Gute Fragen und dreiste Antworten zu Zwangsehen

13. Juni 2007 | Von | Kategorie: Politik | Keine Kommentare |

In einer kleinen Anfrage der Linken wurde der Bundesregierung ein Fragenkatalog zum Thema Zwangsehen vorgelegt, die von der Bundesregierung beantwortet wurden (BT-Drucks. 16/5501). Im Folgenden ein Auszug der interessantesten Fragen und Antworten .

1. Welche Bemühungen hat die Bundesregierung seit dem 19. Januar 2006 unternommen, um ihren Mangel an statistischen Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Problematik der Zwangsverheiratung zu beseitigen, und zu welchen Erkenntnissen ist sie gekommen?

Um die Datenlage und die bisher fehlende wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas zu verbessern, hat die Bundesregierung eine Studie zu einer bundesweiten Evaluierung von Praxisarbeit im Bereich Zwangsverheiratung in Auftrag gegeben, die bis Ende Mai 2007 erstellt und voraussichtlich im Sommer 2007 veröffentlicht wird.

Auf die Studie sowie dessen Ergebnisse bin ich sehr gespannt? Man muss sich allerdings immer wieder vergegenwärtigen, dass der Zwangsehenparagraph beschlossen wurde, noch bevor statistische Daten noch wissenschaftliche Erkenntnisse zur Problematik der Zwangsverheiratung vorlagen.

Der Schutz vor der Zwangsehe sieht folgendermaßen aus: Ehepartner müssen künftig bereits vor der Einreise sich in einfacher Art und Weise in deutscher Sprache verständigen können. Dieser Idee liegt wohl der Gedanke zugrunde, dass eine Frau aus Anatolien sich, sobald sie einfache Sätze in deutscher Sprache bilden kann, gegen Zwangsheirat schützen kann. Naiv, überheblich und vollkommen am Thema vorbei, wie ich finde. Als ob die deutsche Sprache zwangsläufig die Emanzipation mit sich bringt.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die deutsche Sprache dem Opfer einer Zwangsehe Schutz vermittelt. Wichtiger als die deutsche Sprache sind Kenntnisse der deutschen Rechtskultur, um Beratungs- und Informationsangebote wahrzunehmen. Diese werden im Rahmen eines Integrationskurses im Orientierungskurs vermittelt. Allerdings setzt die Teilnahme an einem Integrationskurs voraus, dass der Ausländer sich gerade nicht in einfacher Weise in deutscher Sprache verständigen kann (§ 44 Abs. 3 Nr. 3, § 44a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Insofern führt der Erwerb einfacher Deutschkenntnisse im Herkunftsland dazu, dass das Opfer an keinem Integrations- und Orientierungskurs teilnehmen darf. Die Erlangung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland werden dem Ausländer demnach durch die Neuregelung verwehrt, was eher dazu führt, dass mögliche Opfer schutzlos gestellt werden.

4. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung die Forderungen der überwiegenden Mehrheit der Sachverständigen der Anhörung vom 19. Juni
2006

a) nach Verlängerung bzw. Aufhebung der Rückkehrfrist in § 51 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) für ins Ausland zwangsverheiratete Frauen,

b) nach einem unbeschränkten Recht auf Wiederkehr im Rahmen des § 37
AufenthG für ins Ausland zwangsverheiratete Frauen, die als Minderjährige
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, unabhängig
von Nachweisen der Lebensunterhaltssicherung und einer bestimmten
Aufenthaltsdauer,

zu a) und b)
Die Bundesregierung hielt die Argumente für eine Verlängerung des Rückkehrrechts nach § 51 des Aufenthaltsgesetzes und für ein unbeschränktes Recht auf Wiederkehr im Rahmen des § 37 des Aufenthaltsgesetzes für ins Ausland zwangsverheiratete Frauen im Rahmen der Abstimmungen zum Regierungsentwurf nicht für zwingend.

Ãœberzeugendes Argument von der Bundesregierung, wie ich finde: „nicht für zwingend„. Wohlgemerkt, gegen die Forderung der überwiegenden Mehrheit der Sachverständigen! Hauptsache, die Kelek und Ates waren anderer Auffassung, gell?

c) nach einer gesetzlichen Klarstellung eines eigenständigen Aufenthaltsrecht für Opfer von Zwangsverheiratung im Rahmen des § 31 Abs. 2 AufenthG vor Ablauf der zweijährigen Ehebestandszeit, ..

