Rechtsprechung gegen Yimpas

19. Juni 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Mehr als 200.000 in Deutschland lebende Menschen haben Milliarden Euro in dubiose Firmen gesteckt. Sie haben ihre Ersparnisse Holdings wie Yimpas, Jetpa oder Kombassan anvertraut – und nun bekommen sie ihr Geld nicht zurück. Mindestens fünf Milliarden Euro, glauben Ermittler, seien in einem internationalen Finanzgeflecht versickert. Im folgenden ein Beschluss gegen Yimpas

Beschluss gegen Yimpas
Oberlandesgericht Köln vom 05.04.2005, Az.: 15 U 153/04

Gründe:
I.
Die Beklagte ist eine im April 1999 in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft. Sie ist nicht börsennotiert. Gesellschaftszweck der Beklagten ist das Halten von Beteiligungen. Das Aktienkapital beträgt 115 Mio. CHF. Die Gesellschaft ist im Handelsregister des Kantons O. eingetragen. Anlässlich einer Kapitalerhöhung am 13.1.2000 wurde ein Emissionsprospekt herausgebracht.

Der Kläger suchte im August 2000 ein Geschäftshaus in L. auf, das durch entsprechende Außenwerbung „Z.“ als Objekt der Beklagten erschien. Er beabsichtigte, Vermögensanlagen vorzunehmen. Dabei wurde er von seiner Frau, der Zeugin B., begleitet. Es kam zu einem Gespräch mit Herrn C., der sich als „Chef des Unternehmens“ ausgab. Herr C. legte zu Beginn des Gesprächs eine Visitenkarte vor, die in türkischer Sprache verfasst war und ihn, N. C., als Vorstandsmitglied der „Z. I.“ auswies.

Herr C. füllte einen Zeichnungsschein über 24 Namensaktien und einen Personalbogen aus und legte ihn dem Kläger zur Unterschrift vor (Bl. 7,8,9 d. A.). Auf dem Personalbogen fand sich eine Vertreternummer 33, die Herrn C. als Vertreter der Beklagten ausweist. Im Zeichnungsschein heißt es, der Unterzeichnete habe von den Statuten der Gesellschaft Kenntnis genommen und in den Emissionsprospekt Einsicht genommen.

Der Kläger übergab sodann Herrn C. 30.000 DM in bar und erhielt eine Quittung über diesen Betrag ausgehändigt. Herr C. wies allgemein auf Verlustmöglichkeiten der Gesellschaft, auch zu Lasten des Klägers, hin. In der Folgezeit erhielt der Kläger weder Zinsen noch Dividenden ausgezahlt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.1.2003 erklärte der Kläger die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und widerrief die erfolgte Zeichnung. Er forderte zur Rückzahlung bis spätestens 12.2.2003 auf. Die vorgeworfene Täuschung liege darin, dass Herr C. dem Kläger erklärt habe, über 10 Jahre sei stets 20 % Gewinn ausgezahlt worden.

Der Kläger hat Schadensersatzansprüche in Höhe von 15.338,76 EUR geltend gemacht und hierzu behauptet, der Vertrag sei in einer Zweigniederlassung der Beklagten abgeschlossen worden, deren Mitarbeiter Herr C. gewesen sei. Herr C. habe erklärt, in der Vergangenheit seien Jahr für Jahr mindestens 20 % Gewinn ausgezahlt worden. Er habe insgesamt den Eindruck vermittelt, als handele es sich um eine sichere Geldanlage. Er habe nicht deutlich gemacht, dass es sich um ein risikoreiches Aktiengeschäft handele. Auch habe er sich nicht nach Erfahrungen des Klägers im Aktiengeschäft erkundigt. Weder der Emissionsprospekt noch die Statuten der Beklagten seien vorgelegt worden.

