Ärmer, älter, kleiner, dümmer

10. November 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Ein Kommentar |

titelt Joachim Güntner in der Neue Zürcher Zeitung und geht der Frage nach, ob Deutschland seine akademische Elite verliert. Beim Stichwort „Migration“ würden die meisten Deutschen an Ausländer, die zu ihnen einwandern, denken. Nach Bekanntgabe aufsehenerregender statistischer Daten ist nun auch die Auswanderung Thema geworden. Sorgen mache vor allem der Wegzug von Hochqualifizierten.

… Der Pisa-Schock, diverse auf den Geburtenrückgang abhebende Methusalem-Szenarien, die Kunde von einer wachsenden Unterschicht und nun auch noch die Statistiken zur Auswanderung verflechten sich zu einem Nachrichtengestrüpp, das den ebenso diffusen wie bedrohlichen Eindruck vermittelt, die deutsche Bevölkerung entwickle sich vor allem in vier Dimensionen: Sie werde ärmer, älter, kleiner – und dümmer. Fast 145 000 Deutsche sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden im vorigen Jahr aus ihrem Heimatland fortgezogen, so viele wie seit den 1950er Jahren nicht mehr. Deutlich mehr als die Hälfte davon ist jünger als 35 Jahre. … Dabei hatte im Juni 2005 die Bildungsministerin der damals regierenden rot-grünen Koalition frohlockt, die Abwanderung deutscher Nachwuchswissenschafter ins Ausland sei gestoppt. «Deutschland gehört zu den Gewinnern des internationalen Wettbewerbs um die besten Köpfe», sagte Edelgard Bulmahn, …

Was profunde Studien und gesicherte Daten angeht, ist die Migration in Deutschland ein Stiefkind der Forschung (und noch mehr der Forschungsförderung). … Wer dramatische und aktuelle Befunde wünscht, ist auf Studien von McKinsey oder jüngst des Meinungsforschungsinstituts Forsa angewiesen. Dort gibt es Umfragen zu lesen, wonach 1,5 Prozent aller Vierzehn- bis Neunundvierzigjährigen entschlossen seien, aus Deutschland auszuwandern. 8 Prozent dächten ernsthaft darüber nach, weitere 40 Prozent spielten gelegentlich mit dem Gedanken daran.

Als Beweggründe werden angegeben: die schlechte Wirtschaftslage, das knappe Angebot an Stellen, Bildungsmisere und Ãœberalterung. Zu diesen Zukunftsängsten, die abstossend wirken – «Push-Motive» heissen sie in der Forschung -, kommen die «Pull-Motive»: konkrete Angebote aus dem Ausland, die Hoffnung auf Verringerung der Steuerlast, auf mehr Freiheit bei der Gestaltung der Arbeit, auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf …

Historiker Klaus J. Bade, der an der Universität Osnabrück das Institut für Migrationsforschung und interkulturelle Studien leitet …: «Es ist geradezu peinigend absurd: Deutsche Spitzenkräfte wandern zunehmend ab, und ausländische Spitzenkräfte machen immer deutlicher einen Bogen um dieses Land. Die Zuwanderer, die unter dem Schutz unserer Gesetze kommen und die wir uns nicht aussuchen können, entsprechen in ihren beruflichen Profilen oft nicht unserem Bedarf.» …

Ekrem Senol – Köln, 10.11.2006

Ein Kommentar
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  1. Schon wieder dieser Unsinn mit „unserem Bedarf“. Sind Menschen Ware, ist das ganze Land eine einzige „Bedarfsgemeinschaft“ (und damit ein kollektiver Hartz“fall“)?

    Außerdem – bis auf die Tatsache der Untergröße und des fehlenden Reichtums bin ich weder dümmer noch älter als der Durchschnitt. Wird es ein Makel, in Deutschland zu bleiben (doof, ungebildet, unbeweglich, pflegebedürftig, tatterig)?

 

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