gespräche über die Anerkennung von im Ausland erworbener Qualifikationen geführt. Diese Ungleichbehandlung von EU- und Nicht-EU-Bürgern fließt in die Studie allerdings nicht ein, so dass ein direkter Vergleich auch hier nicht möglich ist.
Verzerrungsfaktor 4
Der Indikator „Hausfrauenquote“ verzerrt das Gesamtergebnis mehrfach. Zum einen dürfte bereits fraglich sein, inwiefern die Entscheidung einer Frau für Familie und Kind darüber Auskunft geben kann, ob sie integrationswillig ist oder nicht.
Zum anderen werden Frauen, die sogar Akademiker sein können, in der Studie als Hausfrauen erfasst, wenn sie sich in Elternzeit befinden. Dieser Umstand führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Ergebnisse zu Lasten von kinderreichen Migrantengruppen.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Personen besonders dann als integriert gelten, wenn sie dem Gemeinwohl dienen indem sie beispielsweise arbeiten und Steuern zahlen, was sich auch in die Gewichtung der vorliegenden Studie niederschlägt, müsste eine hohe Hausfrauenquote oder zumindest eine hohe Geburtenrate positiv auf die Gesamtbewertung einfließen und nicht umgekehrt.
Aufgrund des demographischen Wandels und der niedrigen Geburtenraten ist Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden. Nicht ohne Grund wurden in Deutschland nach und nach finanzielle Anreize für Familien geschaffen, ein Kind auf die Welt zu bringen. Hinzu kommen zahlreiche Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, damit Arbeits- und Berufsleben überhaupt möglich sind. Wenn Maßstab für Integration die Gemeinnützigkeit ist, dann darf eine hohe Hausfrauenquote nicht als Indiz für Integrationsunwilligkeit angesehen werden. Trotz zahlreicher Verbesserungen der letzten Jahre haben kinderreiche Familien in Deutschland weniger Geld zum Leben als kinderarme oder kinderlose Familien, obwohl sie zum Wohle der Allgemeinheit die Steuer- und Rentenzahler von morgen aufziehen.
Die von dieser Verzerrung am meisten betroffene Gruppe sind die Türken: Laut vorliegender Studie hat die Gruppe der Türkischstämmigen eine durchschnittliche Haushaltsgröße von 3,2 Personen. Migranten aus dem nahen Osten kommen auf eine durchschnittliche Haushaltsgröße von 2,7 und belegen den zweiten Platz. Schlusslicht sind die Einheimischen und die Migrantengruppe aus den 25 EU-Ländern mit einer Haushaltsgröße von jeweils 2,0.
Die hohe Hausfrauenquote verzerrt aus diesen Ãœberlegungen heraus nicht nur das Gesamtergebnis, verkehrt sie auch noch ins Gegenteil.
4. Absicherung
Ein gesichertes eigenes Einkommen ermöglicht privaten Konsum und berufliche Investitionen. Dagegen sind Menschen mit keinem oder einem niedrigem Einkommen, laut Studie, in ihrem Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Im Extremfall verursachen sie gesellschaftliche Kosten, weil sie vom Staat alimentiert werden müssen. Angesichts der miserablen Bildungsquote aller Türkischstämmigen und der hohen Erwerbslosigkeitsquote überrascht das Ergebnis im Bereich der Absicherung.
Verzerrungsfaktor
Trotz ungünstiger Voraussetzungen auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt scheinen Türkischstämmige ihre Absicherung besser im Griff zu haben als Migrantengruppen, die vergleichsweise höhere Bildungsgrade aufweisen und auch auf dem Arbeitsmarkt besser positioniert sind.
Daraus könnte man folgern, dass Türken trotz offensichtlich vorhandener Probleme im Erwerbsleben weniger Leistungen vom Staat in Anspruch nehmen als Migrantengruppen, denen es finanziell besser gehen müsste. Dieser Umstand fließt in die Gesamtbewertung der Studie mit nur einem Anteil von 3/20 ein, obwohl die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen in der Allgemeinheit als ein erheblicher Integrationsindikator angesehen wird. In den Grundtenor der Studie – Türken seien am schlechtesten integriert – fließt dieser Teilaspekt dennoch nicht ein.
5. Dynamische Indikatoren
Zugewanderte kommen aus den unterschiedlichsten Gründen und aus den verschiedensten Ländern und Lebenssituationen. Abweichungen zu den Einheimischen hinsichtlich vieler Merkmale, etwa dem Bildungsstand, sind damit programmiert. Die Unterschiede können auch bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland nur allmählich und nur teilweise schwinden. Anders sieht es bei den hier geborenen Kindern der Zugewanderten (dynamisch) aus. Ihr Lebensmittelpunkt liegt in der Regel von Anfang an in Deutschland. Der wahre Erfolg der Integration einer Herkunftsgruppe wie auch der nationalen Integrationspolitik zeigt sich laut Studie in der Entwicklung dieser zweiten Generation. Daher messen fünf Indikatoren in verschiedenen Bereichen den Änderungsfaktor zwischen den Lebenslagen von Zugewanderten im Vergleich zu ihren in Deutschland geborenen Kindern.
