Stimmt das Deutschlandbild von der „weitverbreiteten“ Ausländerfeindlichkeit und (dadurch?) nicht gelungenen Integration? (Teil 3/4)

18. August 2008 | Von | Kategorie: Gastbeiträge, Gesellschaft, Leitartikel | Keine Kommentare |

Bundesweit engagierten sich Ad-hoc-BürgerInnen-Aktionen für Asylsuchende gegen administrative Maßnahmen und Abschiebungen. Mahnwachen, Besetzungen – phasenweise von medialer Aufmerksamkeit und infolgedessen auch erstaunlicher Wirksamkeit begleitet. Wochenlange materielle Hilfen gerade durch BürgerInnen, die nicht vom Wohlstand „belastet“ wurden …

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Die Aktivisten nahmen oft ganz bewusst belastende Sanktionen der Justiz wegen „rechtswidrigem Verhalten“ inkauf. Initiativen für Asylrecht wurden als Vereine mit regelmäßigen Beitragszahlungen gegründet und mit haupt- und ehrenamtlichen Aktivisten besetzt.

Demokratische Signale kamen unerwartet auch aus der oft verdächtigten Schweiz, deren wertkonservative Bevölkerung teilweise als sehr ausländerfeindlich interpretiert wird. Das von der als „rechtskonservativ“ oder „rechtspopulistisch“ bezeichneten „Schweizerischen Volkspartei (SVP) initiierte Referendum zur Verschärfung der Regeln für die Einbürgerung von Ausländern, wurde von den Schweizer Wählern … mehrheitlich nicht unterstützt“ [23]. Viele widersprüchliche gesellschaftliche Verhältnisse erzeugen Zustimmung und Ablehnung. Deshalb sollten wir vermeiden, mit schnellen unzulässigen Verallgemeinerungen ein ohnehin vielschichtiges gesellschaftliches Klima destruktiv zu beeinflussen.

Blicken wir einmal auf die Gegenrichtung, wie denn die Deutschen im Ausland wahrgenommen werden.

Wiederum wirkt ein Buchtitel programmatisch: „Die Deutschen sind schrecklich“ [24]. Zahlreiche historisierende Feststellungen, wie und warum uns die Anderen seit Jahrhunderten sehen, gipfeln -unter Bezug auf Nietzsche- in „Blonde Bestie“; von umliegenden europäischen Nationen auf das Aussehen der Deutschen übertragen [25]. Der Autor verdeutlicht seine Dokumentation anfangs auf sonst leerem Zwischenblatt per Zitat “Sagt ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen“ [26].

Bekanntlich wirken historische Gegebenheiten seltsam hartnäckig in Gesellschaften, obwohl sich alles längst veränderte und der Einzelne jene Historien gar nicht kennt. „… kein anderes europäisches Volk hat so zahlreiche Nachbarn wie die Deutschen im Herzen Europas und auf keinen richten sich so viele Vorurteile…“ [27]. Liegen hier unter welkem Geschichts-Laub die Ursprünge tiefsitzender ängstlicher, geradezu vererbter Befindlichkeiten aufs Fremde?

Hierauf kontert Sabine Bode indirekt, ausgerechnet mit ihrem gegenteilig wirkenden Titel: „Die deutsche Krankheit – german Angst“ [28]. „Deutschland … von FREUNDEN umgeben … mit FREUNDEN als Nachbarn …“ [29], vielleicht hilft dieses historisch so zukunftsträchtige Heilmittel zur Überwindung der „german-Angst“ vor dem „Anderen“.

Vielleicht wird alles verständlicher, dass es nicht nur in Deutschland so ist „… dass Ausländer subtil diskriminiert werden, zumindest wenn sie so aussehen wie in den Untersuchungen“ [30], worauf überdeutlich aus unverdächtiger Sicht verwiesen wird: „in Frankreich und England werden Einwanderer immer mehr als Bedrohung betrachtet“ [31].

Hilfreicher war mir schon immer der Ansatz des nachdenklichen Psychoanalytikers Horst Eberhard Richter (Uni Gießen). Schon sehr früh (1967/1968) diskutierten wir nicht nur in Gießen seine „NPD-Wähler-Testanalyse“ (Richter / Beckmann), die unter Bezug auf Th. W. Adorno’s et al Standardwerk „The Authoritarian Personality“, auf Zusammenhänge zwischen politischer Grundhaltung und Persönlichkeitsstruktur verweist. Richter sprach 1967 nicht von Ausländerfeindlichkeit, sondern von der „unkritische(n) Außenfeindsuche“,
ich wiederhole „AUSSEN – FEIND – SUCHE“ ![32] „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ im weitesten Sinne wie sie der Soziologe W. Heitmeyer [33] diskutiert s.a.[34]. (Kraske /Werner .[34] dokumentieren als Insider, „täglich im Durchschnitt 3 Menschen von Rechtsextremisten angegriffen“. Trotz zitierter Literatur sei angemerkt, dass ich die widerwärtig-extremen und extremistischen Straftaten rechtsextremistischer Personen und Gruppierungen, nicht in einem Atemzug mit der Frage „weitverbreiteter Ausländerfeindlichkeit“ diskutieren will !)

Alle vorgenannten Autoren sehen zuallererst in der Erziehung einen Ansatz, adäquate Problemlösungen zu präsentieren. Völlig unabhängig davon wird uns ein ganz anderer Faktor stärker als erwartet, beeinflussen.
Die Zukunft der Globalisierung wird uns, egal ob wir wollen oder nicht, quer durch die Kulturen abhängig miteinander verbinden.