Die Beklagte machte geltend, die Visitenkarte von Herrn C. sei nicht die der Beklagten sondern vielmehr die der Z. I. mit Hauptsitz in A. (Türkei). Das sei keine Filiale oder Niederlassung der Beklagten. Die Beklagte bestreitet, Herr C. sei Mitglied des Verwaltungsrates der Gesellschaft, Verrichtungsgehilfe oder Bevollmächtigter der Beklagten gewesen. Herr C. sei vielmehr Handelsvertreter der Gesellschaft, wie sich aus der Vertreternummer auf dem Personalbogen ergebe.

Das Landgericht hat auf die Rüge der Beklagten, das Landgericht Köln sei nicht international zuständig, die Klage als unzulässig abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

2. Hiergegen richtete sich die Berufung, mit der der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag im wesentlichen weiter verfolgt und sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht habe zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint.

Der Kläger ist der Auffassung, die internationale Zuständigkeit des LG Köln ergebe sich aus dem besonderen Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 LugÃœ. Soweit sich das Landgericht auf das Werk von Geimer/Schütze berufe, habe es nicht die aktuelle Auflage zugrunde gelegt. Das vertragliche Element der Haftung stehe nicht im Vordergrund. Der Kläger berühme sich in erster Linie Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB sowie gem. § 831 BGB und § 826 BGB. Entscheidend sei, dass er wegen arglistiger Täuschung den Vertrag angefochten habe. Die vom Landgericht zitierten Entscheidungen – insbesondere OLG Stuttgart (IPRax 1999, 103) und OLG München (RIW 1989, 901) – seien hier nicht einschlägig. Der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 LugÃœ entspreche den Klägerinteressen. Diese seien vorrangig zu berücksichtigen.

Der Kläger führt im einzelnen aus, dass es sich bei dem Geschäftsverhalten der Beklagten um „eine systematisch angelegte Täuschungskampagne in Deutschland lebender Türken“ handele. In diesem Zusammenhang verweist er auf Entscheidungen des LG Bielefeld und des LG Braunschweig. Auch in diesen Fällen habe die Beklagte ihre Anlage mit falschen Versprechungen über ein Netz von Außendienstmitarbeitern verkauft. Auch in diesen Fällen seien den Käufern die Emissionsprospekte und Statuten der Gesellschaft nicht vorgelegt worden. Entsprechendes gelte für die Vorlage der jeweiligen Visitenkarten. Vor diesem Hintergrund sei eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB hinreichend dargelegt und damit die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung begründet.

Der Inhalt der Visitenkarte von Herrn C. stehe dem nicht entgegen, da diese ohnehin keine exakte Zuordnung zu einem der Unternehmen der Z. I. zulasse. Entscheidend sei, dass Herr C. ein Büro im Gebäude der Z. I. unterhalten habe, zum Abschluss von Vereinbarungen und zum Inkasso berechtigt war, eine Vertreternummer erhalten und den Zeichnungsschein unterzeichnet habe. Herr C. sei daher Verrichtungsgehilfe gewesen. Dies ergebe sich aus der Definition des Verrichtungsgehilfen durch den BGH in WM 1998, 257. Auch wenn die konkrete Tätigkeit regelmäßig von Handelsvertretern ausgeübt werde, sei dies hier unschädlich. Aus der BGH Entscheidung in WM 1971, 906 folge gerade nicht zwingend, dass ein Handelsvertreter nicht Verrichtungsgehilfe sein könne. Selbst wenn Herr C. selbstständiger Handelsvertreter gewesen sein sollte, habe er den konkreten Weisungen der Geschäftsführung der Beklagten unterstanden. Äußerst hilfsweise beruft sich der Kläger auf Art. 5 Nr. 5 LugÜ.

