Mügelns Bürgermeister: Kein rechtsextremer Hintergrund, lediglich ausländerfeindliche Parolen

23. August 2007 | Von | Kategorie: Politik | 3 Kommentare |

In „50 Deutsche jagen acht Inder durch Innenstadt“ habe ich bereits versucht zu verdeutlichen, wie verlogen die Bundesregierung und die Länder mit dem „islamistischen“ Terrorismus auf der einen Seite und dem Rechtsextremismus auf der anderen Seite umgehen. Doch schlägt das, was aus Mügeln zu lesen ist, dass bisher bekannte um eine vielfaches. Der Bürgermeister von Mügeln meint, nach Angaben der Welt, einen Unterschied zwischen ausländerfeindlichen Parolen und Rechtsextremismus ausmachen zu können:

dass es wahrscheinlich keinen rechtsextremen Hintergrund gibt, sondern dass ausländerfeindliche Parolen gesagt worden sind

Wer ausländerfeindliche Parolen von sich gibt, hat sich, nimmt man den Begriff mal auseinander, zum Feind von Ausländern erklärt. Und wer sich den Ausländer ohne wenn und aber zum Feind erklärt, ist Rechtsextremist.

Weiter appelliere Bürgermeister Deuse an die Bürger Mügelns:

die die Dinge gesehen haben, sich zu melden, um Aussagen zu treffen, damit dieser Vorwurf, der nun auf Mügeln lastet, endlich abgebaut wird.

Nach dem Willen des Bürgermeisters ist dies ein Aufruf nur an die, die helfen können, den Vorwurf abzubauen. Diejenigen, die Mügeln belasten könnten, werden nicht angesprochen. Allem Anschein nach bestehen keine Zweifel bei den Verantwortlichen: Es gibt kein Rechtsextremismus und das muss mit allen Mitteln bestätigt werden.

Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen

sagte Deuse weiter, als ihn die „Financial Times Deutschland“ auf die „Ausländer-raus“-Rufe während der Hetzjagd auf acht Inder ansprach. Das sagt im Grunde alles.

Selbstverständlich melden sich auch Unionler zu Wort. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach soll gesagt haben, dass nach dem ersten Anschein der Verdacht nahe liege, dass es ausländerfeindliche Motive für die Tat in Mügeln gebe. Er warne aber zugleich „vor einer Bagatellisierung“. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) warne vor Vorverurteilungen. Zunächst müsste der Sachverhalt durch die polizeilichen Ermittlungen in Mügeln aufgeklärt werden: „Weder kann ein rechtsextremistischer, ausländerfeindlicher Hintergrund verneint werden, er ist aber auch nicht bewiesen“. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat sich gegen die Aufstockung der Bundesmittel für Initiativen und Programme gegen Rechtsextremismus ausgesprochen. „Wir brauchen nicht mehr Geld, sondern mehr Zivilcourage“, sagte er der Ostsee-Zeitung.

Genau die Courage, die unsere Bundesregierung vermissen lässt. Bloß keine Pauschalisierung, keine Vorurteile und Urteile, bevor der Sachverhalt aufgeklärt wird. So Unrecht haben die Herren ja nicht. Selbstverständlich bietet dieser Vorfall keinen Grund zur Pauschalisierung, selbstverständlich muss der Sachverhalt aufgeklärt werden bevor ein Urteil gesprochen werden kann. Doch erkennt man eine gewisse Verlogenheit.

Weit zurück braucht man nicht einmal zu schauen. In der jüngsten Vergangenheit gab es einen Fall eines Einzeltäters, die dazu geführt hat, dass über Nacht drei Millionen Ausländer in Deutschland zu Ehrenmördern erklärt wurden. Keine Differenzierung und extrem vorurteilsbehaftet gingen insbesondere Unionspolitiker vor. Während die Ermittlungen noch andauerten, wurden Höchststrafen nicht nur für den Täter sonder gleich für die gesamte Familie gefordert. Von Ausweisung und Gesetzesverschärfungen war die Rede. Es handele sich um ein türkisches Problem waren noch die harmlosesten Schlussfolgerungen.

Weshalb die Herren gerade bei einer Massenschlägerei mit 50 Tätern anfangen zu differenzieren und sich auf rechtsstaatliche Werte besinnen, erscheint mir offensichtlich. Schaut man sich die Opferzahlen von Ehrenmördern und Rechtsextremen an, werden die Verhältnisse deutlich. Wir haben allenfalls ein deutsches Problem.

An anderer Stelle und in einem anderen Zusammenhang wird deutlich, worum es im Grunde geht:

„Der Kampf gegen den Terrorismus überschattet die Gefahren der herkömmlichen Kriminalität … Dass ein Mensch in Deutschland Opfer eines terroristischen Anschlags wird, ist tausendfach unwahrscheinlicher als Opfer der organisierten Kriminalität zu werden … Nach den Anschlägen vom 11. September wurden versierte Beamte aus der organisierten Kriminalität zur Terrorabteilung versetzt.“

Tatsächlich schenkt das Bundesinnenministerium der organisierten Kriminalität offenbar weniger Aufmerksamkeit als früher. Bis zum Jahr 2003 hatte der Bundesinnenminister, damals noch Otto Schily (SPD), beispielsweise über professionellen Menschenhandel und Prostitution auf eigenen Konferenzen berichtet. Unter seinem Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) war die organisierte Kriminalität hingegen nicht einmal eine Mitteilung mehr wert.

Man stelle sich das Szenario nur mal andersherum vor: „50 Türken jagen acht deutsche durch Innenstadt“. Was da los wäre. Aber dazu später…

Ekrem Senol – Köln, 23.08.2007

3 Kommentare
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  1. Bürgermeister Deuse raus !!!

  2. Auch wenn es noch so oft behauptet wird, aber man muss kein Rechtsextremist sein, um sich an rassistisch-chauvinistisch motivierten Straftaten zu beteiligen…

  3. […] Selbstverständlich dürfen die Aussagen der beiden Kinder (8 und 9) nicht voreilig überbewertet werden. Insofern ist die Aufmachung der Posta (siehe Photo) “Sie haben die Türken verbrannt” ebenso voreilig. Allerdings muss man den Aussagen der beiden Kinder und aller anderen Spuren nachgehen und ermitteln. Anschließend – und nur dann – kann man eine fremdenfeindliche Tat ausschließen. Ein voreiliger Ausschluss einer fremdenfeindlichen Tat, scheint sich in Deutschland aber eingebürgert zu haben, wenn die Opfer Ausländer sind (siehe insbesondere Mügeln). […]

 

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