Titelseite einer kleinen türkischen Tageszeitung – Merkel als „zweiter Hitler“
4. September 2007 | Von E. S. | Kategorie: Feuilleton | 2 Kommentare |Wenn türkische Medien über Ereignisse berichten, die sie verärgern, ist es wahrscheinlich, dass die Sachlichkeit auf der Strecke bleibt. Entpuppt sich etwas allerdings als erfreulich, so werden die Urheber hochgelobt in den siebten Himmel. So ist die türkische Presse, ganz oder gar nicht. Das neue Zuwanderungsgesetz, das ist kein Geheimnis, gefiel den Türken ganz und gar nicht. Und wie nicht anders zu erwarten, titelten türkische Zeitungen eine Superlative nach dem anderem. Sicher gibt es türkische Blätter, die um Sachlichkeit bemüht sind. Doch einige verdrehen die Tatsachen, übertreiben maßlos oder hetzen ihre Leser. Wie letzteres geht, hat die türkische Tageszeitung Vakit vorzüglich gezeigt (siehe Die Zeit). Auf der Titelseite wurde Merkel mit einem Hakenkreuz am Arm abgedruckt.
Dass diese Zeitung eher wenige Leser hat und eigentlich nur eine Randgruppe bedient ist vielleicht relativierend aber nicht entschuldigend. Nicht nur, dass Merkel auf übelste beleidigt wird und das Gesetz, so nachteilig es für Türken auch sein mag, nicht mal im Ansatz solche Ausuferungen rechtfertigt, wird auch ein anderer Zweck verfolgt. Die Tageszeitung Vakit verfolgt eine Anti-Europäische Linie und ist gegen den EU-Beitritt der Türkei.
Um nur mal eine Auswirkung dieser Berichterstattung zu präsentieren, möchte ich auf den Blog Strafprozesse und andere Ungereimtheiten verweisen. Der Blog-Autor kommentiert die Merkel-Schlagzeile wie folgt:
So wächst Europa weiter kuschelnd zusammen. Merkelfan bin ich nicht, aber das geht in eine Richtung, die den Grad der Sachlichkeit so weit unterschreitet, dass es schwer fällt, die Türkei auch nur als Diskussionspartner zu akzeptieren, geschweige denn als mehr.
und reagiert im Grunde im Sinne der Vakit. Es geht der Vakit gerade darum, den EU-Zug der Türkei zu stoppen. Wie die hier erwähnte – sicherlich nicht repräsentative – Reaktion zeigt, scheint diese Art der Meinungsmache sogar Erfolg zu haben. Aus der Sicht von jemandem, der die türkische Presselandschaft nicht kennt, ist die Reaktion völlig in Ordnung. Schließlich wird die Bundeskanzlerin auf unterstem Niveau beleidigt und unterm Strich ist es eine türkische Tageszeitung. Doch sollte man wissen, dass die Vakit keinesfalls die türkische Presselandschaft repräsentiert und auf gar keinen Fall das türkische Volk. Ganz im Gegenteil! Hier die wöchentlichen Verkaufszahlen einiger Tageszeitungen (mit Ãœbersetzung) in der Türkei aus April 2007:
1. Zaman (Zeit)* 660.000
2. Posta (Post) 650.000
3. Hürriyet (Freiheit bzw. Unabhängigkeit) 600.000
4. Sabah (Morgen) 500.000
…
17. Vakit (Zeit)* 64.000
Im Jahre 2005 wurde die Vakit in Deutschland vom damaligen Innenminister Otto Schily verboten mit der Begründung, die Vakit verbreite antijüdische und antiwestliche Hetze. Kurz vor dem Verbot hatte die Vakit Otto Schily mit einem Hakenkreuz am Arm auf die Titelseite gebracht.
* Die Begriffe Vakit und Zeit sind Synonyme. Die Zeitungen haben dagegen nichts gemeinsam.
Dank an das Farliblog für den Zeit-Link.
Ekrem Senol – Köln, 03.09.2007
Wie Du ja bestimmt an meinen Kommentaren im „Strafprozesse“-Blog gesehen hast, halte ich von dem Blogbeitrag nicht besonders viel. Gerade von einem Anwalt hätte ich diesbezüglich wenigstens eine kleine Recherche zur ursprünglichen Quelle und etwas mehr Sachlichkeit erwartet.
@ Farlion
Wie gesagt, im Grunde kann man dem Autor keinen Vorwurf machen. Die Recherchemöglichkeiten sind wahrscheinlich begrenzt und auf den ersten Blick lädt die Vakit-Aufmachung tatsächlich dazu ein, eben diese Reaktion zu zeigen.