Speicherung von IP-Adressen: Einfach nur dreist, die Bundesregierung

9. November 2007 | Von | Kategorie: Feuilleton | 4 Kommentare |

Das Recht und Gesetz in Deutschland nur gegenüber dem Bürger und nicht dem Staat gilt, beweist die Antwort der Bundesregierung (16/1884) auf die kleine Anfrage der FDP Fraktion. Das AG Berlin Mitte bzw. der Berufungsinstanz LG Berlin vom 6. September 2007 (Az.: 23 S 3/07, vorgehend AG Berlin Mitte, vom 27. März 2007, Az.: 5 C 314/06) hat dem Bundesjustizministerium untersagt, personenbezogene Daten des Klägers, die im Zusammenhangmit der Nutzung des Internetportals‚ http://www.bmj.bund.de‚ übertragen wurden zu speichern. Die Aufbewahrung solcher Kommunikationsspuren ermögliche es, das Surf- und Suchverhalten von Internetnutzern detailliert nachzuvollziehen. In einer solchen Vorratsprotokollierung liege aber eine „Verletzungdes Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ der Betroffenen, so das Gericht.

Die Bundesregierung gibt nun folgendes zu:

Bei der vom Bundeskriminalamt (BKA) genutzten Ermittlungsmethode der anlassbezogenen Speicherung von IP-Adressen werden alle Zugriffe, welche auf die … Fahndungsseite zugreifen, durch Erhebung und Speicherung der zugreifenden IP-Adressen auf der Grundlage von §§ 161, 163 StPO protokolliert.

Eine Anschlussinhaberfeststellung über den Provider … erfolgt nur bei IP-Adressen, die eine signifikante Zugriffsfrequenz aufweisen, mithin nicht bei jeder erhobenen IP-Adresse. Der Personenbezug der IP-Adresse wird erst durch die Auskunft des Betreibers hergestellt.

Demnach ist die Erhebung, Speicherung und Abklärung der Inhaber von IP-Adressen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens … nicht verdachtsunabhängig, sondern anlassbezogen.

Schlau! Die Speicherung aller IP-Adressen sei nicht verdachtsunabhängig sondern anlassbezogen. Wenn ich also, so mir nichts, dir nichts und ohne böse Absichten die Internet Seiten des Bundesjustizministeriums aufsuche, um mich über die Rechtsstaatlichkeit zu informieren – bin ja ein rechtstreuer Bürger – wird meine IP-Adresse nicht verdachtsunabhängig sondern anlassbezogen gespeichert? Welchen Grund hätte ich in so einem Fall bitte geliefert, dass Anlass bestünde, meine Daten zu speichern?

Doch weiter: Auf die Frage, welche Bundesbehörden denn noch IP-Adressen ihrer Besucher „anlassbezogen“ speicherten, antwortet die Bundesregierung trocken mit:

Die überwiegende Zahl der Ressorts und, soweit dies in der Kürze der Zeit ermittelt werden konnte, deren nachgeordnete Behörden speichern die einem PC zugeordnete IP-Adresse, von denen aus ihre Internetseiten besucht werden bzw. lassen dies durch beauftragte Unternehmen speichern.

Und wieso?

Dies ist insbesondere aus Sicherheitsgründen notwendig: Die Bundesverwaltung ist kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt und der durch die Angriffe verursachte Kommunikationsverkehr übertrifft seit langem den regulären Kommunikationsverkehr. Zur Abwehr dieser Angriffe und zur Aufrechterhaltungdes Behördenbetriebs sind zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Dazu gehört zwingend die Speicherung der IP-Adressen, um Angriffsmuster erkennen und Gegenmaßnahmen (z. B. das Sperren bestimmter, für den Angriff genutzter IP-Adressen) einleiten zu können. Ohne diese Daten ist eine Abwendung der kontinuierlichen Angriffe nicht möglich.

Ebenfalls schlau, diese Begründung! Es gibt da nur einen Hacken: Gibt es denn überhaupt Webseiten im Internet, die nicht kontinuierlich massiven und hoch professionellen Angriffen aus dem Internet ausgesetzt sind? Im JurBlog jedenfalls ist der durch Angriffe verursachte Kommunikationsverkehr ebenfalls seit bestehen größer als der reguläre Kummuniaktionsverkehr. Ich müsste nur mal den Spamfilter für JurBlog ausschalten und schon hätte ich binnen weniger Minuten hunderte von Spameinträgen, die dubiose Produkte an den „Mann“ bringen wollen. Also: Nicht dramatisieren, liebe Bundesregierung!

Was aber was nun folgt, sprengt jede Leitung:

Inwieweit IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen, ist nicht abschließend geklärt.

Nicht abschließend geklärt? In dem Urteil hieß es, es sei nicht gestattet, folgende Angaben aufzubewahren: „Name der abgerufenen Datei bzw. Seite; Datum und Uhrzeit des Abrufs; übertragene Datenmenge; Meldung, ob der Abruf erfolgreich war sowie die Internetprotokolladresse (IP-Adresse) des zugreifenden Hostsystems. … Die Daten, die die Beklagte (…) speicherte (insbesondere auch die dynamische IP-Adresse) stellen nach zutreffender Ansicht personenbezogene Daten im Sinne des § 15 Abs. 1 TMG dar.“

Die Auswirkungen des Urteils … auf die bisherige Praxis wird derzeit vor dem Hintergrund der dargestellten Bedrohung … intensiv geprüft.

Was gibt es da noch, dass intensiv geprüft werden müsste? Die Amtssprache ist doch Deutsch! Dass es Juristen gibt, die keine intellektuellen Hallogenleuchten sind, wussten wir ja schon. Dass die aber für die Bundesregierung arbeiten, hat meiner Ansicht nach etwas viel bedrohlicheres an sich, als die Gefahren aus dem Internet.

4 Kommentare
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  1. Das Recht und Gesetz in Deutschland nur gegenüber dem Bürger und nicht dem Staat gilt

    Diese leidvolle Erfahrung musste ich nun mehr als ein Jahr lang machen. Ob nun der leitende Kriminalbeamte gegen die Vorgaben des Durchsuchungsbeschlusses verstoßen hat oder diverse Staatsanwaltschaften Ermittlungen einstellen damit Verhandlungen, bei denen ihr Mist ans Licht kommen würde, verhindert werden – es läuft immer auf das Selbe hinaus, der Staat hat recht und der Bürger steht macht- und wehrlos davor.

  2. was technisch machbar ist wird auch gemacht werden.

    Wenn es eines Tages intelligente Kleidung geben wird, welche den Träger automatisch fesselt werden wir per Gesetz gezwungen werden diese Kleidung zu tragen.

    Wenn es eines Tages möglich sein sollte Gedanken zu lesen, werden diese von Behörden gelesen werden.

    Und wenn uns eines Tages das Bedrohungsszenario ausgehen sollte, dann werden halt die Marsmenschen dafür herhalten müssen.

    Dann wird der dümmste Spruch des Otto Normalverbrauchers

    „ich habe nichts zu verbergen“ Wahrheit.

  3. wir müssen nicht das fürchten was uns bedroht, wir müssen das fürchten was es aus uns macht!

    gruss peter-karsten

  4. Kannte diese Antwort noch gar nicht. Mich hatte es aber auch schon immer gewundert, dass eine Vielzahl der öffentlich – rechtlichen Internetseiten Google Analytics nutzt, welches in der Regel IP-Adressen der Besucher speichert.

    Die Antwort der Bundesregierung wurde vermutlich von den Technikern des Bundes gegeben und rechtlich nicht geprüft.

 

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