Muslimischer Schülerin wird Baden in Halle verboten
6. November 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | 8 Kommentare |Eine muslimische Schülerin des Robert-Blum-Gymnasiums wurde in der Schwimmhalle am Sachsendamm in Schöneberg nicht ins Wasser gelassen, weil sie einen Badeanzug mit langen Beinen und Ärmeln trug. Der Bademeister hatte ihr die Teilnahme am Schwimmunterricht untersagt. … Quelle: Die Welt
Sicher nur eines der vielen Einzelfälle in Deutschland, in der Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht (Az.: 6 C 8/91) entschied im Jahre 1993, dass eine muslimische Schülerin Anspruch auf Befreiung vom Sportunterricht hat, solange der Unterricht nicht nach Geschlechtern getrennt durchgeführt wird. Im Leitsatz zu der Entscheidung des BVerwG heißt es:
„Führt ein vom Staat aufgrund seines Bildungs- und Erziehungsauftrags aus Art. 7 Abs. 2 GG im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht angebotener koedukativ erteilter Sportunterricht für eine zwölfjährige Schülerin islamischen Glaubens im Hinblick auf die Bekleidungsvorschriften des Korans, die sie als für sie verbindlich ansieht, zu einem Gewissenskonflikt, so folgt für sie aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein Anspruch auf Befreiung vom Sportunterricht, solange dieser nicht nach Geschlechtern getrennt angeboten wird.
Zunächst ist die Schulverwaltung aber verpflichtet, alle ihr zu Gebote stehenden, zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten auszuschöpfen, einen nach Geschlechtern getrennten Sportunterricht einzurichten und anzubieten; dann aber, und nur dann, wenn die staatliche Schulverwaltung dieser Verpflichtung nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann, ist der Konflikt in der Weise zu lösen, dass ein Anspruch auf Befreiung vom koedukativ erteilten Sportunterricht besteht (BVerwGE 94, 82, 90).
Dieser Grundsatz gilt auch für den Schwimmunterricht. Da die Teilnahme am kodukativ erteilten, der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Schwimmunterricht grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Kindes und/oder seiner Eltern verletzen würde, muss der staatliche Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG hinter das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und das dieses Recht besonders prägende Recht der Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) zurücktreten und folglich die Schülerin vom Unterricht befreit werden.
Ekrem Senol – Köln, 06.11.06
na und…………
Ganz so einfach ist es nicht: Vor der Befreiung stellt sich die Frage, ob der Schülerin die Teilnahme doch ermöglicht werden kann. Die Ganzkörperbadeanzüge haben sich dabei in der Vergangenheit andernorts bewährt: Die Schülerinnen können gemeinsam mit den anderen schwimmen lernen, ohne dabei gegen ihre religiösen Grundsätze verstoßen zu müssen.
Der Badeanzug ist nur dann eine Alternative, wenn er ungefährlich in dem Sinne ist, dass er die Schülerin nicht beim Schwimmen behindert. Das hatte der Bademeister, über den die WELT berichtet, offenbar angenommen. Wenn diese Einschätzung unzutreffend war, dann hat die Schülerin in der Tat eine Entschuldigung verdient.
@ Johannes Rux
Zunächst war ich verwirrt über Ihre Annahme, der Bademeister hätte das Mädchen aus Sicherheitsgründen aus dem Wasser genommen. Das geht aus dem „Die Welt“ Artikel nicht hervor. Nach einer kleinen Rechersche bin ich dann auf einen Artikel aus dem „Tagesspiegel“ gestoßen: http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/04.11.2006/2878121.asp
So relativiert sich die der Vorfall selbstverständlich. Nur seltsam, dass „Die Welt“ solche Einzelheiten seinen Lesern vorenthält.
Der Tagesspiegel-Link funktioniert leider nicht. Könntest du bitte kurz die Argumentationslinie nachzeichnen? Bin ja jetzt doch neugierig (und Wasserratte).
@ Zynikerin
Der Link funktioniert jetzt. Danke für den Hinweis.
Es ist m.A. nach höchst fraglich ob denn ein Ganzkörperbadeanzug wirklich eine Alternative darstellt; eine gute sicherlich nicht.
Abgesehen von juristischen Erwägungen scheint es mir eine Zumutung zu sein, von einem Mädchen zu verlangen, einen solchen Anzug zu tragen. Denn dieses Mädchen hat nicht nur ein Recht auf freie Religionsausübung, sondern sie hat auch einen Anspruch darauf, dass man sie in ihrer Person achtet und ist natürlich seinerseits verpflichtet ihre Nächsten zu achten.
Ihr wird wahrscheinlich diese Achtung vorenthalten werden, da ein Ganzkörperbadeanzug einfach absurd ist; kurz: ihre Mitschüler werden sie wahrscheinlich eher auslachen, als ihre Religionsausübung zu respektieren. Deshalb finde ich die Befreiung für die bessere Alternative, wenn kein getrennter Unterricht angeboten werden kann; aber mit der Maßgabe, dass die Eltern dafür Sorge zu tragen haben ihren Kindern das Schwimmen beizubringen.
@Ekrem Senol
Thx 🙂
Zum Thema:
Die „Gefährdung“ durch vollsaugendes Material halte ich, gelinde gesagt, für Unfug, solang es sich um explizite Badekleidung handelt. Taucherinnen gehen schließlich auch nicht unter, weil sie vollständig bekleidet sind 😉
Bei Teilen der frommen Bevölkerung der USA und Israels (Christinnen sowie Jüdinnen) ist Ganzkörperbekleidung beim Schwimmen übrigens üblich. Es gibt sogar einen christlichen Internet-Versand für bedeckende Badekleidung. Ãœber das Design ist sicherlich zu streiten, ich find`s abgrundtief häßlich – aber das sollte eher zu marketingverändernden Protestmails führen als zur Ablehnung in der Sache 😉
Sicherlich ist geschlechtsgetrennter Unterricht die einfachere Alternative – ganz davon abgesehen, dass ich kaum pubertierende Mädchen gleich welcher Religion kenne, die es klasse finden, von Jungs beim Schwimmunterricht beglotzt und bewertet zu werden (mit der männlichen Perspektive kenn ich mich nicht so wirklich aus, mein Mann – Deutscher übrigens – hatte nie Schwimmunterricht und müsste im Notfall von mir gerettet werden).
Es ist aber m.E. mal wieder unverkennbar, dass, was in anderen Demokratien (sach ich mal so verkürzt) möglich ist, in Deutschland noch lang nicht geht – Ganzkörperbadekleidung halt, die das „Problem“ nicht organisatorisch, sondern selbstbestimmend lösen lässt.
es ist ja schön das ihr euch alle über rechte die die jeweiligen religionen in deutschland haben gedanken macht , aber ist euch mal der gedanke gekommen das dieser Bademeister schlicht und ergreifend davon nichts wußte ? ich meine ja nur . Vieleicht hat sich dieser bademeister nicht die gedanken darüber gemacht . und wenn man ihn vieleicht darauf hingewiesen hat , hat das immer noch nicht zu bedeuten das das für ihn verständlich genug war.es könnte doch nur eine übertriebene vorsicht sein.man sollte bevor man sich ein urteil darüber macht auch mal diese person fragen. vieleicht kennt diese person , wie ich auch , nicht diese internet seite über die besagte bade(mode).