Schäuble: Wir sind kein Einwanderungsland

7. Dezember 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | 6 Kommentare |

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll laut „Der Tagesspiegel“ sich gegen die Auffassung gestellt haben, Deutschland sei ein Einwanderungsland: „Wir waren nie ein Einwanderungsland und wir sind’s bis heute nicht“, soll Schäuble zur Eröffnung eines Integrationskongresses des Deutschen Caritasverbandes in Berlin gesagt haben. Damit nahm Schäuble ein Bekenntnis der Ära Kohl auf, das seit der Abwahl von dessen Regierung, spätestens aber seit den Verhandlungen von Union und Rot- Grün um das Zuwanderungsgesetz auch in der CDU als überwunden galt.

Schäuble soll weiter gesagt haben, dass niemand bestreiten werde, dass es Migration nach Deutschland gebe. Anders als ein Einwanderungsland wie Kanada habe sich Deutschland aber nie Migranten gezielt ausgesucht und um Menschen mit gesuchten Berufen geworben.

Unabhängig mal davon, dass Deutschland hunderttausende Migranten jährlich braucht, um dem demographischen Wandel entgegenzuwirken, scheint Herr Schäuble vergesslich geworden zu sein. Auf der Seite des Bundesinnenministeriums, also der Seite des Herrn Schäuble, habe ich folgendes über die „Green Card“ gefunden:

Green-Card-Regelung bezeichnet das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau des IT-Fachkräftemangels aus dem Jahr 2000. Durch zwei Verordnungen wurde es IT-Fachkräften aus Staaten außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums ermöglicht, in Deutschland für bis zu fünf Jahre zu arbeiten. Voraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis war der Abschluss einer Hoch- bzw. Fachhochschulausbildung mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologie oder der Nachweis einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über ein Bruttojahresgehalt von mindestens 51.000 Euro.

Das Zuwanderungsgesetz ist noch vor Auslaufen der ersten auf fünf Jahre befristeten Green Cards in Kraft getreten. Nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes behält die einer IT-Fachkraft erteilte Aufenthaltserlaubnis ihre Gültigkeit bis zum Ablauf ihrer geplanten Geltungsdauer. Die erteilte Arbeitserlaubnis gilt als unbefristete Zustimmung zur Beschäftigung fort. Damit wird gewährleistet, dass die Beschäftigung auch nach Ablauf der fünf Jahre fortgeführt werden kann.

In meinen Augen ist das ein gezieltes Aussuchen von Menschen mit gesuchten Berufen, Herr Schäuble. Ihre Worte!

Schäuble über den Familiennachzug in „Der Tagesspiegel“:

„zum größten Teil leider integrationshindernd“

Ich möchte nicht alles Schlechtreden, was Herr Schäuble von sich gegeben haben soll. In der Tat ist Familiennachzug meist integrationshindernd. Die Nachzügler haben meist keine oder schlechte Deutschkenntnisse. Das ist aber kein Grund die verfassungsrechtlich garantierte „Schutz der Familie“ mit schikanösen Gesetzen auszuhebeln. Wer die Rose liebt, muss die Dorne hinnehmen, lautet ein türkisches Sprichwort. Wer Ausländer ins Land holt und geholt hat, um von Ihnen zu profitieren, muss auch mit deren Nebenwirkungen leben. Das Problem wäre heute sicher – wenn überhaupt – nur halb so groß, wenn z.B. Integrationskurse schon in den 80’ern angeboten worden wären und nicht seit vorgestern. Ãœber die mangelnden Kindergärtenplätze ohne jegliche Sprachförderung bis vor kurzem und über Bildungsprobleme ausländischer Kinder sowie die vom Staat und von der Wirtschaft eigens für Gastarbeiter erbauten Werkswohnungen (Ghettos) wollen wir gar nicht erst reden.

Den Vogel schießt Herr Schäuble aber ab, wenn er tatsächlich folgendes von sich gegeben hat:

Bewusst würden Ehepartner in Anatolien ausgesucht. „Viele Eltern wollen gerade nicht, dass ihre Kinder sich hier integrieren“, sagte Schäuble. Die Antwort darauf sei ein besseres Integrationsangebot, „aber auch Druck“.