Verzerrungsfaktor
Während 15 Indikatoren eine Unterscheidung nach Zugewanderten und in Deutschland Geborenen nicht vornimmt, fließen in das Gesamtergebnis lediglich fünf dynamische Indikatoren ein. Um die Entwicklung allerdings umfassend und ausgewogen zu präsentieren, wäre es wichtig und richtig gewesen, sämtliche Indikatoren auch hinsichtlich der dynamischen Entwicklung auszuwerten, um auch die Entwicklung in diesem Bereich ausreichend zu würdigen.
Das Gesamtbild über die angebliche Integrationsunwilligkeit türkischstämmiger Migranten verbessert sich bei der dynamischen Auswertung deutlich und entspricht nicht mehr dem Grundtenor der Studie, weshalb die unausgewogene Gewichtung zwischen den dynamischen und nichtdynamischen Indikatoren zu einer deutlichen Verzerrung des Gesamtergebnisses insbesondere zu Lasten der Türken führt.
6. Wer integriert wie gut?
In diesem Abschnitt der Studie werden die Werte der Integrationsindikatoren für die Bundesländer Deutschlands ermittelt. Dazu werden sämtliche Personen mit Migrationshintergrund, unabhängig von ihrer Herkunft, zu einer Gruppe zusammengefasst.
Auffällig ist bei dieser Auswertung das gute Abschneiden des Landes Hessen mit einer Gesamtbewertung von 4,71. Schlusslicht ist Saarland mit einer Bewertung von 3,43, was wiederum dem Grundtenor der Studie wiederspricht. Unterschiedliche Migrantengruppen sind nicht wegen ihres Herkunftes, der Ethnie oder Religion besonders gut oder schlecht integriert sondern aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen vor Ort. Anders lässt sich das Gefälle zwischen den Bundesländern nicht erklären. Dies wird noch einmal im Städtevergleich deutlich, wo München mit einer Gesamtbewertung von 5,94 deutlich besser abschneidet als Schlusslicht Duisburg (3,75).
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7. Fazit
Die Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung enthält viele nützliche Informationen und Auswertungen, um den aktuellen Integrationsstand zu erfassen. Einzelne Indikatoren geben Aufschluss darüber, wo Defizite besonders groß sind und wo die Herausforderungen für eine künftige Integrationspolitik liegen.
Allerdings sind einzelne Indikatoren nicht geeignet, den Integrationsgrad zu messen und sagen auch nichts darüber aus, ob eine bestimmte Migrantengruppe mehr oder weniger integrationswillig ist. Ein Indikator (Hausfrauenquote) verkehrt den Integrationswillen sogar ins Gegenteil.
Der Vergleich zwischen den Migrantengruppen ist wegen diversen Verzerrungsfaktoren und ungleichen Voraussetzungen nicht möglich. Die Zusammenfassung der Ergebnisse zu einem Gesamtergebnis mit einem Ranking der Migrantengruppen ist unbrauchbar und dürfte kaum den Integrationswillen widerspiegeln. Der mit diesem Vergleich einhergehende Grundtenor der Studie – Türken seien am schlechtesten Integriert – gibt einen äußerst negativen Beigeschmack und suggeriert, als seien die Integrationsdefizite oder der Integrationswille auf die Ethnie oder das Herkunftsland zurückzuführen. Dass dem nicht so ist, wird in der Studie beim Länder- und Städtevergleich zwar deutlich, die Medienlandschaft konzentriert sich dennoch auf die am wenigsten Aussagefähige Gesamtbewertung.
Bleibt zu hoffen, dass die Lehren und Handlungsempfehlungen aus der Studie beherzigt werden. Es ist höchste Zeit, den Zeigefinger nicht mehr auf einzelne Migrantengruppen, sondern auf die Defizite in der Integrationspolitik zu richten.
Die Studie zeigt nicht die Desintegration der Türken, wohl eher die Desintegration der Deutschen in die Welt außerhalb ihrer „Goetheinstitute“.
Aber anyway… vielmehr würde mich das schlechte Abschneiden der westlichen Bundesländer im Vergleich zu den östlichen interessieren. Wie kommt das, dass im Osten der Republik Ausländer viel besser integriert sind als im Westen, obwohl dort die Ausländerfeindlichkeit angeblich höher ist?
Gibt es in den neuen Bundesländer überhaupt noch Ausländer??
Und welchen Einfluß hätte das auf die Studie gehabt???
Fragen über Fragen: Wer denkt sich eigentlich solche Studien aus? Und warum??