Der Kläger hat zunächst beantragt gehabt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 4.8.2004 – 14 O 334/03 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.338,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins der Europäischen Zentralbank seit dem 13.2.2003 Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Rechte gemäß Zeichnungsschein vom 12.8.2000 zu zahlen und
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der Rechte im Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt gehabt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, eine internationale Zuständigkeit sei nicht gegeben. Art. 5 Nr. 3 LugÜ sei nicht anwendbar, da die vertraglichen Elemente vorrangig seien. Ziel des Klägers sei die Rückabwicklung seiner Investition. Diesem Zweck diene die Geltendmachung von Anfechtungs- bzw. Rücktrittgründen. Im Hinblick auf Art. 5 Nr. 3 LugÜ sei lediglich geltend gemacht, der Anlagenvermittler habe erklärt, in den vorgehenden Jahren seien bis zu 20 % Rendite erzielt worden, was die Beklagte bestreite.

Unabhängig von der Zuständigkeitsfrage bestehe kein deliktischer Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Ein Schaden sei nicht eingetreten. Eine Täuschungshandlung fehle. Der Anlagenvermittler habe die Erklärung zum Gewinn in Höhe von 20 % nicht abgeben können, da die Beklagte erst in 1999 gegründet worden und die Aktienzeichnung im August 2000 erfolgt sei. Im übrigen fehle es am Irrtum, da eine Erklärung zur Rendite allenfalls eine Prognose für die Zukunft darstelle und auf das Risiko des Anlagengeschäftes hingewiesen worden sei. Eine vergeblich erhoffte Vermögensmehrung begründe keinen Betrug. Schließlich begründe ein Irrtum über die Gewinnentwicklung nur ein Anfechtungsrecht, das sich nach schweizerischen Recht richte. Dabei handele es sich um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, für den die deutschen Gerichte nicht zuständig seien. Schließlich fehle der Vorsatz des Anlagenvermittlers.

Auch ein Anspruch aus § 826 BGB sei nicht gegeben. Der Kläger habe offensichtlich eine mit unternehmerischem Risiko verbundene Gesellschaftsbeteiligung gezeichnet. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche Risikoumstände unzutreffend dargestellt worden sein sollen. Dass sich Risiken realisiert haben, habe der Kläger zudem nicht behauptet.

Mit seiner Unterschrift habe der Kläger bestätigt, in den Emissionsprospekt und die Statuten der Gesellschaft Einsicht genommen zu haben. Dass die Statuten oder der Emissionsprospekt falsche oder unzureichende Angaben enthalten, sei nicht behauptet worden. Nach schweizerischem Recht sei zudem eine schriftliche Aufklärung durch Aushändigung des Emissionsprospektes nicht geboten.

Ein Schaden sei auch nicht erkennbar. Die fehlende Börsennotierung sei allein kein Schaden. Sie führe nicht zur Unverkäuflichkeit der Aktien. Zum Wert der Aktien fehle jeder Vortrag.

Soweit der Kläger in der Berufung behauptet, der Hingabe der Zahlung stehe ein realer Wert nicht gegenüber, sei dieser Vortrag nicht zuzulassen. Er wird im übrigen bestritten. Zudem habe der Kläger die mangelnde Werthaltigkeit der Aktien nicht substantiiert vorgetragen, sie sei auch nicht festzustellen. Die fehlende Ausschüttung einer Dividende begründe nicht eine mangelnde Werthaltigkeit.

Zudem habe sich die Beklagte ein Handeln des Anlagenvermittlers nicht zurechnen zu lassen. Der Anlagenvermittler sei durch die Fa. Z. I. A/S, Türkei beauftragt worden. Die Beklagte habe zu dieser Gesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Beziehungen. Sie sei an dieser Gesellschaft nicht kapitalmäßig beteiligt oder organschaftlich eingegliedert.

Der Anlagenvermittler sei nicht Mitarbeiter oder Angestellter der Beklagten gewesen. Es sei unzutreffend, dass der Anlagenvermittler zum Abschluss von Vereinbarungen für die Beklagte berechtigt gewesen sei. Die Z. I. und ihre Mitarbeiter seien berechtigt gewesen, die Zeichnungsscheine – wie die Personalbögen – zu Beweiszwecken zu quittieren. Zum Abschluss anderer Vereinbarungen seien sie nicht befugt gewesen.