Statt „Kampf gegen die Globalisierung“ hilft der individuellen Befindlichkeit im umfassendsten Sinne die konstruktive Suche nach Vorteilen – also nach persönlichem Benefit Ausschau zu halten – nicht ohne kritisches Selbstbewusstsein durchaus im „pro und contra“.

Viele medial vermittelte Diskussionen wirken auf mich sauertöpfig tendenziell fast verbissen-ernste Tonart, deren Disharmonien nicht nur die Ohren schmerzt – es erinnert eben eher an ein Gezeter über Integration und Migration. Weder sattsam etablierte Podiumsteilnehmer noch Veranstalter scheinen interessiert daran, junge engagierte Leute auf solche Podien zu holen?

Vielleicht fehlt es an einer Jugend-Version zum bajuwarischen Gepolter „das ist unser Land und wir wollen, dass das auch so bleibt“ – Bundestag und Fernsehen als Alt-Herren-Veranstaltungen, die Respekt von der Jugend fordern, obwohl sie die Jungen nicht wirklich respektieren? Olympia-Siege und Jugend forscht – ok – aber wie wär’s mal mit „Jugend regiert“?

Die vielen qualifizierten und sehr engagierten JUNGEN BürgerInnen mit sehr verschiedenen Nationalitäten können unsere Entscheidungsgremien qualitativ bereichern. Und auch im evtl. „neuen Sender“ der Öffentlich-Rechtlichen, sollten eben nicht nur „Richter- und Ärzte“-Ebenen, eher die betroffene Bevölkerung und davon vielmehr junge Leute unter 30 zu Wort und Bild kommen. Wie wär’s mal mit monatlichen europäischen „Gala-Dinners am Abend“ aus und mit allen Lebens- und Kulturbereichen, wo der Showmaster Europa heißt?

Was ist das für eine WIRKLICHKEITSFREMDE Diskussion von der angeblich misslungenen Integration? Misslungen sind allenfalls gewisse politische Akzentuierungen sog. politischer Köpfe auf allen beteiligen Seiten. Ich behaupte, die INTEGRATION in Deutschland ist – trotz allen berechtigt zu kritisierenden Details – sogar SEHR GUT GELUNGEN (siehe oben, über 55 Mio. ausländische BürgerInnen) und kann sich im europäischen Ländervergleich durchaus sehen lassen. „In Deutschland wird oft übersehen, dass von den 15 Millionen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte, von denen die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit hat, die große Mehrheit gut integriert ist“ [35].

Vielleicht weniger durch „die Politik“ als vielmehr durch Pragmatismus beteiligter BürgerInnen im Alltag, nicht selten mit mehr oder weniger heftiger Gegenwehr zur politischen Administration. Wenn über 10 Mio. ausländische BürgerInnen mit uns leben, davon 3,5 Mio. BürgerInnen überwiegend türkischer Abstammung mit oder ohne deutschem Pass hier leben, dann stelle ich dazu fest, dass 90 – 95% dieser BürgerInnen ein für die Gemeinschaft sehr positives Leben, familiär und verwandtschaftlich orientiert, zeigen, was auf eher weniger deutsche Familien noch zutreffen dürfte. Weder Fragen der Arbeit, der Ausbildung und allgemeinen Bildung, der Kindererziehung usw., geben bei „den Anderen“ zu mehr Besorgnis Anlass, als bei jenen, die sich quasi „ur-deutsch“ [ethnozentrisch] interpretieren. Das Europa der letzten Jahrhunderte gibt keine objektiven Daten dafür, dass es hier noch große ethnisch nicht vermischte Bevölkerungskreise gibt. Es wird sie künftig noch weniger geben: „Europa kompensiert den Bevölkerungsschwund mit Einwanderern“ [36].

Hans Werth – Juli 2008

Literatur nachweis (Quellen der Zitate)

[23] Internet-Journal.de, Juni 2008,]
[24] Koch-Hillebrecht M., wjs-Verlag, Berlin, April 2008; nach seiner im Auftrag der Bundesregierung Untersuchung über das Deutschlandbild im Ausland]
[25] Koch-Hillebrecht M., a.a.O., S. 368]
[26] Lichtenberg G. C.;, Sudelbuch Bd. 1, 1773-1775 Quelle; Herausgegeben von Wolfgang Promies, Band 1–3, Hanser, München, 1967]
[27] Koch-Hillebrecht M., a.a.O., S. 40]
[28] Koch-Hillebrecht M., Die deutsche Krankheit – german Angst“ Piper Verlag, München, Juni 2008]
[29] Bode S., a.a.O., S. 151]
[30] Klink A. und Wagner U., Discrimination against ethnic minorities in Germany, Going back to the field,1999 in Journal of Applied Psychology, 29, 402 ff.]
[31] Trojanow I. & Hoskoto Rantje, a.a.O., S. 12 ff]
[32] Richter H. E., erstmals veröffentlicht im Spiegel Nr. 52/23.12 1968 S. 31 ff; Horst Eberhard Richter, Engagierte Analysen – Ãœber den Umgang des Menschen mit dem Menschen, Rowohlt, Reinbek/Hamburg, 1978, S. 279]
[33] Heitmeyer W., Studie 2005, vierte GMF-Survey des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Studie 2005, vierte GMF-Survey des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung]
[34] Kraske M. / Werner Chr.,.… und morgen das ganze Land – Neue Nazis …, Verlag Herder, Freiburg, Oktober 2007 ]
[35] eds (europäischer datenservice) -destatis, statistik kurzgefasst 8/2006]
[36] Heinsohn G., Söhne und Weltmacht, Piper Verlag, München, 2008, S. 47]

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