Vielen Dank Herr Senol für Ihre ausführliche Analyse der Studie. Haben Sie Ihre Erkenntnisse den entsprechenden Forschenden ebenfalls zukommen lassen? Wenn ja, wie fiel die Reaktion aus?
@ Michael Hock
Ausdenken ; jemand dem es ziemlich langweilig sein muß
In Auftrag geben ; einer der damit Politisch die Menschen gegeneinander ausspielen möchte , vermutlich um von seiner persönlichen Inkompetenz ab zu lenken
Und Ausführen bzw die Zahlen so verderehn wie man Sie brauchen kann ; jemand der eine üble Kindheit hatte
Vermutungen über vermutungen , aber der realität näher als der Quatsch dieser Statistiken
@ kontra:
Danke zurück! Sobald die Stellungnahme vorliegt, teile ich es mit euch.
Aussiedler mussten bis zum Jahr 2000 erst einen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft stellen. Erst seit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht sind sie automatisch deutsche Staatsbürger, wenn sie nach Deutschland kommen. Wenn man bedenkt, dass die größte Welle nach dem Zusammebruch der SU kam, war die Annahme der Staatsbürgerschaft eine willende Entscheidung.
Grüße
[…] http://www.jurblog.de/2009/01/28/ungleiche-potenziale-studie-verzerrt-die-lage-der-integration-in-de… Keine Kommentare bis jetzt Einen Kommentar schreiben RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag. TrackBack URI Einen Kommentar schreiben Antworten abbrechen. Zeilen- und Absatzumbrüche automatisch, E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt, HTML-Tags zulässig: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong> […]
@liz
Das kann so nicht ganz stimmen, Aussiedler, Spätaussiedler, Statusdeutsche, Vertriebene oder wie sie auch nun mal bezeichnet werden und wurden, haben stets übergangslos ihre deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, und nebenbei gesagt ihre alte auch behalten dürfen, so wie altruistisch der deutsche Staat eben nun mal ist! Nur bei türkischen Staatsbürgern kennt er kein Pardon! Zumal sie vorzüglich als gewisse Ersatz-Juden sich dazu eignen.
Die Studie ist so wie sie ist, ob alt oder neu! Trotzdem hat sich nicht viel geändert! Und es wird sich auch allzuleicht daran ändern! Wer die Keule des Ausländerrechts zu spüren hat, der hat nun mal ein anderes Leben, auch wenn er nun die deutscher Staatsbürgerschaft in seinen Händen hält. So selbstzufrieden sollte auch nicht diese sein. Wer weiß, vielleicht ändert sich wieder etwas gravierendes? Nur was ist dann! Wenn nämlich das viertelste Enkelkind auch kein Aufnahmeland findet, weil der Urgroß-Vater, so blöd war und sich ganz opprtun sich nur für die eine entschieden hat!
Sicherheit kann nur eine doppelte bieten. Dafür müssten doch gerade die Deutschen ein sehr großes erständnis haben, denn sie selbst heißen Menschen mit einer 500 Jahre langen Disapora immer noch Willkommen heißen, zumal diese wirklich wie konservierte und gar nicht weggegangene Heim ins Reich kommen!
Ich tue jetzt allen vorurteilsbeladenen akademischen Studienverfasserdumpfbacken einen großen Gefallen.
Ja ich habe einen Migrationshintergrund.
Ich bin zu doof meinen Namen zu Schreiben und finde großen Gefallen daran Frauen zu unterdrücken.
Von Politik versteh ich nichts und von der deutschen Sprache noch weniger.
In der Schule war ich nur, weil ich nicht wußte wo ich Vormittags meine Zeit verbringen sollte und die Dönerbuden erst mittags öffnen.
Menschenrechte sind mir ein Greuel und wenn ich von Grundrechten rede, meine ich mein grundsätzliches Recht meine Meinung mit meiner Rechten in das Gesicht eines anderen zu schreiben.
Ich habe einen unwiderstehlichen Drang zur Kriminalität, liebe niedere Tätigkeiten und wohne mit großem Vergnügen in herutergekommen Wohnsiedlungen, vorzugsweise im Familienverband von 150 Mitgliedern auf 40 Quadratmetern.
An die Uni kam ich nur über ein erschlichenes UN Stipendium für geistig minderbemittelte Unterschichtsmigranten. Die Staatsexamen habe ich nur deshalb bestanden, weil ich den Prüfern mit der Verarbeitung ihrer Familie zu Dönerspiesen gedroht habe.
Meinen Kumpeln mit denen ich mich gerne und häufig an öffentlichen Plätzen zusammenrotte geht es auch nicht anders.
Ich hoffe ich habe jetzt alle Vorurteile bedient, sollte ich eines Vergessen haben bitte ich um einen entsprechenden Hinweis.