Der Anlagenvermittler sei nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen. Das Gericht hat der Beklagten aufgegeben, den Emissionsprospekt vorzulegen. Es hat weiterhin Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 1.2.2005 Bezug genommen.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme haben sie die Parteien innerhalb der Spruchfrist verglichen. In Hinblick auf den Vergleich haben sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und begehren nun nur noch eine Entscheidung über die Kosten gem. § 91 a ZPO (vgl. Beschluss des Senats vom 22.03.2005, Bl. 233 d.A.).

II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt gem. § 91 a ZPO die Beklagte, da sie im Berufungsverfahren unterlegen gewesen wäre. Die zulässige Berufung des Klägers wäre erfolgreich gewesen. Die Klage war zulässig und begründet.

1. Die Klage war zulässig. Die internationale Zuständigkeit des Landgericht war jedenfalls gem. Art. 5 Nr. 3 LugÜ gegeben.

Zu Recht wendet das Landgericht das LugÜ zur Feststellung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte an, da die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz hat, Art. 54 b II Buchst. a LugÜ. Das LugÜ ist in Deutschland am 1.3.1995 in Kraft getreten (BGBl. 1995 II 221). In der Schweiz gilt das LugÜ seit dem 1.1.1992 (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., 2002, Einl. Rz 53). Im Verhältnis zur Schweiz gilt das LugÜ in Deutschland seit 1.9.1997 (vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 3905).

a) Gem. Art. 5 Nr. 3 LugÜ ist das Gericht des Ortes international zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Begriff der unerlaubten Handlung ist autonom auszulegen. Er bezieht sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 LugÜ anknüpfen (EuGH NJW 1988, 3088, 3089). Der EuGH hat diese Auslegung in 1998 bestätigt (vgl. Kropholler, a.a.O., Art. 5, Rz 65). Unter Art. 5 Nr. 3 LugÜ fallen demnach deliktische Ansprüche, die mit vertraglichen oder anderen gesetzlichen Ansprüchen konkurrieren, ohne direkt an den Vertrag anzuknüpfen (vgl. Mü/Ko-Gottwald, ZPO, 2. Aufl., 2001, Art. 5 EuGVÜ, Rz 41). Unter den Begriff fällt insbesondere auch eine Schädigung bei der Kapitalanlage (vgl. HansOLG Bremen IPRax 2000, 226, 228 ; Weller, IPRax 2000, 202, 204, 205 m.w.N.).

Der Kläger macht hier Schadensersatzansprüche geltend, die nicht an einen Vertrag anknüpfen. Es geht ihm um Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage und nicht um vertragliche Ansprüche aus einem Rückabwicklungsverhältnis wegen Anfechtung. Dafür sprechen die eindeutige Bezeichnung in der Klageschrift sowie die zitierten Rechtsgrundlagen. Der Kläger macht gerade keine Ausführungen zu vertraglichen Schadensersatzansprüchen. Vielmehr geht es ihm angesichts der genannten Anspruchsgrundlagen um die Geltendmachung eines Vermögensschadens. Derartige Ansprüche fallen unter Art. 5 Nr. 3 LugÜ (vgl. Kiethe NJW 1994, 222, 225). Dass der vom Kläger behauptete Anspruch gerade unabhängig von einem Vertrag ist, zeigt der Vergleich des Falles mit der Entscheidung OLG München RIW 1989, 901. Dort ging es um eine Unterschlagung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses. Damit ist der vorliegende Fall gerade nicht vergleichbar. Auch der vom Landgericht zitierte Fall des OLG Koblenz (IPRax 1991, 241, 243) ist nicht einschlägig. Der Kläger hatte hier sein Anspruchsbegehren auch mit § 463 BGB a.F. begründet und damit deutlich gemacht, dass er seinen Anspruch auch auf vertragliche Grundlagen stützt. Daran fehlt es hier. Auch die Entscheidung des OLG Stuttgart (IPRax 1991, 103) ist nicht einschlägig. Mit der dort genannten Klage wurde auch die Feststellung begehrt, dass die Vereinbarung der Parteien nichtig sei und eine andere weiter fortbestehe. Ein Bezug zur vertraglichen Grundlage war offensichtlich. An Vergleichbarem fehlt es hier.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger zudem in der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2005 klargestellt, dass er die Klage ausschließlich auf unerlaubte Handlung stütze.

