Mit Madonna in die Vormoderne
22. August 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |Dass nicht nur die politische, sondern auch die ästhetische Moderne an einigen unserer muslimischen Mitbürger vorbeigegangen ist, hat der so genannte Karikaturenstreit eindrucksvoll bewiesen. Allein den Propheten Mohammed in ein Bild zu bannen, so hieß es vor einem halben Jahr, verletze die religiösen Gefühle der Gläubigen, sich dann auch noch über ihn zu belustigen, verhöhne die Muslime in der ganzen Welt. …
Um den politischen Sinn der Meinungsfreiheit ging es allerdings weder Jyllands-Posten noch den sich global organisiert empörenden Muslimen. …
Bei uns ist zum Glück alles ganz anders, eben aufgeklärter. Es sei denn, eine Landesbischöfin nimmt sich der Kunst an: Margot Käßmann rief jetzt zum Boykott von Madonna-Konzerten auf, weil die Pop-Sängerin sich in ihrer Bühnenshow an ein Kreuz hängen lasse und sogar eine Dornenkrone trage. „Für uns als Christen ist das Kreuz das Zeichen für das Leiden und Sterben Jesu, es hat für uns einen tiefen religiösen Inhalt“, erklärte die evangelische Bischöfin, „was hier zur Show gemacht wird, tut uns weh, verletzt unsere religiösen Gefühle.“
Da sind sie wieder, die religiösen Gefühle, in Bezug auf die nicht nur seinen Unmut öffentlich zu bekunden möglich wird, sondern, alle modern-aufgeklärten Unterscheidungen fahren lassend, sogleich ein Verbot auszusprechen notwendig erscheint. Willkommen in der Vormoderne!
Quelle: Frankfurter Rundschau von Times Wager
Ekrem Senol – Köln, 22.08.2006