Herr Schäuble wirft Ausländern Vorsatz vor. Das ist ja mal eine Vertrauensbasis. Es stimmt aber: Ausländer heiraten bewusst aus Anatolien, um dem Schäuble eins auszuwischen. Ausländische Töchter und Söhne werden – höchstwahrscheinlich zwangsweise – bewusst mit Menschen aus Anatolien verheiratet, damit sich die Kinder nicht integrieren. Ausländer haben ein großes Interesse daran, dass ihre Kinder in Ghettos leben, die Sprache nicht lernen, in der Schule nicht erfolgreich sind oder gar nicht erst hingehen, arbeitslos sind und bleiben damit das Sozialamt sie und die zwölf Kinder versorgt, die wiederum keine Perspektiven haben werden. Ausländer abonnieren extra türkisches Digitalfernsehen, in denen darüber aufgeklärt wird, wie die Lage verschlimmert werden kann.

Spaß beiseite, Herr Schäuble hat es in der Tat nicht leicht. Ich frage mich nur, ob es an den Ausländern liegt oder an seiner Einstellung.

Auch über die langjährig geduldeten soll Schäuble sich geäußert haben:

Was die langjährig geduldeten Ausländer betreffe, so seien sie alle Menschen, die „von Rechts wegen nicht hier sein dürften“. Wer ihren Aufenthalt schnell legalisiere, schaffe Anreize für andere.

Ich dachte immer, dass das Menschen sind, die von Rechts wegen nicht ausgewiesen werden dürfen. Komisch, aber egal. Denn es geht weiter:

… Bekenntnis zur Gegenseitigkeit von Integration: Sie sei eine „Zweibahnstraße“, die Migranten ebenso fordere wie Menschen, die seit Generationen hier lebten. Deutschland werde von Migration „grundsätzlich nicht bedroht. Die Chancen überwiegen.“

Doch, Herr Schäuble! Wer Ihre Aussagen ließt bekommt unweigerlich den Eindruck, dass Deutschland von Migration bedroht wird. Integrationsunwillige Schmarotzer, die es auf den deutschen Sozialstaat abgesehen haben und alles unternehmen, ja sogar eigens deswegen aus Anatolien heiraten, um blos nicht integriert zu werden. So schaffen Sie sich Ihr Eigenes Unheil. Zum einen werfen Sie Ausländern pauschalisierend einen atemberaubenden Vorsatz vor und ersticken jeden Integrationswillen im Keim. Zum anderen bestärken Sie das bereits sehr negativ verzerrte Bild in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft über Ausländer, die es jedem deutschen Lehrer, Mitschüler, Arbeitgeber, Kollegen oder Nachbarn schwer macht, einem Ausländer vorurteilslos zu begegnen und eine faire Chance zu geben.

Ekrem Senol – Köln, 07.12.2006

6 Kommentare
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  1. Der lernt`s einfach nicht mehr. Muss irgend eine Form von schwerer Erkenntnisresistenz sein, oder aber gewohnheitsmäßige Realitätsverweigerung.

    Mit Vernunft hat das auf jeden Fall nix mehr zu tun.

  2. Tja,
    Schäuble scheint sich weiterhin an der Formel „Deutschland ist kein Einwanderungsland – aber ein Zuwanderungsland“ festgebissen zu haben.
    Welch peinliche, sinnlose Korinthenkackerei von ihm!

    Aber weiter:
    „Bewusst würden Ehepartner in Anatolien ausgesucht. „Viele Eltern wollen gerade nicht, dass ihre Kinder sich hier integrieren“, sagte Schäuble.“

    Ja ist das nicht eine zutreffende Feststellung?
    Was bedeutet „viele Eltern“? Nicht die Mehrheit der Eltern („meisten“), nicht nur Einzelfälle („einige“), sondern eine relevante Anzahl dazwischen.