Für die internationale Zuständigkeit gem. Art. 5 Nr. 3 LugÜ ist unbeachtlich, dass der Kläger möglicherweise auch vertragliche Ansprüche hätte geltend machen können. Im Fall der Anspruchskonkurrenz ist der für die Deliktsklage zuständige Richter nicht auch zuständig, über die Klage unter anderen, nicht deliktischen Gesichtspunkten wie Vertrag zu entscheiden (Kropholler, a.a.O., Art. 5 Rz 70; vgl. dazu auch BGH NJW 1996, 1411, 1413). Ob das bei dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 LugÜ anders ist, ist zweifelhaft. Das wegen Ansprüchen aus einem Vertrag gem. Art. 5 Nr. 1 LugÜzuständige Gericht kann nach moderner Auffassung auch über deliktische Ansprüche entscheiden (vgl. Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., 2004, Art. 5, Rz 50, 222). In diese Richtung weist auch die jüngste Rechtsprechung des BGH zu § 32 ZPO (BGH NJW 2003, 828). Darauf braucht hier aber nicht näher eingegangen zu werden. Auf das Problem der Anspruchskonkurrenz kommt es gerade nicht an, da keine vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden, also schon keine Anspruchskonkurrenz besteht.

b) Der Kläger hat die doppelrelevanten Zuständigkeitstatsachen gem. Art. 5 Nr. 3 LugÃœ hinreichend dargelegt. Es reicht nach überwiegender Meinung aus, dass der Kläger die Zuständigkeitstatsachen behauptet, wenn sie mit den klagebegründenden Tatsachen zusammenfallen. Selbst wenn darüber hinaus verlangt wird, dass der vom Kläger behauptete Geschehensablauf stattgefunden hat (so Geimer, a.a.O., Art. 5, Rz 263 ff), so ergeben sich daraus keine Bedenken gegen die Zuständigkeit. Der Kläger hat – worauf im folgenden näher einzugehen ist – hinreichend vorgetragen in Köln auf Veranlassung von Herrn C. zu Gunsten der Beklagten Namensaktien gezeichnet und die Klagesumme gezahlt zu haben, wobei er über die Beklagte getäuscht wurde.

2. Die Klage war auch begründet. Dem Kläger steht der beantragte Anspruch aus § 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 831 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

a) Deutsches Recht ist bereits gem. Art. 40 Abs. 1 EGBGB anwendbar, da das Handeln von Herrn C. der Beklagten zurechenbar ist, worauf noch einzugehen ist. Zudem haben die Parteien im Prozess sich stillschweigend auf die Anwendung deutschen Rechts geeinigt, nachdem der Kläger seine Klage auf deutsche Anspruchsgrundlagen gestützt hat und die Beklagte dem nicht entgegen getreten ist, obwohl sie sich der Problematik des anwendbaren Rechts bewusst war, wie ihre Ausführungen zur Frage der internationalen Zuständigkeit zeigen.

b) Die Voraussetzungen des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB sind begründet.

