Visa-Warndatei verfehlt ihr Ziel
8. Oktober 2008 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel, Recht | Keine Kommentare |Die SPD folgt der Forderung der CDU/CSU und plant nach Angaben des Kölner Stadt-Anzeigers eine Visa-Warndatei. In dieser sollen alle Menschen erfasst werden, die häufig visumspflichtige Ausländer zu sich nach Hause einladen.
Die neue Visa-Warndatei solle vor allem illegale Einwanderung und damit zusammenhängende Straftaten wie Zwangsprostitution verhindern. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), die sich den Plänen zunächst widersetzt hatte, hat – so scheint es – auf Grund der Haltung Frank Walter Steinmeiers (SPD) eingewilligt, der die Visa-Warndatei befürwortet.
Offen sei zurzeit lediglich die Schwelle, wann jemand zum potenziell verdächtigen Vieleinlader werde. Michael Hartmann (SPD) beispielsweise halte fünf Einladungen binnen zwei Jahren für richtig. Der Gesetzentwurf solle noch vor Weihnachten auf den Weg gebracht werden.
Das Vorhaben der großen Koalition erscheint aufgrund der überdurchschnittlich hohen Kriminalitätsrate von Personen, die per Touristenvisum einreisen, als ein Weg in die richtige Richtung. Ein Viertel bis ein Drittel der Ausländer, die in der Kriminalstatistik erscheinen, sind Touristen, Illegale und alle, die ausschließlich zum Zweck ungesetzlicher Taten (Diebstahl, Raub, Drogenhandel, Prostitution und Zuhälterei, Schmuggel) ins Land einreisen (Pfeiffer, Christian: Das Problem der so genannten „Ausländerkriminalität“. Empirische Befunde, Interpretationsangebote und (kriminal-)politische Folgerungen, KFN-Forschungsberichte, Hannover 1995.).
Allerdings sollte bei jedem Gesetzesvorhaben auch danach geschaut werden, ob die geplante Maßnahme geeignet ist, Abhilfe zu schaffen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Personen unter Generalverdacht gestellt werden.
Es erscheint höchst zweifelhaft, ob die pauschale Verdächtigung sog. Vieleinlader zum gewünschten Ziel führt. Zum einen werden sich kriminelle Einlader bzw. Eingeladene auf die neue Situation ohne weiteres einzustellen wissen. Zum anderen darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass neben EU-Bürgern auch Bürger vieler anderer Staaten (teilweise mit Nebenbestimmungen) kein Visum für die Einreise benötigen. Im Folgenden eine Liste der Länder, aus denen man ohne Visum einreisen kann, zur Veranschaulichung:
Andorra, Argentinien, Australien (sowie Kokosinseln, Norfolkinsel, Weihnachtsinsel), Belgien, Bermuda, Brasilien, Brunei Darussalam, Bulgarien, Chile, Costa Rica, Dänemark, El Salvador, Estland, Finnland, Frankreich (einschließlich Französisch-Guayana, Französisch-Polynesien, Guadeloupe, Martinique, Neukaledonien, Réunion, St. Pierre und Miquelon), Griechenland, Guatemala, Honduras, Irland, Island, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea (Republik Korea, Südkorea), Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Macau, Malaysia, Malta, Mexiko, Monaco, Neuseeland (einschließlich Cookinseln, Niue, Tokelau), Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Österreich, Panama, Paraguay, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien (einschließlich spanische Hoheitsgebiete in Nordafrika mit Ceuta und Melilla), Tschechische Republik, Ungarn, Uruguay, Vatikan Stadt, Venezuela, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (sowie Kanalinseln, Insel Man und Bermuda), Vereinigte Staaten von Amerika (einschließlich Amerikanische Jungferninseln, Amerikanisch-Samoa, Guam, Puerto Rico), Zypern. (Quelle: Auswärtiges Amt)
Hinzu kommen Ausländer, die mit einem Schengen-Visum in ein anderes EU-Land einreisen (bspw. Russe nach Belgien) und damit gleichzeitig auch in die Bundesrepublik Deutschland einreisen können. Auf diese Weise kann auch ein visumspflichtiger, der ein Visum bei einer belgischen Auslandsvertretung ausgestellt bekommen hat, auch in die Bundesrepublik Deutschland einreisen.
Die Zahl der erteilten Visa bei den deutschen Auslandsvertretungen wird laut Angaben des Bundesverwaltungsamtes auf ca. zwei Millionen pro Jahr geschätzt. Offen ist wiederum, wie viele von diesen Visumspflichtigen Personen, auf Grund einer Einladung nach Deutschland kommen.
Laut dem Statistischen Bundesamt jedenfalls wurden ca. 23,6 Millionen Ankünfte in Beherbergungsbetrieben registriert von Personen mit ständigem Wohnsitz im Ausland für das Jahr 2006. Ca. 17,3 Millionen von ihnen waren Gäste aus europäischen Ländern und ca. 2,73 Millionen aus Amerika. Australien, Republik Korea, Israel und Japan bringen es gemeinsam noch einmal auf fast 1,5 Millionen Touristen. (Quelle: Destatis) Alles Länder, aus denen man ohnehin ohne Visum einreisen kann.
Die Gesetzesinitiative wird demnach weit unter 10 % aller Personen erfassen, die nach Deutschland einreisen. Angesichts dieser Zahlen muss sich die große Koalition die Frage gefallen lassen, ob es bei dieser Gesetzesinitiative tatsächlich um die Bekämpfung von Kriminalität geht. Die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Datensammellust des Staates spricht nicht dafür.