Grünen-Parteitag: Scharia als alleinige Grundlage von Menschenrechten
15. November 2008 | Von E. S. | Kategorie: Politik | 5 Kommentare |Soeben trudelt ein Änderungsantrag zu „60 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – Menschenrechte verteidigen und ausbauen“ ein. Dem Antrag sollen folgende Zeilen hinzugefügt werden:
Forderungen islamischer Staaten (OIC-Länder), die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam (CDHRI), welche die Scharia als alleinige Grundlage von Menschenrechten definiert, komplementär oder alternativ zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) zu begreifen und daran gar die offizielle Berichterstattung des UN-Menschenrechtsrates auszurichten, lehnen wir ab. Wir fordern alle Staaten auf, derlei Uminterpretation der Menschenrechte deutlich entgegen zu treten.
Unser Menschenrechtsverständnis geht vom Individuum und dessen Rechten im säkularen Rechtsstaat aus.
Das schariatische Verständnis meint statt dessen die religiös abgestufte (Muslime und Nichtmuslime werden ebensowie Frauen und Männer unterschiedlich behandelt) Gewährung von Gruppenrechten – in welche der Einzelne sich einzuordnen hat – in einem vormodernen Modell religiös begründeter Herrschaft. Die schariatischen „Menschenrechte“ gründen auf Pflichten des Gläubigen gegen Gott und nicht auf individueller Selbstbestimmung. Die Abwendung von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen gilt als todeswürdig.
Religionsfreiheit beinhaltet jedoch uneingeschränkt das Recht, die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften sanktionsfrei beenden zu dürfen. Kritik an Religion ist im Rahmen der Meinungsfreiheit legitim. Religion kann keine Verletzung von Menschenrechten legitimieren. Religiöse Gefühle sind kein objektivierbares Kriterium für die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Begrenzung einer kritischen Berichterstattung über religiös motivierte Menschenrechtsverletzungen.
Wer Vergewaltigungsopfer aufgrund archaischer Strafnormen, die voreheliche Sexualität sanktionieren, steinigt, der begeht ein Verbrechen!
Das politische Bestreben einiger Islamisten ist zudem, außerhalb muslimisch geprägter Länder, zu versuchen, dem Rechtsstaat quasi rechtsstaatsfreie Zonen abzutrotzen, in denen sie Muslime qua Scharia in der Gemeinschaft (Umma) kujonieren können. Solchen Bestrebungen treten wir entgegen.
Begründung: erfolgt mündlich
Begründung der Dringlichkeit: Am 4. November wurde in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht, daß am 28. Oktober in Somalia ein 13-jähriges Mädchen im Namen der Scharia zu Tode gesteinigt wurde. Sie war auf dem Weg zu ihrer Großmutter von drei Männern vergewaltigt worden.
Dieser furchtbare Vorgang hat es unmöglich erscheinen lassen, auf unserer BDK über Menschenrechte zu diskutieren, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass es selbst im UN-Menschenrechtsrat nicht mehr möglich ist, Verbrechen unter der Scharia zu kritisieren. Wir haben daher auf unserer KMV am 5.11. einen entsprechenden Änderungsantrag zu M-01 beschlossen.
So wichtig das Thema auch ist und so traurig das im Antrag genannte Beispiel, macht der Antrag den Eindruck, als hätten sich die Antragsteller mit der Thematik nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Die Thematik kann mit argumenten aus der Boulevardpresse nicht ernsthaft ausdiskutiert werden.
Die Thematik wird allgemein immer wieder benutzt um Muslime in ein schlechtes Licht zu rücken. Es war klar, dass gerade bei den Grünen, früher oder später dieses Thema aktuell werden würde. Vor allem im Rückblick auf die Grünen Delegierten Konferenz in Bayern, wo es ähnliche Forderungen gab, die aber auch die Einschränkung von anderen Religionen mit sich brachten.
Lieber Herr Senol,
Das Thema an sich wurde nicht mit Argumenten aus der Boulevardpresse begründet, vielmehr wird die Dringlichkeit mit Berichten in der Presse begründet. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Ansonsten finde ich die gesamte Argumentation, auch wenn sie einige Einzelbeispiele beinhaltet, sehr schlüssig und nachvollziehbar.
@ kontra:
Omid Nouripour hat die Mängel deutlich aufgezeigt. Der Antrag differenziert nicht zwischen der Scharia und dessen Auslegung bzw. Umsetzung in manchen Ländern. Man würde ja auch nicht die Demokratie schlecht reden, nur weil es irdendwo auf der Welt missbraucht wird.
Zur Info:
Der oben gennante Antrag wurde nach der Rede Nouripours, wenn auch knapp, abgelehnt.
Habe die Rede auf Phoenix leider verpasst. Das was Sie und Omir Nouripor (zumindest in diesem einen Satz) sagen mag richtig sein, dennoch geht es am Diskussionskern vorbei.
„Unser Menschenrechtsverständnis geht vom Individuum und dessen Rechten im säkularen Rechtsstaat aus“
Das macht die Scharia nicht und damit steht sie „unserem“ Menschenrechtsverständnis entgegen.
Ob die Scharia gut, schlecht, hier als x und dort als y interpretiert wird, ist m.E. für diese Diskussion nebensächlich.