Streit um Moscheebau und der Verfassungsschutz

5. August 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Eine gewalitge Moschee sollte in Berlin-Neukölln entstehen. Doch der Bau wurde von Stefanie Vogelsang, Baustadträtin der CDU, abgelehnt – aus baurechtlichen Gründen. Ein Gespräch mit der Politikerin über die Grenzen von Recht, Religion und Freiheit. (Quelle: FAZ)

FAZ: Zuletzt haben Sie am Dienstag den Antrag zum Bau eines islamischen Kulturzentrums mit Gebetsräumen in der Pflügerstraße abgelehnt. Warum?

Vogelsang: Weil das Projekt massiv gegen das Baurecht verstößt. Es ist ein riesiger Komplex mit Versammlungsräumen, Cafes, Sauna und Geschäften, der erkennbar nicht die „Kirche im Dorf“ ist, sondern auf ein überregionales Einzugsgebiet hin ausgelegt ist. So etwas gehört nicht in ein reines Wohngebiet…

FAZ: Sie haben auch schon bei anderen Moscheebauvorhaben für Aufsehen gesorgt, etwa, als Sie bei der Moschee am Columbiadamm einen Baustopp verhängt haben.

Vogelsang: Das ist richtig, war aber ein völlig anderer Fall. Auf die Moschee am Columbiadamm, unweit vom Flughafen Tempelhof, sind wir hier in Neukölln richtig stolz. Es ist eine sehr große Moschee, die mit viel ehrenamtlicher Arbeit über viele Jahre gebaut worden ist, auf einem Grundstück, das aus historischen Gründen noch dem Osmanischen Reich gehörte, so steht es im Grundbuch. Mit dieser Moschee gab es zunächst überhaupt keine Probleme, wir vom Bezirk haben sie genehmigt und den Bau in vielfältiger Weise unterstützt. Ärger entstand erst, als sich herausstellte, daß die Kuppel und die Minarette sehr viel höher gebaut wurden, bis zu fünfzehn Meter, als es die Baugenehmigung erlaubte. Dagegen bin ich eingeschritten und habe das höchste Strafgeld verhängt, das es je in Neukölln gab, hunderttausend Euro, weil ich der Meinung war und bin, wer hier lebt, wer hier baut, muß sich an unsere Gesetze halten. Überall in Berlin. Das Strafgeld haben wir übrigens benutzt, um damit einen schönen Spielplatz zu bauen.

FAZ: Im Streit um die Moschee in der Pflügerstraße haben Sie allerdings auch erklärt, Sie seien froh, daß das Projekt nicht genehmigungsfähig sei.

Vogelsang: Zunächst habe ich als Baustadträtin das Baurecht durchzusetzen, und nur das tue ich. Aber wenn Sie mich nach einer politischen Bewertung fragen, dann muß ich sagen, ja, ich bin froh. Der Eigentümer des Grundstücks in der Pflügerstraße, Ibrahim El-Zayad, ist sehr eng mit dem „European Trust“ in London verbandelt, der wiederum laut Verfassungsschutz der radikalen Muslimbruderschaft nahesteht, die immer wieder Selbstmordattentate verherrlicht hat. …

FAZ: Nun ist Herr El-Zayad am Dienstag während Ihrer Pressekonferenz zu dem Bauvorhaben aufgestanden, hat alle Vorwürfe bestritten, Selbstmordattentate verdammt, sich ausdrücklich zum Grundgesetz bekannt und sogar behauptet, er sei früher einmal Mitglied des RCDS gewesen. Geradezu ein Parteifreund von Ihnen also. Hat Sie dieser Auftritt überzeugt?

Vogelsang: Ich habe da einen sehr attraktiven, offenbar humanistisch gebildeten, enorm eloquenten Mann erlebt. Aber ich weiß auch, was der Verfassungsschutz berichtet, und ich vertraue schon lieber den Erkenntnissen der zuständigen Behörden.

Wie „Erkenntnisse“ der Verfassungsschutzbehörden zu bewerten sind, wird an diesem Beispiel eindrucksvoll geschildert. Viele Passagen der Verfassungsschutzberichte halten einer gerichtlichen Ãœberprüfung nicht stand. Dennoch werden Vereine und Personen diffamiert ohne dass diese die Chance haben, sich dagegen zu wehren. In „Der Verfassungsschutz als Richter und Henker“ habe ich bereits auf verfassungsrechtliche Probleme Hingewiesen, die sich wegen der Äußerungen Frau Vogelsangs erneut bestätigen.

Lesenswert dazu: „Der Verfassungsschutzbericht – das scharfe Schwert der streitbaren Demokratie – Zur Problematik der Verdachtsberichterstattung“ von Prof. Dr. Dietrich Murswiek, erschienen in NVwZ 2004, 769.

Wie sich Herr Beckstein kürzlich zu einem Moscheebau geäußert hat, ebenfalls aus „baurechtlichen Bedenken“, lesen Sie hier.

Ekrem Senol – Köln, 05.08.2006

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