Der Kampf gegen die Folter
4. August 2007 | Von B. A. | Kategorie: Recht | 12 Kommentare |Aus dem Amnesty International Jahresbericht 2007 geht hervor, dass derzeit in über 100 Ländern Menschen der Folter ausgesetzt werden. Auch in Deutschland ist Folter ein Thema. In der Rechtswissenschaft wird trotz des absoluten Folterverbots von nicht wenigen Stimmen eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Folter zur effektiven Gefahrenabwehr befürwortet oder zumindest für denkbar erachtet[1].
Prof. Dr. Winfried Brugger aus Heidelberg leitet aus der derzeitigen Rechtslage sogar eine polizeiliche Pflicht zur Folter und begründet seine Haltung unter anderem mit der Verantwortlichkeit des Staates für die Erhaltung eines angemessenen Schutzniveaus[2]. Im Frühjahr 2003 wies der Vizepräsident der Frankfurter Polizei Daschner in einem Entführungsfall die ermittelnden Beamten sogar an, dem Verdächtigen zunächst mit Gewalt zu drohen und ihm später gezielt Schmerzen zuzufügen[3]. Minister und namhafte Bundestagsabgeordnete äußerten Verständnis für den Vizepräsidenten; Brandenburgs Innenminister Schönbohm bezeichnete die Folter in Deutschland sogar als „vorstellbar“[4].
Zur Beurteilung dieser Debatte über die Legitimität der Folter halten wir die rechtsgeschichtliche Betrachtung zur Entwicklung der Folter als eine Rechtseinrichtung und die Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen und Umstände, die zu einem absoluten Folterverbot geführt haben, erforderlich[5]. In der nächsten Zeit möchten wir deshalb in Grundzügen die Bekämpfung der Folter bis zu ihrer Abschaffung skizzieren.
Die Bedeutung der Folter
Zur Abgrenzung zwischen dem allgemeinen Verständnis der Folter und rechtswissenschaftlicher Begriffsbestimmung sind einführende Hinweise zur Bedeutung der Folter sinnvoll. Das deutsche Wort Folter ist ein Ausdruck, der erst in der Literatur des 17. Jahrhunderts die juristische Bedeutung eines „Geständniserzwingungsmittels“ erlangte[6]. Das Wort Folter meint ursprünglich noch das Gerät selbst, mit dessen Hilfe körperliche oder seelische Qualen zum Erreichen eines Geständnisses zugefügt werden können[7]. Der Begriff Folter kann auch im Sinne von Krankheit, Schmerzen, Züchtigung und oft im Sinne von (Leibes-)Strafe verwendet werden und könnte von den Gesetzesvätern des Mittelalters auch so gebraucht worden sein. Etymologische Untersuchungen ergeben jedoch, dass die Folter im juristisch-technischen Sinne als ein prozessuales Hilfsmittel zu werten ist, die zur Vervollkommnung gerichtlicher Untersuchungen und Urteilsgrundlagen zu schaffen dient[8]; sie ist in diesem Sinne jede gewaltsame Herbeiführung eines Geständnisses oder einer Aussage im Rahmen des Beweisverfahrens[9]. „Für eine rechtshistorische Untersuchung muss dieser gesetzliche Bedeutungsgehalt stets der Ausgangspunkt sein, mag unter Folter in der Umgangssprache körperlicher oder seelischer Schmerz im weitesten Sinne verstanden werden[10].“ Nicht der Begriff Folter umfasse einen weiten Rahmen, sondern alle anderen Begriffe[11], die mit Folter übersetzt oder im Sinne von Folter gebraucht werden[12].
Bekir Altas – Duisburg, 04.08.2007
Teil 2: Die Anwendung der Folter im deutschen Strafprozessrecht
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[1] Brugger, JZ 2000, 165ff.; Brugger, Der Staat 1996, S. 67ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rn. 45ff.; Miehe, NJW 2003, S. 1219f.; Wittreck, DÖV 2003, S. 873ff.; Zur Diskussion in deutschen Tages- und Wochenzeitungen siehe die Nachweise bei Welsch, BayVBl 2003, 481, 482, Fußnoten 7-14
[2] Dieter Grimm / Bernhard Schlink / Winfried Brugger, HFR 4-2002, S. 5, Rn. 16f., http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/4-2002/seite5.html
[3] Schnorr, ZRP 2003, S. 143
[4] N.N.: Schönbohm, Folter bei Terrorgefahr vorstellbar, Berliner Zeitung vom 26.02.2003, Lokales, S. 20
[5] Gebauer, NVwZ 2004, S. 1408f
[6] Adelung, Grammatischkritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Zweyter Tei; Sp. 241.
