Jürgen Todenhöfer – These 7 von 10: Der Westen muss die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind so viel wert wie Juden und Christen.
16. April 2008 | Von E. S. | Kategorie: Feuilleton | 4 Kommentare |Heute die 7. von 10 Thesen: „Der Westen muss die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind so viel wert wie Juden und Christen.“ mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Todenhöfer auf JurBlog.de.
In einer Mischung aus Selbstgerechtigkeit, Ignoranz und Hass halten viele Menschen im Westen den Islam für eine blutrünstige Religion, Muslime gelten als potenzielle Terroristen, als demokratie-, frauen-, juden- und christenfeindlich. Der Freund und geistliche Berater des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, Frank Graham, nennt den Islam „eine richtig bösartige und verlogene Religion“. Bill O’Reilly, Fernsehidol der amerikanischen Konservativen, erklärt: „Wir können nicht immer wieder in der muslimischen Welt intervenieren. Was wir tun können, ist, sie in Grund und Boden zu bomben.“ Und die amerikanische Fernsehkommentatorin Ann Coulter meint: „ Wir sollten in ihre Länder einmarschieren, ihre Führer totschlagen und die Bevölkerung zum Christentum bekehren.“ „Wir sollten unseren nationalen Arschkriecherwettbewerb beenden, Syrien ins Steinzeitalter zurückbomben und danach den Iran dauerhaft entwaffnen.“ Die Liste derartiger Äußerungen ließe sich endlos weiterführen.
Warum darf man über Muslime und ihre Religion faschistoide Dinge sagen, die in Bezug auf Christen und Juden zu Recht geächtet sind?
Man stelle sich nur eine Sekunde vor, Graham, O’Reilly oder Coulter hätten anstelle des Wortes „Islam“ die Worte „jüdischer Glaube“ und anstelle des Wortes „muslimische Länder“ das Wort „Israel“ verwendet. Hätte sich nicht zu Recht ein Orkan der Entrüstung erhoben? Warum darf man über Muslime und ihre Religion faschistoide Dinge sagen, die in Bezug auf Christen und Juden zu Recht geächtet sind? Wir müssen diese Dämonisierung des Islam und der Muslime beenden. Sie ist nicht nur beschämend, sie schadet auch unseren Interessen.
Die zunehmende Vertiefung des Grabens zwischen Orient und Okzident gefährdet auch die Sicherheit Israels. Die langfristig sicherste Garantie für das Überleben Israels und seiner fünf Millionen Juden ist nicht die Feindschaft, sondern die Freundschaft seiner 300 Millionen näheren und ferneren arabischen Nachbarn. Hierzu muss der Westen, aber auch Israel einen fairen Beitrag leisten.
Aber Härte ohne Gerechtigkeit ist eine Strategie ohne Perspektive.
Seine sittliche Größe erlangte das jüdische Volk nicht durch seine militärischen Siege und auch nicht durch die beeindruckende Zahl seiner Talente. Seine sittliche Einzigartigkeit erreichte es durch seine Gottesfurcht, seine Weisheit, seinen Humanismus und seine Kreativität sowie durch seinen langen, tapferen und oft listigen Kampf für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung. Dass Israel nach dem Holocaust auch auf Waffen setzt, ist verständlich. Auch die Härte, mit der es legitime Interessen vertritt. Aber Härte ohne Gerechtigkeit ist eine Strategie ohne Perspektive. Wenn das schöpferische Israel nur noch zerstört, zerstört es sich selbst. Israel muss, wie der gesamte Westen, mindestens so viel in Gerechtigkeit investieren wie in Waffen. Die Behandlung der Palästinenser entspricht nicht der sittlichen Größe und Einzigartigkeit des jüdischen Volkes. Gerade als Bewunderer der jüdischen Kultur kommt man an dieser Feststellung nicht vorbei.
Auch die Palästinenser müssen ihre Politik ändern. Der Westen hat Recht, wenn er von ihnen einen Gewaltverzicht gegenüber Israel verlangt. Aber muss er nicht auch von Israel einen Gewaltverzicht gegenüber den Palästinensern fordern? Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem wurden 2007 im israelisch-palästinensischen Konflikt 13 Israelis getötet. Ihnen standen jedoch 384 von israelischen Sicherheitskräften getötete Palästinenser gegenüber.
Eine Aussöhnung zwischen Juden und Arabern ist genauso möglich wie das Wunder der Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen.
Eine Aussöhnung zwischen Juden und Arabern ist genauso möglich wie das Wunder der Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen. Juden und Araber haben religiös, kulturell und geschichtlich mehr gemeinsam, als den meisten bewusst ist. Sie haben „mit Abraham und Moses dieselben Eltern“, wie Israels Präsident Schimon Peres treffend formulierte. Jahrhundertelang wurden sie gemeinsam gejagt – nicht nur während der Kreuzzüge und der Reconquista. Die französische Vichy-Regierung beispielsweise wendete gegen die Juden die gleichen rassistischen Diskriminierungsgesetze an, die sie vorher mit „Erfolg“ an den Algeriern getestet hatte (Olivier Le Cour Grandmaison).
