Was Angela Merkel wirklich über die Verschärfung des Jugendstrafrechts denkt

17. Januar 2008 | Von | Kategorie: Politik | 7 Kommentare |

Noch im Frühjahr 2006 klang Angela Merkel noch ganz anders, als es um eine Gesetzesvorlage bzgl. der Verschärfung des Jugendstrafrechts ging. Sie unterzeichnete eine ablehnende Stellungnahme der Bundesregierung zu einem Vorschlag des Bundesrates. Initiator der Bundesratsinitiative war Baden-Württemberg mit Unterstützung von Bayern, Thüringen und Niedersachen. Ausgerechnet Christian Wulff – der kürzlich Roland Koch aufgrund seiner Forderung zur Verschärfung des Jugendstrafrechts rügte – gehörte zu den ersten Unterstützern des Gesetzesentwurfs.

Dabei weicht der Gesetzentwurf aus dem Jahre 2006 nicht wesentlich von Kochs aktuellen Forderungen ab. Warnschussarrest, Vorführungs- und Haftbefehle gegen Jugendliche, die nicht zur Gerichtsverhandlung erscheinen, Anwendung des Jugendstrafrechts bei Heranwachsenden nur noch in Ausnahmefällen, Warnschussarrest bei Bewährungsstrafen und Anhebung der Höchststrafe auf 15 Jahre.

Damals waren die Vorschläge aus der Sicht von Fachleuten – und darauf basierend auch von Angela Merkel – nicht unterstützungsfähig. Mit ihrer Unterschrift vom 22. März 2006 dokumentierte sie die eindeutig ablehnende Haltung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf. Mehr noch: die Bundesregierung riss den Gesetzentwurf des Bundesrates regelrecht auseinander (Drucksache 16/1027).

Eine angemessene Bekämpfung der Jugendkriminalität und eine beständige Überprüfung des Jugendstrafrechts auf Grund fortentwickelter kriminologischer und empirischer Erkenntnisse seien auch aus Sicht der Bundesregierung wichtige Anliegen der Rechtspolitik. Den vorliegenden Entwurf halte die Bundesregierung jedoch nicht für unterstützungsfähig.

Der Entwurf enthalte Regelungsvorschläge, die schon seit langem Gegenstand politischer Diskussionen seien. Sie seien auch schon vor der erstmaligen Einbringung des Entwurfs in einer vorherigen Legislaturperiode wiederholt Gegenstand von Gesetzgebungsinitiativen gewesen, die aber in Bundestag oder Bundesrat jeweils keinen Erfolg gehabt hätten. Die Vorschläge seien in der Vergangenheit und bis heute ganz überwiegend auf eine sehr breite fachliche Kritik gestoßen. Die meisten Fachleute des Jugendkriminalrechts, Fachverbände, mehrere Jugendgerichtstage und auch der 64. Deutsche Juristentag hätten sich in den letzten Jahren gegen sie ausgesprochen. Die vorgeschlagenen Regelungen würden im Ergebnis als eher kontraproduktiv für eine wirksame Bekämpfung der Jugenddelinquenz angesehen.

Das geltende Jugendstrafrecht habe sich grundsätzlich bewährt. Für die vorgeschlagenen Änderungen des Jugendstrafrechts bestehe daher kein dringender politischer Handlungsbedarf. Dies gelte umso mehr, als der zur Begründung des Entwurfs angeführte stetige Anstieg der Jugendkriminalität, insbesondere der Gewaltkriminalität, seit Beginn der neunziger Jahre sich nach 1998 so nicht fortgesetzt habe und die Zahlen ohnehin differenziert zu betrachten seien. Vieles spreche dafür, dass der Anstieg gerade bei Körperverletzungsdelikten das Ergebnis erhöhter Aufmerksamkeit und gestiegener Anzeigebereitschaft sei. Bei Berücksichtigung von Dunkelfeldstudien seien weder bei der Gewalt an Schulen noch bei der Gewalt von jungen Menschen im öffentlichen Raum Zuwächse zu erkennen.

Eine dauerhaft tragfähige Änderung des Jugendstrafrechts in wesentlichen Punkten bedürfe einer soliden empirischen und kriminologischen Grundlegung und neben einer breiten fachlichen Unterstützung auch eines breiten politischen Konsenses über die Effektivität und Angemessenheit der Neuregelungen, wie er auch bei der Reform des Jugendstrafrechts durch das erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vorgelegen habe. Diese Voraussetzungen seien für das jetzt vorgeschlagene Regelungspaket jedoch nicht erfüllt.

Diese Stellungnahme der Bundesregierung, die mit der Unterschrift von Angela Merkel abgeschlossen wurde, ist keine zwei Jahre alt. Seit dem gab es weder wesentliche Änderungen im Bereich der Jugendkriminalität, noch haben Fachleute ihre Meinung geändert. Dennoch stellt sich Angela Merkel hinter die Forderungen Roland Kochs, der – wie bereits in der Vergangenheit – Wahlkampf auf dem Rücken der Ausländer betreibt.

