Der erste türkische Karnevalsverein nur getürkt? Nix da!

9. Januar 2009 | Von | Kategorie: Feuilleton, Leitartikel | 9 Kommentare |

Seit einigen Tagen ist die Rede vom ersten Türkischen Karnevalsverein Deutschlands (TKVD) in Köln. Die Medien schalteten sich ein, Fragen wurden laut und selbst die rechtspopulistische „Pro Köln“ bekam Angst, dass nun womöglich „Alkoholverbot bis Ende Februar“ und „Burka-Gebot für Karnevalistinnen“ drohe.

Rosenmontag - Foto: flickr.com/photos/jesuspresley/106472338/

Rosenmontag - Foto: flickr.com/photos/jesuspresley/106472338/

Gestern hat sich der Karnevalsverein den Medien präsentiert: Sechzig Journalisten waren zu der Pressekonferenz nach Köln gekommen und wunderten sich. Die gesamte Aktion entpuppte sich als PR-Gag. Hinter der Aktion stecken die Comedians Jan Böhmermann, Caroline Korneli und Pierre M. Krause, deren Comedyshow „TV-Helden“ in diesem Monat bei RTL startet, wie ein Sprecher des Senders sagte.

Heute titeln die Zeitungen (u.a. FAZ, Die Welt, Rheinische Post, Kölner Stadt-Anzeiger, Express): „Getürkt“.

Nix da! Im April 2006 schrieb ich bereits, dass es – richtigerweise – anders heißt. Mein Artikel im Wortlaut:

Die Redewendung: „Das ist getürkt“ kennt wohl jeder? Es wird als Synonym für falsch oder unecht verwendet. In Wikipedia wird es beschrieben als: „etwas mit Täuschungsabsicht als wahr darstellen“. Vom Wortlaut her muss man wohl auch der Ansicht sein, dass das wohl in irgendeinem Zusammenhang mit Türken stehen muss. Steht es auch. Allerdings war der Türke weder Täter noch Opfer. Strafrechtler würden ihn als Werkzeug bezeichnen.

Zu den Erfindungen des Dichters, Baron Wolfgang von Kempelen (1734 – 1804), gehört auch der erste Schachautomat der westlichen Welt, den er 1769 am Wiener Hof der Öffentlichkeit präsentierte. Seine Nationalität wird in der Regel von deutschen Quellen als deutsch genannt. Er nannte seine „denkende“ Maschine „den Türken“. Denn vor der unförmigen Kiste mit dem Schachbrett saß eine lebensgroße, prunkvoll osmanisch gekleidete Puppe, der Türke.

Das Geheimnis seiner Maschine, behauptete von Kempelen, liege allein in der komplexen Zahnrad-Mechanik im Inneren der Kiste. Die Schnelligkeit, mit der der mechanische „Türke“ fast jeden Schachspieler seiner Zeit schlug, ließ an dieser Erklärung zweifeln. Baron von Kempelen hatte das Geheimnis seines Automaten mit ins Grab genommen. Die Menschen seiner Zeit vertrauten dem „Schach-Türken“, war doch der Glaube an die Allmacht der Technik im 18. und 19. Jahrhundert grenzenlos. Entsprechend tief saß später die Enttäuschung über die Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Der erste Käufer des „Schach-Türken“, Friedrich der Große, bemerkte den Schwindel bald. Ein Mensch saß im Gehäuse der Maschine. Ãœber eine mechanische Steuerung konnte er seine Schachfiguren mit dem Arm der „Türken-Puppe“ bewegen. Den Spielstand übersah er, indem er in geschickt angeordnete Spiegel blickte, wie sie auch von Zauberkünstlern verwendet werden. Der Schachcomputer, der keins war, war nach der heutigen Wortbedeutung her also nicht „getürkt“ sondern „gedeutscht“. Man beachte die Ähnlichkeit mit dem Synonym: „getäuscht“. Passt!

In Anbetracht dessen, dass hinter dem PR-Gag und unter den drei Comedians kein einziger Türke steckt, passt „gedeutscht“ in der Tat.

Bei der Gelegenheit möchte ich auf das neue FAZ-Blog „Haymat“ von Karen Krüger aufmerksam machen, die ein gelungenes Fazit zieht:

Eines ist aber auf jeden Fall gelungen: Aufregung und xenophobe Entgleisungen zu provozieren, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten sind. Da wurde so manchem der Spiegel vorgehalten.

9 Kommentare
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  1. Haarspalterei… 😉
    … aber wem es gefällt …

  2. Sehr tolle Aktion! Allerdings sind Pierre M. Krause und Caroline Korneli keine Comedians. Zumindest und vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass Ingo Appelt und Mario Barth auch Comedians sind. Da haben die zwei doch eher einen journalistischen Hintergrund, auch aufgrund ihrer Laufbahn.

  3. Es ist doch eher darauf zu achten wie Medien und Bevölkerung reagiert haben.
    Man redet doch immer von Interagtion , bitte schön da habt Ihr sie.
    EIn Türkischer Karnevalsverein, was mehr bracuht man um zu dokumentieren das man angekommen ist.
    Nur so am rande , es gibt mehr als genug beispiele im Kölner Karneval wo man immer wieder auf Türken trifft die sich dieser Tradition des Karnevals anschliesen und auch Ehrenamtlich daran sich beteiligen.
    Nur werden Ihre Türkischen namen auf Deutsche namen geändert.
    Aus Lütfi wird dan sehr schnell der Ludwig .