    Wollen Sie wirklich bestreiten, daß es Eltern gibt, die keine Integration ihrer Kinder wollen? Eltern,
    – die ihre Kinder jahrelang in der Türkei in die Schule geschickt haben, damit sie nicht die permissive deutsche sondern eine echt türkische Erziehung bekommen (und die ihre Kinder dann noch rechtzeitig zur Erlangung eines Aufenthaltsrechtes per Familiennachzug herholen)
    – die ihre Kinder in illegale türkische Internate in Deutschland schicken, damit sie mit deutschen Schülern wenig Kontakt haben
    – die für ihre minderjährigen Kinder Ehen mit türkischen Verwandten arrangieren

    …um nur mal die augenfälligsten Beispiele zu nennen.

    Sie, Ekrem Senol, greifen Schäuble sehr polemisch dafür an, daß er bestehende Probleme anspricht. Was ja Ihrer Meinung nach das gleiche wie ausländerfeindliche Hirnwäsche ist:
    „…schaffen Sie sich Ihr Eigenes Unheil… pauschalisierend … atemberaubenden … ersticken jeden Integrationswillen im Keim… bestärken Sie das bereits sehr negativ verzerrte Bild in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft über Ausländer, die es jedem deutschen Lehrer, Mitschüler, Arbeitgeber, Kollegen oder Nachbarn schwer macht, einem Ausländer vorurteilslos zu begegnen und eine faire Chance zu geben.“

    Oh Ho-Ho-Horror!!! Die deutschen Massen sind ja bekanntlich Zeitungszombies, die sofort jede reale Begegnung mit einem realen Ausländer aus ihrem Gedächtnis löschen…

    Ekrem Senol, mal angenommen Ihre „Shoot the messenger“-Strategie geht auf und in den Medien dürfen Ausländer nicht mehr im Zusammenhang mit Problemen genannt werden (oder nur wenn daneben ein gleichgroßer Ausländer-Friede-Freude-Eierkuchen-Artikel kommt)
    – was passiert dann?
    An den realen Problemen ändert sich nichts, nur wird man in Vierteln der begüterten Stände nichts mehr davon mitbekommen und die Anstrengungen zur Lösung der Probleme werden auf allen Seiten geringer.

  3. @ Maria

    Nein ich möchte nicht bestreiten, dass es sicherlich auch Eltern gibt, die die Integration bewusst verhindern wollen. Aber von „vielen“ zu reden ist blanker hohn. Es wäre ja noch schöner, wenn damit die Merhheit gemeint wäre. Ich habe kein Problem damit, wenn von Einzelfällen gesprochen wird. Es ist schon erstaunlich wie leicht von „vielen“ gesprochen wird wenn es um Integrationsunwilligkeit oder Zwangsheirat etc. geht. Wie viel Prozent der hier lebenden Türken schicken ihre Kinder in der Türkei in die Schule? Wieviel Prozent von denen holt wiederum ihre Kinder wieder nach Deutschland? Mal abgesehen davon, dass es in der Türkei sehr gute – auch deutsche – Schulen gibt, ist es abstrus zu veralgemeinern ohne dass Ermittlungen gemacht wurden, die diese Zahlen belegen.

    Im übrigen geht es mir nicht darum, dass Probleme nicht genannt werden – im Gegenteil, als vielmehr darum, sachlich zu bleiben und jegliche Veralgemeinerung und Ãœbertreibung zu unterlassen. Wenn unser Innenminister solche Worte benutzt, dann stellt sich die Frage nach dem „Sinn und Zweck“.

  4. „Im übrigen geht es mir nicht darum, dass Probleme nicht genannt werden – im Gegenteil, als vielmehr darum, sachlich zu bleiben und jegliche Veralgemeinerung und Ãœbertreibung zu unterlassen.“

    Dieser Satz ist der blanke Hohn! Vielleicht sollten Sie sich ihre Artikel nocheinmal in Ruhe durchlesen. *kopfschüttel*

  5. @ Thilo

    Etwas konkreter bitte!

  6. […] Das ist es also. Die türkische Großfamilie, in der sich alle umeinander kümmern, ist die Quelle des Übels für misslungene Integration. Bravo, Frau John! Jetzt leuchtet mir auch ein, weshalb Herr Schäuble das Zuzugsalter für ausländische Ehegatten hochschrauben möchte: Damit die Familie nicht noch größer wird. […]

 

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