Der gegenüber dem Kläger handelnde Herr C. ist Verrichtungsgehilfe der Beklagten gewesen. Verrichtungsgehilfe ist, wer von einem anderen eine Tätigkeit übertragen erhält, und in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall steht und zu dem er ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis hat (vgl. BGH NJW-RR 1998, 250, 251 f). Die Beklagte hat dargelegt, Herr C. sei für die Beklagte Handelsvertreter gewesen. Dies allein – so meint sie – schließe aus, dass Herr C. Verrichtungsgehilfe sei. Wenn im Regelfall auch ein nicht angestellter Handelsvertreter kein Verrichtungsgehilfe sein mag (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., 2005, § 831, Rz 8), so gilt dies nicht ausnahmslos. Es ist vielmehr auch in diesem Fall zu prüfen, ob die betroffene Person den Weisungen des Unternehmers unterworfen und von ihm abhängig ist. Daher kann auch ein Handelsvertreter Verrichtungsgehilfe des Unternehmens sein, für das er Vertragsabschlüsse tätigt (vgl. BGH WM 1971, 906, 907).

Die Darlegungen des Klägers sind ausreichend, um die Voraussetzungen eines Verrichtungsgehilfen anzunehmen. Die Beklagte, der insoweit eine sekundäre Darlegungslast gem. § 138 Abs. 2 ZPO zukommt, hat – bis auf die Behauptung, Herr C. sei Handelsvertreter – nichts vorgetragen, was Zweifel an der Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe begründen könnte, obwohl sie hierzu in der Lage gewesen wäre, da nur sie Angaben über das Abhängigkeitsverhältnis machen konnte. Auf diese Darlegungslast ist die Beklagte mit Fristsetzung zur Berufungserwiderung hingewiesen worden.

Herrn C. war die Tätigkeit des Abschlusses von Zeichnungen von Namensaktien von und zugunsten der Beklagten übertragen worden. Nach den unwidersprochenen Darlegungen des Klägers verfügte Herr C. über Unterlagen der Beklagten (Zeichnungsschein zugunsten der Beklagten, Personalbogen der Beklagten, Quittungsformular mit Name und Anschrift der Beklagten). Diese Unterlagen hat er befugt von der Beklagten erhalten. Herr C. hat den Zeichnungsschein und Personalbogen dort unterschrieben, wo die Unterschrift der Beklagten vorgesehen ist. Herr C. besaß eine Visitenkarte, die nicht erkennbar ein anderes Unternehmen der X. Gruppe meinte. Jedenfalls ist allein die Bezeichnung „X. I.“ angesichts der identischen Schreib- und Druckweise von „X.“ und der Aufmachung nicht geeignet, erkennbar zu machen, dass hier ein anderes Unternehmen gemeint ist. Die Beklagte selbst erkennt im übrigen an, dass Herr C. für sie tätig wurde. Sie bezeichnet Herrn C. als ihren Handelsvertreter und behauptet gerade nicht, Herr C. sei gänzlich unbefugt gewesen, für die Beklagte tätig zu werden. Die Beklagte hat denn auch in ihrem Schreiben vom 11.2.2003, mit dem sie auf das Anwaltsschreiben des Klägers vom 28.1.2003 antwortete, dem Handeln von Herrn C. für sie nicht widersprochen. Herr C. hat danach sogar nach dem Vortrag der Beklagten, wenn nicht mit ausdrücklicher Vollmacht, so doch mindestens mit Duldungsvollmacht für die Beklagte gehandelt.

Es ist auch von einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Herrn C. und der Beklagten auszugehen. Herr C. nahm seine Tätigkeit für die Beklagte in Räumen wahr, die – wie sich auch aus dem zur Akte gereichten Foto und der Zeugenaussage ergibt – erkennbar auf die Beklagte hindeuteten. Das in ähnlichem Schriftzug gehaltene Parkschild mit der Aufschrift „X.“ deutet darauf hin, dass hier die Firma der Beklagten ansässig war. Auch der Hinweis auf eine Kölner Telefonnummer auf der vorgelegten Visitenkarte bestätigt dies. Anders als der – im Regelfall – selbständige, von Weisungen unabhängige Handelsvertreter übte Herr C. seine Tätigkeit damit in räumlicher Abhängigkeit zur Beklagten aus. Die Beklagte hat nichts vorgetragen, was diesen nach außen entstandenen Eindruck widerlegen könnte. Sie hat zwar bestritten, in Köln eine Niederlassung oder Filiale zu haben und hat geltend gemacht, unter dem Namen der Z. I. existierten zahlreiche Firmen mit dem Firmenbestandteil Z.. Angesicht der Tatsache, dass sie aber das Handeln von Herrn C. für sie billigte und ihn mit ihren Unterlagen zwecks Abschluss von Zeichnungsscheinen versorgte, hätte sie näher zur Art des Abhängigkeitsverhältnisses vortragen müssen, um dem äußeren Eindruck des Handelns in ihren Räumen zu widersprechen. Dies folgt aus der sekundären Darlegungslast der Beklagten. Schließlich sind regelmäßig nur abhängige Mitarbeiter oder Vertreter in den Räumen des Unternehmens selbst tätig.

