Verhaltensleitfaden bei Online-Durchsuchungen
7. Februar 2007 | Von E. S. | Kategorie: Feuilleton | 12 Kommentare |Im Folgenden möchte ich, da die Behörden die Online-Durchsuchung unter § 102 StPO (Hausdurchsuchung) subsumieren, auf praktische, technische und juristische Probleme eingehen. Dabei zeigen wir zunächst den Normalfall (Hausdurchsuchung) und übertragen diese auf die Online-Durchsuchung.
1. Anwesenheit
Hausdurchsuchung: Grundsätzlich hat der Inhaber der Wohnung das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Die Durchsuchung darf nicht beginnen, bevor er eingetroffen ist, sofern er mit angemessenem Aufwand benachrichtigt werden kann.
Allerdings darf der Durchsucher unangemeldet kommen, wenn der Zweck der Durchsuchung gefährdet wäre; der Betroffene hätte sonst Gelegenheit, Beweismittel wegzuschaffen.
Online-Durchsuchung: Das bedeutet für den Computerinhaber, dass er vorab zumindest per E-Mail über die Durchsuchung benachrichtigt werden muss, damit dieser am angegebenen Zeitpunkt auch vor dem Computer sitzt. Das Verfassen und Versenden einer E-Mail wäre für ausgewiefte Bundes-Hacker ein nicht unangemessener Aufwand. Ein u.U. eingerichteter eMail-Spam-Filter könnte allerdings den Zugang der Benachrichtigungsmail verhindern, was zu Lasten des Empfängers geht, da die Zugangsverhinderung in seiner Sphäre liegt. Daher empfiehlt es sich, künftig keine eMail-Spam-Filter einzusetzen. Das Recht des Einzelnen, belästigende Mails abzuwehren, muss dem Allgemeinwohl (hier Verbrechensbekämpfung) zurückstehen.
Bei einer Überraschungsdurchsuchung entfällt die E-Mail Benachrichtigung selbstverständlich. Doch hat hier der Computerinhaber den Vorteil, dass nur dann durchsucht werden kann, wenn der Computer an ist. Daher empfiehlt es sich, den Computer nicht unnötig und vor allem nicht unbeaufsichtigt laufen zu lassen.
2. Gewaltanwendung
Hausdurchsuchung: Die Polizei darf die Wohnung gewaltsam aufbrechen, wenn der Inhaber oder ein Stellvertreter mit Schlüssel nicht auffindbar ist. Während der Durchsuchung darf die Polizei Behältnisse aufbrechen, wenn sie nicht anders zu öffnen sind.
Online-Durchsuchung: Der Bundes-Trojaner darf den Firewall umgehen, wenn ein Administrator den Zugang des Bundes-Trojaners nicht ermöglicht. Während der Durchsuchung darf der Bundes-Trojaner verschlüsselte Dateien entschlüsseln, wenn sie nicht anders zu öffnen sind. Vorsicht! Ein besonders hartnäckiger Firewall kann u.U. als „Widerstand“ gegen Vollstreckungstrojaner geahndet werden.
3. Anwalt
Hausdurchsuchung: Der Wohnungsinhaber hat das Recht auf einen Anwalt während der Durchsuchung. Allein die Anwesenheit kann sich tendenziell positiv auf die Art und Weise der Durchführung auswirken.
Online-Durchsuchung: Im vorliegenden Fall, dürfte allerdings ein Anwalt, wie wir sie kennen, bei der still und im innern des Computers vollzogenen Durchsuchung kaum etwas bewirken, geschweige denn etwas kontrollieren können. Hier muss das Gesetz dahingehend ausgelegt werden, dass ein adäquater Ersatz gefunden wird. In Betracht kommen geeignete Anwalts-Programme, die dem Bundes-Trojaner bei der Durchsuchung auf die Finger schauen und die Aktion Protokollieren. Ob der Bundes-Trojaner sich von einem solchen Programm beeindrucken lässt, kommt darauf an, von wem der Bundes-Trojaner programmiert wurde, ob er sich noch im Betastatus befindet oder Sicherheitslöcher hat.
4. Zeugen
Hausdurchsuchung: Der Wohnungsinhaber darf normalerweise Vertrauenspersonen als Zeugen zuziehen.
Online-Durchsuchung: Auch hier ist eine Gesetzesüberdehnung (nach dem Vorbild der Bundesbehörden) dahingehend nötig, dass ein Programm ihres Vertrauens dem Bundestrojaner Gesellschaft leistet und bei bedarf als Zeuge fungiert. Da ein Programm an sich nicht als Zeuge fungieren kann, muss ein Screenshot des Windows Task-Managers ausreichen, der dokumentiert, dass der Zeugen-Programm auch tatsächlich lief.
5. Durchsucher
Hausdurchsuchung: Findet die Durchsuchung ohne Beisein eines Richters oder eines Staatsanwalts statt, also nur mit Polizeibeamten, so muss die Polizei, „wenn möglich“, einen Gemeindebeamten oder zwei Gemeindemitglieder hinzuziehen.