Der Regierungsentwurf enthält keine Klarstellung, dass Opfer von Zwangsverheiratung in eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes vor Ablauf der zweijährigen Ehebestandszeit erhalten können, weil dies weder erforderlich noch sachgerecht wäre. Es handelt sich bei einer Zwangsverheiratung um eines von mehreren Beispielen für eine besondere Härte, das nicht isoliert herausgegriffen werden sollte. Eine entsprechende Klarstellung kann zusammen mit anderen Konkretisierungen in der in Vorbereitung befindlichen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz erfolgen.

Zu „weder erforderlich noch sachgerecht„: Es wäre doch sicherlich hilfreich für die Zwangsverheiratete Ehefrau aus Anatolien, wenn Sie sich bei den Behörden melden könnte sobald sie nach Deutschland eingereist ist ohne eine Ausweisung in die Türkei befürchten zu müssen, wo sie womöglich Schlimmeres erwartet. So ist die Zwangsverheiratete gezwungen, die Ehe zwei Jahre fortzuführen.

Zu „isoliert„: Als das Problem der Zwangsverheiratung auf dem Rücken aller Türken breitgetreten wurde, um eine weitere Zuzugsbeschränkung auf den Weg zu bringen, hat die Bundesregierung die Debatte ebenfalls isoliert von jeglichem Sachverstand und Sachlichkeit geführt. Insofern leuchtet gerade jetzt, wo sogar ein lex-Zwangsheirat eingeführt worden ist, nicht ein, weshalb das Thema nicht isoliert betrachtet werden kann.

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz, dass die geplante Regelung, in Zukunft nur ausländische Ehepartnerinnen und Ehepartner nach Deutschland einreisen zu lassen, wenn diese Grundkenntnisse der deutschen Sprache vorweisen können, kaum mit dem grundgesetzlichen Schutz der Ehe vereinbar sei (ddp vom 27. Januar 2007)?

Im Rahmen der Ressortabstimmung kamen verfassungsrechtliche Bedenken im Ergebnis nicht zum Tragen.

Schon dreist! Selbst der taube Sultan hat über die verfassungsrechtlichen Bedenken gehört.

6. Wenn die Bundesregierung den Erwerb von Deutschkenntnissen für eine sinnvolle (Präventiv-)Maßnahme gegen Zwangsverheiratungen erachtet (vgl. Begründung zum § 30 des AufenthG-GE), aus welchen Gründen tritt sie dann nicht für eine möglichst schnelle Einreise und einen schnellen Zugang zu Sprachkursen in Deutschland ein, da sich die Sprache eines Landes bekanntermaßen am leichtesten in den Ländern selbst erlernen lässt und in Deutschland seit 2005 Sprachkurse zur Verfügung stehen, die die Bundesregierung ansonsten als ein im Grundsatz bewährtes „Erfolgsmodell“
preist?

Die Einführung eines Sprachnachweises vor der Einreise ist erforderlich, da die mit dem Zuwanderungsgesetz einführten Regelungen zur Integration (§§ 44 ff. AufenthG) keinen erfolgreichen Abschluss gewährleisten können. Der Nachweis vor Einreise stellt demgegenüber ergebnisorientiert sicher, dass sich Neuzuwanderer zumindest auf einfache Art in Deutsch verständigen können.

Und wieso ändert man dann nicht die Regelung zur Integration so, dass ein erfolgreicher Abschluss gewährleistet ist, was im Sinne aller wäre, anstatt eine Zuzugsregelung zu verschärfen? Auch sonst überzeugt dieses Argument nicht. Gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 AufenthG wird die erfolgreiche Teilnahme an Integrationskursen durch eine vom Kursträger auszustellende Bescheinigung über den erfolgreich abgelegten Abschlusstest nachgewiesen.

Ekrem Senol – Köln, 13.06.2007

Keine Kommentare möglich.

 

WichtigeLinks

JurBlogEmpfehlungen

Blog'n'Roll