[7] Kluge-Götze: Etym. Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 219
[8] Kluge-Götze: Etym. Wörterbuch der deutschen Sprache, S. 219; Trübners Deutsches Wörterbuch, S. 412
[9] Lieberwirth, Rolf, in: Erler /Kaufmann: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, I. band, S. 1150
[10] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S. 20
[11] Sprachlich hat sich im deutschen Recht neben der Bezeichnung Folter die Bezeichnung Tortur durchgesetzt. Beide Bezeichnungen haben ihren Ursprung im Lateinischen. In den mittelalterlichen Quellen sind ferner die Bezeichnungen Quaestio, Cruciatus und Marter im Sinne von Folter zu finden.
[12] Lieberwirth, in: Thomasius, Christian: Über die Folter, Untersuchungen zur Geschichte der Folter, S.21
Jahrtausende haben wir gebraucht um die Folter abzuschaffen.
Leider befürchte ich, dass nur wenige Jahre nötig sein werden um diese wieder einzuführen.
Zur Erinnerung, auch das NS Regime hat ausreichend Rechtsgelehrte
gefunden, welche keine Skrupel hatten, mit pseudowissenschaftlicher Begründung dieses Regime argumentativ zu stützen.
Tja, wenn erst mal die Sharia als paralele Rechtsgrundlage anerkannt wird, dann kommen zur Folter auch noch Verstümmelung und Todesstrafe hinzu !
@achim
dachte bislang völlig unbedarft Verstümmelung sei auch Folter oder Folge von Folter, genauso wie die Durchführung der Todesstrafe nach meiner Auffassung Folter ist oder auch bereits die Androhung der Todesstrafe Folter sein kann.
Habe ich das falsch verstanden?
Hallo Li,
Und ?? Folter ist halt ein recht undiferenzierter Begriff, selbst Kitzeln gehört schon dazu. Folter hat für mich meißt etwas damit zu tun, das man von einem Opfer eine Information, ein Geständniss o.ä. haben möchte. Verstümmelung kann durchaus eine Form von Folter sein. Ich meinte mit Verstümmelung z.B. das Abtrennen eines Körperteil zur Strafe wegen z.B. Diebstahl.
Wenn in muslimischen Ländern Frauen die angeblich „Ehebruch“ begangen haben zu tode gesteinigt werden dann vermengt sich z.B. der Begriff Folter und Todesstrafe …
… naja, halt viele „schöne Errungenschaften“ die wir ganz multikulti übernehmen sollten – gell ?!
Vieicht sollte „man“ noch die Finanzierung durch die Krankenkasse bei der weiblichen Genitalverstümmelung einklagen ?!
Wie diskriminierend, da unsere moralischen Vorstellungen über eine andere, ältere Tradition stellen zu wollen …. [kopfschüttel]
Grüße
Achim
[…] Teil 1: Der Kampf gegen die Folter […]
Hallo zusammen,
in dem Artikel handelt es sich nicht um ein Rechtsvergleich, so dass die Ausführungen von Achim sicherlich nichts zum Verständnis beitragen. Das sollen sie auch wahrscheinlich nicht; vielmehr sollen sie polemisieren. So blendet Achim mit Strohmann-Argumenten die Sachlichkeit aus und bestimmt seinen eigenen Standpunkt mit Feindbildern. So ist es nicht verwunderlich, dass Achim eine verwerfliche Situation, hier die Folter, durch den „Feind“ zu legitimieren versucht. Ich frage mich nur warum er es gerade bei diesem Beitrag tut; es handelt sich hier doch um eine rein rechtsgeschichtliche Abhandlung.
Grüße
Bekir
Hallo Achim
ganz offenkundig leidest Du an einer deutlich ausgeprägten multikulti Phobie mit einer ensprechend verschobenen Realitätswahrnehmung.
Beruhige Dich.
Es gibt keine Ansätze oder Bestrebungen im Bundesgebiet die Sharia einzuführen.
Derzeit ist im Rahmen der Gesundheitsreform in der Diskussion, ob Krankenkassen die Folgen (auch Verstümmelungen) durch fehlgeschlagene Schönheits OP finanzieren sollen.
Dass Kosten einer Genitalvestümmelung getragen werden sollen ist nicht Thema. Da hast Du was falsch verstanden.
Wenn Deine Moralvorstellungen indessen Folter für legitim erachten, so erlaube ich mir selbstverständlich meine Moralvorstellungen mit der Ablehnung jeglicher Folter und auch der Todesstrafe über Deine zu Stellen.