LI
@ LI
Da tust du dir aber richtig weh! Ich denke, dass die meisten jetzt – so ziehmlich übergeschnappt – reagieren!
Denn auch wir müssen uns den Schuh anziehen! Wieviel Solidarität gibt es denn bei uns selbst, wenn schon der deutsche Staat, weder für uns was tut, noch uns rechtlich erniedrigt.
Und was machen wir bisher?! Wir schauen zu, wie Lämmer die zur Schlachtbank führen!
Von einer kleinen Minderheit mal abgesehen, verhalten wir uns genauso wie sie uns allzu gerne sehen wollen! Die Araber und andere sind fantischer in Fragen der Religion, aber die Knüppel kriegen wir ab. Halb Nord-Afrika macht eine blutige Tradition wahr, mit der Beschneidung von Frauen! Und wir müssen uns für etwas gezwungenermaßen rechtfertigen, womit wir nichts zu tun haben!
Und sind verdammt zu viele, die wirklich nur in türkischen Cafe´s und in Moscheen nur „rumgammeln“, statt mal etwas mit dem Leben anzufangen!
Die Erfolgreichen und Aufsteiger unter uns, die leisten keine Solidarität, mit denen, die eben nicht das große Glück einer sozial eingeestellten deutschen Nachbarin hatten!
Solange dies alles und vieles andere Mehr nicht erwirklicht wird, solange wird unsere Lage insgesamt nicht besser! Ich kann nur jedem raten sich die Geschichte der Juden in Europa, und ganz spaziell,die der im Deutschen Reich empfehlen zu studieren, vielleicht kapiert ja der Eine oder auch der Andere, was ich eigenlich damit wohl bisher gemeint haben könnte!
Ich denke nicht, dass man unbedingt immer die gleichen Fehler machen sollte! Grundprinzip Nr. 1 sollte die Wahrung der Bindung mit der Türkei sein. Selbst das Grundgesetz gibt 500 Jahre lang in der langen Diaspora lebenden Deutschen eine Heimstätte! Ohne ein Land, auf das man sich beziehen kann, ist man früher oder später verloren! Diese Erkenntnis mussten JUden immer in ihrem Leben machen, bis zuletzt im Finale der Shoah!
[…] Vorbehalt weitere Aufmerksamkeit versagt bleibt, zumal kritische Kommentierung bereits im JurBlog besteht und vollinhaltlich geteilt […]
nein ich bin auch türke und bin sehr gut in der schule kann mich gut integrieren es hat etwas mit sprache und familie sowie mit umgebung in der es wächst zu tun
Glaube nie einer Statistik die du nicht selber gefälscht hast. Das Internet ist schlecht! Es macht das Bild was ich bisher von Deutschland hatte so ziemlich kaputt. Vielleicht sollte ich nicht mehr auf solchen Seiten Surfen. 😉
man sieht es ja auf den Strassen: die Türken sind die besten Migranten überhaupt. Bedarf keiner weiteren Überprüfung. Ein dreifaches Hoch auf das Türkentum!
@ delice
Ich glaub Du hast den Knall nicht gehört,
komm mal von Deiner inszenierten Opferrolle weg!
Die selbstverliebte, nationalistische und teils agressive
Türkei kommt ja wohl dem Charakter von Nazi-Deutschland
und 3.Reich am ehesten nahe.
Wenn hier alles so schlimm ist und in der Heimat
alles so toll ist, weshalb dann hier bleiben???
Ihr seit einer der integrationsfeindlichsten Volksgruppen
Europas, aber wenigstens haben Türken und Deutsche
etwas gemeinsam, beide haben Völkermord verübt!
Natürlich will die Türkei keiner in der EG haben weil
viele männl. Türken der 2. oder 3. Generation hier
so extrem beliebt sind.
Weisst du wie moderne Menschen in Istambul oder sonst
wo grosse Teile ihrer Landsleute in Deutschland bezeichnen???
Letztlich haben rückständige und integrationsfeindliche Türken
in Deutschland mit dem teils asozialem Verhalten der jüngeren
männl. Generation den EG-Beitritt einer modernen Türkei verhindert.
Wenn euch Respekt und Ehre so wichtig sind, dann zeigt
es doch auchmal gegenüber der Dt. Gesellschaft, nur
mal so als kleiner Tip!
Dass Delice die hier lebenden Türken ist eine Frechheit ohnesgleichen. Mir fehlen wirklich die Worte. Eine Frechheit gegenüber zigMillionen vergaster Menschen, eine Frechheit gegenüber dem deutschen Staat und eine Frechheit gegenüber jedem einzelnen Deutschen. Delice, sie sollten sich in Grund und Boden schämen, Sie haben nicht verdient, hier unter uns zu leben. Pfui!
Nachtrag, vergessen:
Dass Delice die hier lebenden Türken mit den Juden im Dritten Reich vergleicht…