Online-Durchsuchung: Hmm… Der Bundes-Trojaner darf also nicht allein kommen. Richter oder Staatsanwalt dürften bei Online-Durchsuchungen meist nicht anwesend sein. Ãœbertragen auf unseren Fall müssten demnach mindestens ein in der Gemeinde programmierter Gemeinde-Trojaner in der Endversion oder zwei örtliche Freeware-Trojaner im Beta-Status mitkommen.
6. Legitimation
Hausdurchsuchung: Es genügt, den Einsatzleiter nach seiner Legitimation zu befragen. Folgende Angaben muss er normalerweise machen, die man sich notieren sollte: Name, Dienstgrad, Dienstnummer, Dienststelle. Außerdem muss er den Dienstausweis vorzeigen.
Online-Durchsuchung: Schwierig! Da man einen Trojaner in der Regel nicht befragen kann, dürfte die Verwendung eines Anti-Trojaner-Programms hilfreich sein. Mit Hilfe dieses Programms könnte man zumindest herauskriegen, welchen Namen der Trojaner hat. Der Bundes-Trojaner müsste dann in seinem Namen bereits sämtliche Informationen beinhalten (z.B. Becker.***.36A.Kreuzberg.exe). Der Dienstausweis liegt dem Bundes-Trojaner dann als jpg- oder gif-Bilddatei bei, der in einem Popup-Fenster erscheint. Vorsicht: Die Verwendung eines Popup-Blockers geht zu Lasten des Verwenders!
Bei der Verwendung eines Anti-Trojaner-Programms sollte man allerdings darauf achten, den Bundes Trojaner nicht zu löschen oder in Quarantäne zu nehmen. Es besteht die Gefahr, dass man sich des Mordes oder der Freiheitsentziehung in Mittäterschaft mit dem Produzenten des Anti-Trojaner-Programms schuldig macht. Bei einem Bundesbeamten, der in Verrichtung seines Dienstes unterwegs ist, kann das weit reichende Konsequenzen mit sich bringen.
7. Vorgehen
Hausdurchsuchung: Da der Inhaber oder sein Vertreter das Recht haben, bei der Durchsuchung anwesend zu sein, können sie verlangen, dass die Räume nacheinander und einzeln durchsucht werden, so dass sie alle Durchsuchungshandlungen beobachten können.
Online-Durchsuchung: Demnach muss der Bundes-Trojaner stets angeben, in welchen Ordnern er gerade durchwühlt und so lange warten, bis der Computerinhaber den Ordner geöffnet hat. Sonst ist das Anwesenheitsrecht des Durchsuchten Makulatur. Dass bei dieser Vorgehensweise die Durchsuchung etwas dauern kann, muss von beiden Seiten hingenommen werden.
8. Durchsicht von privaten Unterlagen und Geschäftspapieren
Hausdurchsuchung: Nur Richter und Staatsanwalt dürfen solche Papiere durchsuchen. Polizeibeamte müssen Papiere in Gegenwart des Inhabers versiegeln (um festzustellen, ob es private Unterlagen sind oder nicht, überfliegen die Beamten die Unterlagen mehr oder weniger intensiv). Der Inhaber darf bei der späteren Entsiegelung beim Staatsanwalt zugegen sein.
Online-Durchsuchung: Da Staatsanwälte und Richter bei einer Online-Durchsuchung enorm wirkungslos wären, darf der Bundes-Trojaner private Unterlagen und Geschäftspapiere nicht einsehen, sondern mit einer elektrischen Signatur versehen. Besonders ist darauf zu achten, dass der Bundes-Trojaner bei privaten Dateien (Liebesbriefe etc.) möglichst keine Texterkennung vollzieht sondern nur ein Snapshot macht. Der Computerinhaber darf bei der späteren Entsignatierung beim Staatsanwalt zugegen sein.
9. Aussagen
Hausdurchsuchung: Der von einer Durchsuchung Betroffene kann (und sollte) jeglich Aussage verweigern.
Online-Durchsuchung: Der von einer Durchsuchung Betroffene kann (und sollte) jegliche Benutzung der Tastatur verweigern.
10. Mithilfe
Hausdurchsuchung: Die von der Durchsuchung betroffenen sind nicht verpflichtet, bei der Durchsuchung Mithilfe zu leisten. Eine Behinderung der Durchsuchung kann jedoch ggf. als „Widerstand“ gegen Vollstreckungsbeamte ausgelegt werden.
Online-Durchsuchung: Der Computerinhaber muss dem Bundes-Trojaner keine Hilfe leisten. Verschlüsselte Daten können jedoch als eine Behinderung der Durchsuchung angesehen werden, was als „Widerstand“ gegen Vollstreckungstrojaner zu bewerten ist und üble Konsequenzen mit sich bringt. In solchen Fällen sollten die Passwörter zur Entschlüsselung in einer separat angelegten Datei in demselben Ordner bereitgehalten werden.