Gegen jede Vernunft blendet sie offensichtliche und vernünftige Argumente gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts aus und nimmt die Konfrontation mit Migranten in Kauf. Die Zerschlagung jedes Vertrauens, die im Zuge des Integrationsgipfels aufgebaut wurde und Grundlage für eine neue Integrationspolitik in Deutschland werden sollte ist bereits vollzogen. Ihre jüngste Aussage, dass Gewalt nicht alleine türkischen Jugendlichen angelastet werden könne, ist angesichts heftiger Kritik aus vielen Seiten, lediglich als notgedrungene Relativierung und Nachjustierung zu verstehen. Glaubwürdig klingt das jedenfalls nicht.

Einem türkischen Sprichwort nach soll man sein Esel erst einmal fest anbinden und dann erst Gott anbeten, dass es nicht abhaut. Die widersprüchliche Politik Angela Merkels – Mäßigung einerseits, Unterstützung Roland Kochs andererseits – aber, ist allenfalls eine lose Schleife, dass sich schnell lösen kann. Bis zu den Wahlen in wenigen Wochen hat Sie noch Zeit, das Ruder umzureißen und darauf zu hoffen, dass ihre großen Worte von einst bis zum nächsten Integrationsgipfel nachschallen.

Ein großer Trugschluss wäre es jedenfalls zu glauben, dass ein Miteinander kurz vor und kurz nach einem Integrationsgipfel ausreicht, um die Beteiligten bei Laune zu halten. Sie wird, sofern sie die Thematik nicht versachlicht und für eine differenzierte Auseinandersetzung sorgt, ihre Glaubwürdigkeit bis auf weiteres eingebüßt haben. Schließlich ist nach dem Integrationsgipfel, vor dem Integrationsgipfel, egal wie viel Zeit zwischen den Terminen liegt.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass niemand mehr – und insbesondere Angela Merkel – die Behauptung aufstellt, es handele sich um eine wahlkampfunabhängige Debatte. Das wäre der letzte Gipfel, der in diesem Wahlkampf noch nicht erklommen wurde.

7 Kommentare
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  1. Richtig: Wahlkampfzeiten sind Zeiten der Volksverdummung. Dass der Wahlkampf jetzt aber gerade auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen wird, ist erbärmlich. Damit stellen sich die Politiker, auch die Bundeskanzlerin, ein Armutszeugnis aus. Schon das Wortungetüm „Menschen mit Migrationshindergrund“ stellt eine Diskriminierung dar. Hier werden bereits eingebürgerte Menschen, also Deutsche, abgesondert von den übrigen Bürgern. Und dass die Bundeskanzlerin sagt, Gewalt ginge nicht nur von türkischen Jugendlichen aus, mag eine Relativierung bedeuten, ist aber doppelt diskriminierend. Das suggeriert, Gewalt ginge in erster Linie von türkischen Jugendlichen aus, was natürlich Unsinn ist.

  2. @ Sprinter

    Und dass die Bundeskanzlerin sagt, Gewalt ginge nicht nur von türkischen Jugendlichen aus, mag eine Relativierung bedeuten, ist aber doppelt diskriminierend. Das suggeriert, Gewalt ginge in erster Linie von türkischen Jugendlichen aus

    Hmm… Kann man das wirklich sagen (ich tendiere zu „ja“)? Worin sehen Sie die zweite Diskriminierung?

  3. Ganz einfach: die zweite Diskriminierung liegt darin, dass die Bundeskanzlerin innerhalb der Gruppe der Ausländer nochmals unterscheidet und gerade den türkischen Jugendlichen Gewalt zuschreibt.

  4. 😉 Echt geile Diskriminierung 😉

  5. […] kann man sich anschließen. Bereits im Frühjahr 2006 legten Unionsländer eine Gesetzesvorlage bzgl. der Verschärfung des Jugendstrafrechts vor. Der Gesetzentwurf von damals weichte nicht […]

  6. […] die Bundeskanzlerin hat Ihre Bedenken gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts über Bord geworfen und stellt sich nun auf die Seite der Hardliner innerhalb der Union. Der […]

  7. Gewalt, zu erst ausgeht aus den Alten Testament. Eroberungskriege, Volkermord (Genocide) Vandalismus,
    Rassismus, Sklaverei, Hass, Antisemitismus, Inzeste, Intoleranz, Massen, bzw. systematische Totungen
    sind im hebraischen Teil der Bibel zu finden. Angela Merkel wortlich bezeichnet solche Geschehen als
    hervorragende Geschichte. Das Wort „Ausrottung“ begegnet man sehr, sehr oft in den Alten Testament.
    Annette Schavan sagte: Die Bibel gehort zu unsere Kultur! Also: Die Genocide gehoren zu Wesen des
    Christentum, dass sagte auch Goldhagen, und er hatte auch Recht! („Hitlers willige Vollstrecker“)
    Goldhagen: „Antisemitismus im Neuen Testament“
    Es ist aber sehr interessant, welche Meinung hatten Kant, Luther und Brecht uber die Bibel, Heine oder
    Nietzsche? Nun, Angela Merkel hat sehr positive Meinung uber die Bibel, genau wie Annette Schavan, im
    Gegenteil, Hitler hatte sehr negative Meinung uber die Bibel, genau wie Nietzsche, Feuerbach, Buggle
    oder Gunter Schulte.
    Hitler: „Ich habe meine Lehrsatze von den Juden ubernommen!“
    Drewermann: „Wir werden noch heute im biblischen Schlachthof gross erzogen.“

    Danke!

 

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