Unwort des Jahres 2007 gesucht
20. November 2007 | Von E. S. | Kategorie: Feuilleton | 6 Kommentare |Es ist wieder so weit: Deutschland sucht das Unwort des Jahres (DSDUDJ). Vorschläge können zwar während des ganzen Jahres eingebracht werden, die intensive Sammelphase liegt aber jeweils zwischen Oktober und Anfang Januar. Es ist also die Beste Zeit für die Einreichung von Vorschlägen, zumal ein Großteil des Jahres bereits zurück liegt und schon so viel gesagt worden ist. Zur Erinnerung habe ich die Unwörter sowie ein Paar „fast-Unwörter“ der Jahre 1991 bis 2006 zusammengestellt. Es ist schon seltsam, dass 13 (fast-)Unwörter der letzten 16 Jahre Ausländer betreffen. Anscheinend wird in diesem Zusammenhang am meisten Mist verbreitet.
1991: Ausländerfrei (1) = fremdenfeindliche Parole in Hoyerswerda
(fast Unwort) durchrasste Gesellschaft (0) = Mischung der Deutschen mit Ausländern; Edmund Stoiber
1992: Ethnische Säuberung (10) = Propagandaformel im ehemaligen Jugoslawien
(fast Unwort) auf-/abklatschen (-) = tätliche und tödliche Angriffe auf Ausländer
(fast Unwort) aufenthaltsbeendende Maßnahmen (0) = Abschiebungen im sog. Asylkompromiß; GG Art. 16a
(fast Unwort) Beileidstourismus (0) = für Trauerkundgebungen anlässl. der Morde von Mölln
1993: Überfremdung (38) = Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern
1994: Peanuts (-) = abschätz. Bankerjargonismus; Hilmar Kopper
1995: Diätenanpassung (15) = Beschönigung der Diätenerhöhung im Bundestag
1996: Rentnerschwemme (1) = falsches, angstauslösendes Naturbild für einen sozialpolitischen Sachverhalt
1997: Wohlstandsmüll (9) = Umschreibung arbeitsunwilliger wie arbeitsunfähiger Menschen; Helmut Maucher, Nestlé
1998: sozialverträgliches Frühableben (0) = in einer öffentlichen Erklärung zynisch wirkende Ironisierung; Karsten Vilmar
1999: Kollateralschaden (28) = Verharmlosung der Tötung Unschuldiger als Nebensächlichkeit; NATO-offizieller Terminus im Kosovo-Krieg
2000: national befreite Zone (2) = zynisch heroisierende Umschreibung einer Region, die von Rechtsextremisten terrorisiert wird
(fast Unwort) Dreck weg! (-) = CDU-Parole in Darmstadt, die sich auch gegen »missliebige« Menschen richtete
2001: Gotteskrieger (26) = Selbst- u. Fremdbezeichnung d. Taliban- u. El Qaeda-Terroristen
2002: Ich-AG (41) = Reduzierung von Individuen [als Aktiengesellschaft?] auf sprachliches Börsenniveau
(fast Unwort) Ausreisezentrum (2) = Behördenterminus für Sammellager, aus denen abgewiesene Asylbewerber abgeschoben werden
2003: Tätervolk (6) = grundsätzlich inakzeptabler Kollektivschuldvorwurf; als potentiell möglicher Vorwurf gegen Juden bei Martin Hohmann schlicht antisemitisch
2004: Humankapital (38) = degradiert Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen
(fast Unwort) Begrüßungszentren (0) = sprachliche Verniedlichung von Auffanglagern für afrikanische Flüchtlinge; diese Wortbildung ist kongenial zu dem schon offiziellen Namen Ausreisezentrum für Abschiebehaftanstalten
2005: Entlassungsproduktivität (1) = Gewinne aus Produktionsleistungen eines Unternehmens, nachdem zuvor zahlreiche für „überflüssig“ gehaltene Mitarbeiter entlassen wurden.
(fast Unwort) Ehrenmord (51) = inakzeptable Berufung auf eine archaische „Familienehre“ zur Rechtfertigung der Ermordung eines meist weiblichen Familienmitglieds.
2006: Freiwillige Ausreise (27) = Gesetzes- und Behördenterminus, wenn abgelehnte Asylbewerber aus deutschen Abschiebehaftanstalten, sog. Ausreisezentren, nach intensiver „Beratung“ in ihre Herkunftsländer zurückkehren, wobei die Freiwilligkeit in vielen Fällen zweifelhaft ist
Die Zahlen in Klammern geben die Suchtreffer der Begriffe unter Google News am 20.11.2007 wieder.
Mein Vorschlag für das Unwort des Jahres, damit wir der bisherigen Linie treu bleiben, lautet: Einwanderungsland. Damit ist im Volks- und Politikermunde stets Deutschland gemeint, obwohl Deutschland mehr ein Auswanderungsland ist, sowohl der Gesetze als auch der tatsächlichen Aus- und Zuwanderungszahlen wegen.
Ihre Vorschläge schicken Sie an die E-Mail-Adresse: unwort@em.uni-frankfurt.de
online-durchsuchung.
sieht man die kriterien für nicht-virtuelle durchsuchungen an und vergleicht sie mit den feuchtheißen träumen unserer sicherheitspolitiker, dann wird einem schwindlig. erst vor konfusion, dann inhaltlich.
.~.
Wie wäre es mit einem anderen Blickwinkel? Vielleicht ist in diesem Zusammenhang die Sensibilität – oder das Unrechtsbewusstsein – besonders groß.
@ bastian
Aus dem Blickwinkel der Jury und unter Zugrundelegung des Verfahrens der Unwort-Wahl hat die Angelegenheit nicht besonders viel mit Sensibilität oder besonderem Unrechtsbewusstsein zu tun.
Weitere Informationen entnehmen sie der offiziellen Seite.
Mein Wort des Jahres ist „Gefährder“. Für den Fall, dass Dieter Bohlen in der Jury von DSDUDJ sitzt, reiche ich zusätzlich das Wort „Hammer-Gefährder“ ein.
Ein Wort was viel Hoffnung , aber auch so eine art Beleidigung geworden ist „Integration“
hii ich habe kein kommentar