  4. Aus Lütfi wird dan sehr schnell der Ludwig .

    Tja wenn man darunter „Integration“ versteht….. was soll man da sagen. Mein Mann hat heute seinen ersten Integrationskurs-Tag 🙂 Mal schauen, wie es wird….

  5. Ich erinnere mich noch an die ersten Sendungen – im noch damls 3-gliedrigen deutschen Fernsehen.

    Das Fernsehen hatte dann diesen Frohmut des rheinischen Karnevals stundenlang ausgestrahlt. Es ging sogar soweit, dass alle zwei noch ausstrahlenden Sender, diese stundenlang sendeten, denn das Dritte, also der BR, schaltete sich dann aus, so ähnlich wie z.B. B5 um genau Null Uhr.

    Irgendwie hatten wir immer bei den Sitzungen zunächst etwas verwechselt. Dieses 3malige Zurufen der Zuschauer vor Ort, verstanden wir immer als „Allah, Allah, Allah“, dabei kamen wir sehr spät dahinter, dass sie nur „Allaf, Allaf, Allaf“ dröhnten. Irritierend auch deshalb, weil man den Namen des Gottes so alkoholisiert nicht aussprechen konnte und auch nicht durfte!

    Nun, dass war meine erste Begegnung mit diesen Vereinen. Dann kam ja auch noch diese Umzüge, die ebenfalls Life übertragen wurde, auch stundenlang.

    Ich muss gestehen, für uns als Kinder war das immer so eine Tortur. Wir konnten weder damals noch Heute je etwas damit anfangen.

    Wie kann man nur so etwas für schön erachten?! Böse Zungen sagen ja, dass man so sehr leicht, als wie sonst an deutsche Frauen unter den Rock fassen kann. Nun ja, viele der angeblich so muslimsch erzogenen Männer trinken auch dann ganz schön weg. Weg sind dann die hehren Ziele.

    Allah wird schon wegschauen.

    Ich frag mich dan nur, wie da die muslimischen (türkischen) Paare da wohl sitzen wollen. So Hintern neben Hintern, dicht bei dicht, der Hintern der eigenen Freundin oder gerade auch noch der eigenen Ehefrau neben einem fremden Mann? Wo bisher doch die vielberüchtigte die Rettung Ehre Einzug gehalten hatte? Nicht das es noch zu einem Massen-Ehrenmord-Geschichten kommt!

    Außerdem, was ist dann mit dem obligatorischen Schunkern, so Arm in Arm? Oh weija, da wird aber vieles zur Geduldsfrage!

    Was ist dann mit dem Alkohol und seinen Einflüssen?

    Was ist wenn die Ehefrau(Freundin, dann dem lieben Nachbarn einen Kuss, von Zungenküssen will mal nicht reden, geben sollte?

    Was ist dann mit den Aufforderungen zu einem Tänzchen, von einem fremden Manne?

    Oder ist das ganze halb so schlimm, wenn es nur dort passiert?
    Jetzt wird es härter: Darf man nur dann dort – als türkischer Mann – gehörnt werden?
    Kann man noch sicher sein, dass die K.. usw. usw.!

    Mir scheint, dass die Assimilierungsfreude so manch einer, die ersten Früchte trägt. Nur, wenn man sich mit derartigem arrangiert, dann muss man auch die volle Härte des etwaigen Eintreffens auch hinnehmen, und nie wieder Zurückfallen. Der Zug ist dann abgefahren! Nur sich die Rosinen herauszupicken, um dann bei einem Rückschlag wieder sich seiner Herkunft wiederzu besinnen, dass sollte es nicht geben!

    So nach dem Motto, wenn alees so schön klappt bin ich Deutscher, und wenn etwas schief läuft wieder der rasende Türke. Deshalb sollte man wesersich noch andere verarschen! Ich denke, dass der Fasching wider unserer Natur ist. Wir können weder auf Komando, noch mit übermäßig viel Alkohol lustiger werden!

  6. Hallo delice,

    als Westfale sage ich auch immer, dass Karneval eigentlich wider unsere Natur ist.
    Mir scheint übrigens, dass Sie hier ein wenig päpstlicher als der Papst argumentieren.
    Es ist ein absolut menschliches Verhalten, dass man sich zunächst seinen aufgaben stellt, und dann auf das Ergebnis reagiert.
    Jeder Mensch hat zunächst die Aufgabe, sein eigenes Leben zu organisieren. das macht er in Gemeinschaft mit anderen.
    Je nach Zusammensetzung und Orientierung der Gesellschaft ist das für jeden unterschiedlich erfreulich oder frustrierend. Dann kommen auch noch die individuellen Kompetenzen des einzelnen Menschen zum tragen. Wie geniesst er/sie seinen /ihren Erfolg? Wie reagiert er/sie auf die Frustrationen?
    Unter fremde Röcke fassen ist auch im Karneval strafbar; es sei denn, die Trägerin lädt dazu ein. I.ü. ist sogar das Fassen unter bekannte Röcke strafbar, wenn die Trägerin eben dies nicht wünscht.
    Warum sollte man nicht einfach zivilisiert ein wenig Spaß haben? Bützchen haben null Bedeutung; das weiß auch Allah.

  7. @ Andreas
    Applaus

  8. Habe vor einigen Tagen was auf RTL gesehen mit den TV Helden das die das so per Pressemeldung herausgebracht haben mit dem türkischen Kanevalsverein erst gar nicht verstanden.

  9. Man kann es ja versuchen, es gibt inzwischen immer mehr Blödsinn in den Medien. Ist halt Geschmackssache.

 

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