Wenn Du Dich dadurch diskriminiert fühlst, sei’s drum, damit kann ich leben.
Gruss
Gruss
Total daneben, falsch getippt. 🙂 Ich lehne Folter grundsätzlich und ohne jede Ausnahme ab !!!!
Tja, und ich habe mich halt nur gefragt, warum man sich gerade auf einem Blog mit Folter in Deutschland auseinander setzt, wo doch die Betreiber dieses Blogs muslimischen Glaubens sind. Und Islam und Folter scheint sich nach meiner Auffassung nicht auszuschließen.
Nö, das habe ich nicht falsch verstanden, das habe ich mir so ausgedacht – es handelt sich um eine satirische Polemik, eine Übertreibung als Stilmittel.
Ich empfinde Kritik von Muslimen an einer möglichen „Folterpraxis“ in Deutschland halt etwas merkwürdig, nicht weil ich für Folter wäre, sondern weil ich die Kritiker nicht so ganz ernst nehmen kann. Ein vergleich : Man stelle sich vor, Deutschland würde beschließen, eine Walfangflotte zu bauen und in die sieben Weltmeere zu entsenden. Und Norwegen und Japan würden das kritisieren …. 🙂
Eigendlich freue ich mich über JEDEN, der die Gefahr einer möglichen Folterpraxis in Deutschland thematisiert und davor warnt, nur sollte man nicht den Bock zum Gärtner machen.
Grüße
Achim
Hallo Achim,
die Folter ist im Islam gänzlich verboten. Im Müsned ist folgender Hadis überliefert: „Foltert die Menschen nicht (Müsned IV, 172-173).“ Im Müslim und Ebu Davud wird ein weiterer Hadis wie folgt überliefert: „Wer andere Menschen im Diesseits foltert, wird im Jenseits dafür bestraft (Müslim, „Birr“, 117-119; Ebu Davud, „Imare“, 32).“ Diese Rechtsauffassung ist unter muslimischen Gelehrten bis heute unstreitig.
Leider wird der absolute Folterverbot in manchen Ländern nicht beachtet. Dies ist sebstverständlich eine verwerfliche Situation. Dies darf Sie jedoch nicht dazu verleiten, Muslimen und dem Islam Mitschuld zu geben. Im Gegenteil: Der Kampf gegen die Folter ist für Muslime eine religiöse Pflicht. Dazu später mehr in einem neuen Beitrag.
Gruß
[…] Teil 1: Der Kampf gegen die Folter […]
Aha – dann fallen Steinigung und das Abhacken von Händen und / oder Füßen also nicht unter Folter ?!?!??
Grüße
Achim
Die Leser des Jurblogs können sich wahrscheinlich noch an die Folter-Debatte erinnern, die im Frühjahr 2003 durch die Anweisung des Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, einem Verdächtigen zunächst mit Gewalt zu drohen und ihm später gezielt Schmerzen zuzufügen, angestoßen wurde. Minister und namhafte Bundestagsabgeordnete äußerten Verständnis für die Folterandrohung der Polizei; Brandenburgs Innenminister Schönbohm bezeichnete die Folter in Deutschland sogar als „vorstellbar“.
Der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte Mörder verlangt jetzt mehr als 10.000 Euro Schmerzensgeld sowie Schadenersatz wegen der Folterandrohung der Polizei (vgl. Zeit). Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnte, klagte der Täter vorm Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht stellte nun fest, dass die Entscheidung des OLG Frankfurt dem Täter in seinem Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Das Bundesverfassungsgericht begründete sein Beschluss damit, dass die beabsichtigte Amtshaftungsklage das Problem aufwerfe, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine vorsätzliche, die Menschenwürde verletzende Amtspflichtverletzung zu einem Anspruch auf Geldentschädigung führen müsse. Eine Entscheidung über den Anspruch des Beschwerdeführers sei mit diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht getroffen.
Sicherlich ist es schwer vermittelbar, warum ein Mörder für „etwas“, dass unmittelbar mit seiner Tat zu tun hat, auch noch Schmerzensgeld und Schadenersatzansprüche haben soll. Viele Bürger werden die Geldentschädigung wegen der Androhung von Folter, die den Mord abwehren sollte, mit ihrem Rechtssinn nicht vereinbaren können. Dennoch ist diese Entscheidung in der Diskussion zur Legitimation der Folter äußerst wichtig. Ich befürchte, dass man durch eine Ablehnung des Beschwerdegesuchs, das absolute Folterverbot aufweichen könnte. An den Äußerungen des Innenministers von Brandenburg sieht man, dass der politische Wille da ist.