Wir Deutsche haben eine historische Verantwortung gegenüber Israel und seinem Existenzrecht – gestern, heute und morgen. Das jüdische Volk hat aufgrund seiner Geschichte und nach all dem, was es jahrtausendelang erdulden und erleiden musste, eine sichere Heimat in Palästina verdient. Aber genau aus diesem Grund haben wir auch eine historische Verantwortung gegenüber den Palästinensern. Sie tragen die Schuld ab, die Deutschland mit dem Holocaust für immer auf sich geladen hat. Hat der jüdische Politologe Alfred Grosser nicht recht, wenn er sagt: „Wer Hitler abschütteln will, muss (auch) die Palästinenser verteidigen“?
Verspäteter Mut ist der opportunistische Bruder der Feigheit.
Die eigentliche Lehre aus dem Holocaust heißt, dass wir nie wieder tatenlos zusehen dürfen, wenn Menschen unterdrückt, entrechtet und gedemütigt werden. Wir hätten uns für die Juden schon damals einsetzen müssen, als sie noch schwach waren, und nicht erst heute, da sie stark und einflussreich sind. Verspäteter Mut ist der opportunistische Bruder der Feigheit. Es ist schon ein bizarres Schauspiel, das manche westliche Politiker aufführen, wenn sie von Jahr zu Jahr entschlossener und mutiger gegen das Unrecht von gestern „kämpfen“, während sie zum Unrecht von heute schweigen. Man kann auch durch Schweigen schuldig werden.
Die Herausforderung unserer Zeit heißt mitzuhelfen, die offenen Wunden im Nahen und Mittleren Osten zu schließen. Durch Sicherheitsgarantien für Israel, zu denen Europa einen robusten militärischen Beitrag leisten muss, aber auch durch Hilfen beim Aufbau eines lebensfähigen palästinensischen Staates. Wir müssen Brücken bauen, keine Mauern. Ein vom Westen geförderter palästinensischer Modellstaat, der das Existenzrecht Israels in gerechten Grenzen anerkennt und sich jeder Form von Terrorismus entgegenstellt, wäre ein wirklicher Neubeginn für den Mittleren Osten, aber auch für das Verhältnis der westlichen Welt zur muslimischen Welt.
Allein im Irak geben die USA jährlich mehr als hundert Milliarden Dollar für den Krieg aus, aber weniger als fünf Milliarden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau.
So wie bisher können wir nicht weitermachen. Die „Antiterrorkriege“ gegen die muslimischen Länder Afghanistan und Irak haben mit 700 Milliarden Dollar inzwischen mehr gekostet als der Vietnamkrieg. Allein im Irak geben die USA jährlich mehr als hundert Milliarden Dollar für den Krieg aus, aber weniger als fünf Milliarden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Kann man angesichts dieser Zahlen wirklich ernsthaft fragen, wie eine erfolgreiche Alternative zur augenblicklichen „Anti-Terror-Politik“ aussehen könnte?
Wir müssen dieses Zahlenverhältnis umdrehen. Wir müssen die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie wir zu Recht Israel behandeln. Wir müssen dem internationalen Terrorismus endlich die Argumente entziehen.
Zur Person:
Dr. Jürgen Todenhöfer (67) ist seit über zwanzig Jahren Manager eines europäischen Medienunternehmens. Zuvor war er 18 Jahre lang Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Sprecher der CDU/CSU für Entwicklungspolitik und Rüstungskontrolle. Er schrieb zwei Bestseller über den Afghanistan- und den Irakkrieg. Mit seinem Honorar baute er ein Kinderheim in Afghanistan; ein Kinderkrankenhaus im Kongo ist zurzeit im Bau. Mit dem Autorenhonorar von „Warum tötest Du, Zaid“ wird er im Mittleren Osten ein israelisch-palästinensisches Versöhnungsprojekt und ein Hilfsprojekt für schwerverletzte irakische Flüchtlingskinder finanzieren.
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Aus der Reihe „Warum tötest Du, Zaid?“:
- These 1: Der Westen ist viel gewalttägtiger als die muslimische Welt
- These 2: Angesichts der Kriegspolitik des Westens ist es nicht wirklich erstaunlich, dass muslimische Extremisten immer mehr Zulauf bekommen
- These 3: Islamisch getarnte Terroristen sind Mörder. Für christlich getarnte Anführer völkerrechtswidriger Angriffskriege kann nichts anderes gelten.
- These 4: Muslime waren und sind mindestens so tolerant wie Juden und Christen. Sie haben die westliche Kultur entscheidend mitgeprägt.
- These 5: Nicht nur in der Bibel, auch im Koran sind die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten die zentralen Gebote.
- These 6: Die westliche Politik gegenüber der muslimischen Welt leidet unter einer erschreckenden Ignoranz einfachster Fakten.
- These 7: Der Westen muss die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie er Israel behandelt. Muslime sind so viel wert wie Juden und Christen.
- These 8: Die Muslime müssen sich wie ihr Prophet Mohammed für einen Islam des Fortschritts und der Toleranz einsetzen. Sie müssen dem Terrorismus die religiöse Maske vom Gesicht reißen.
- These 9: Nichts fördert den Terrorismus mehr als die „Antiterrorkriege“ des Westens.
Das Erstaunliche ist und das ist bei fast jedem bundesdeutschen (überwiegend CDU Politikern z.B. auch Geissler, Blüm ) aus der Politk ausgeschiedenen Politiker zu beobachten, daß Toleranz und Verständnis erst nach dem Ausscheiden aus der akiven Politik einen Wert erhalten.
Warum immer so spät und leider zu oft zu spät.
LI
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