11. Quittung
Hausdurchsuchung: Die Durchsucher sind verpflichtet, ein genaues Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände anzufertigen, mit Unterschrift zu versehen und dem Betroffenen als Quittung auszuhändigen. Der Betroffene dagegen ist nicht verpflichtet, von der Polizei vorgelegte Papiere etc. zu unterschreiben.
Online-Durchsuchung: Die Bundes-Trojaner sind verpflichtet, ein genaues Verzeichnis der verschobenen Dateien anzufertigen, mit einer elektronischen Unterschrift zu versehen und dem Betroffenen Druckfertig auf dem Desktop zu hinterlassen. Der Computerinhaber dagegen ist nicht verpflichtet, von dem Bundes-Trojaner vorgelegte Dateien etc. mit einer elektronischen Signatur zu versehen.
Fazit:
Ich denke, es leuchtet ein, weshalb der Bundesgerichtshof die Online-Durchsuchung nicht unter § 102 StPO (Hausdurchsuchung) subsumieren konnte, zumal die bisherigen Online-Durchsuchungen ja geheim durchgeführt wurden. Der Durchsuchte hatte also nicht einmal den Hauch einer Chance, seine Rechte, die er bei einer normalen Hausdurchsuchung gehabt hätte, einzufordern.
Ekrem Senol – Köln, 07.02.2007
schöner Artikel,
[…] Kollege Ekrem Senol von Jurblog.de hat einen ammüsantenVerhaltensleitfaden bei Online-Durchsuchungen erstellt, den sich sicherlich jeder Internet-Nutzer zu Gemüte führen sollte. Man will sich ja […]
habe mich köstlich amüsiert !
[…] Aber richtige Tipps für das Verhalten bei Onlinedurchsuchungen gibt es nur im JurBlog.de: Im Folgenden möchte ich, da die Behörden die Online-Durchsuchung unter § 102 StPO (Hausdurchsuchung) subsumieren, auf praktische, technische und juristische Probleme eingehen. Dabei zeigen wir zunächst den Normalfall (Hausdurchsuchung) und übertragen diese auf die Online-Durchsuchung…. […]
[…] Teilweise Ideen von jurblog […]
[…] Jurblog wurde ein Verhaltensleifaden bei Onlinedurchsuchungen veröffentlicht. Im Folgenden möchte ich, da die Behörden die Online-Durchsuchung unter § 102 […]
[…] Verhaltensleitfaden bei Online-Durchsuchungen (knapp ein Jahr alt aber immer noch brandaktuell) Hat Dir der Artikel gefallen? Dann abonniere mein RSS Feed oder E-Mail Newsletter! Hast Du auch ein Blog? Dann freue ich mich auf ein TrackBack URI. Vielen Dank! Relevante Stichwörter: Innenministerium, NRW, Rechtsprechung Ähnliche Artikel: […]
Auch beim begründeten Verdacht von Straftaten (Autodiebstahl, Prostitution etc.) darf eine derartige Durchsuchung nicht durchgeführt werden. Der spionierte Zugriff auf die Festplatte schneidet derart in das Grundrecht der Privatsphäre ein, das diese Art der Informations- Beschaffung nicht rechtens ist.
Die Würde des Menschen ist un an Tastbar.
[…] http://www.jurblog.de/2007/02/07/verhaltensleitfaden-bei-online-durchsuchungen/ […]
Dieses Schäuble Thema wird uns wohl noch sehr lange als auch tiefgründig beschäftigen. Gott sei Dank konnte das Gesetz nicht so umgesetzt werden wie es der Innenminister wollte. Zum einem wurde gerne mit dem Finger auf den Osten und die Stasi gezeigt, doch in der Realität hätte Deutschland mit diesem Meisterstück der Spionnage am eigenem Bürger der Lehrmeister seien können.
Super Artikel, hab mich fast weggeschmissen vor lachen (auch wenn hier Äpfel mit Birnen verglichen werden).
Wenn ein Rechner durchsucht werden muss dann sollen die Beamten doch bitte auf klassische Art, mit Durchsuchungsbefehl, ins Haus kommen & den Rechner vor den Augen der Besitzer durchsuchen.
Ein ordentliches Durchsuchungsprotokoll muss dan dem Besitzer bzw. dessen Anwalt übergeben werden.
Onlinedurchsuchung -> welche dumme IT-Null hat sich den Scheiß einfallen lassen -> warscheinlich war’s der Schäuble selbst.
Die Überwachung in diesem Staat ist bald weiter vorangeschritten als in der DDR (wenn es nicht schon längst der Fall ist).
Aber wen wundert es, Merkel ist in der DDR aufgewachsen. Sie ist davon geprägt, ob sie will oder nicht.
Sie drückt der CDU & deren Führungsriege ihren Stempel auf -> & so etwas kommt dann dabei heraus.
Armes Deutschland ;-(
[…] Teilweise Ideen von jurblog […]