Zudem spricht auch der Hinweis auf die „Vertreter-Nr.“ auf dem Personalbogen für eine Abhängigkeit des Herrn C. von der Beklagten. Die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, welche konkrete Selbständigkeit für Herrn C. als Handelsvertreter der Beklagten ergab. Der pauschale Hinweis auf den Handelsvertreter und das Bestreiten der Mitarbeitereigenschaft entlastet die Beklagte angesichts der unstreitigen Umstände nicht, zu dem konkreten Verhältnis zu Herrn C. vorzutragen.

Der Berufungsvortrag spricht noch deutlicher für eine Abhängigkeit. Die Beklagte meint in der Berufung, Herr C. sei Mitarbeiter der Z. I. A/S gewesen und als solcher nicht berechtigt gewesen, Vordrucke wie Zeichnungsschein und Personalbogen zu verändern und weitergehende Vereinbarungen zu treffen. Woher diese Kenntnis von inneren Abläufen bei dieser Gesellschaft stammt, zu der es keine Beteiligung geben soll, bleibt jedoch unklar. Im übrigen wird der Vortrag widersprüchlich, da die Beklagte selbst nach wie vor von einer wirksamen Zeichnung ihrer eigenen Aktien durch Unterzeichnung genau dieser Vordrucke ausgeht.

Herr C. hat den Kläger getäuscht und so zur Zeichnung der Aktien veranlasst. Die Voraussetzungen des § 263 StGB sind nachgewiesen. Die Täuschung liegt darin, dass er dem Kläger erklärt hat, er kaufe Anteile der Beklagten, für die er – wie in den vergangenen – 20 % Rendite im Jahr erhalte. Diese Angaben sind unzutreffend. Tatsächlich zeichnete der Kläger Aktien. Herr C. konnte eine derartige Angabe zur langjährigen Rendite nicht machen, da die Gesellschaft erst im April 1999 gegründet worden war. Herr C. hat dem Kläger zudem erklärt, er könne jederzeit gegen Vorlage der Quittung das Geld zurückerhalten. Diese Angaben waren falsch und irreführend. Dies steht zur Ãœberzeugung des Gerichts durch die Beweisaufnahme fest. Die Zeugin konnte die Behauptungen des Klägers vollständig bestätigen. Die Zeugin machte trotz der Tatsache, dass es sich um die Ehefrau des Klägers handelt, einen überzeugenden, glaubwürdigen Eindruck. Das Gericht ist von Richtigkeit ihrer Aussage, die gerade nicht auswendig gelernt erschien, sondern von eigenem Wahrnehmungen getragen war, überzeugt.

Aufgrund dieser schuldhaften Täuschungshandlung hat der Kläger den Zeichnungsschein unterschrieben. Durch die eingegangene Verpflichtung ist ein Vermögensschaden eingetreten, der ohne Täuschung nicht entstanden wäre. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, der Kläger hätte nicht unterzeichnet, wenn er gewusst hätte, keine Anteile sondern Aktien zu kaufen, die er nicht in kürzester Zeit werthaltig verkaufen könnte. Angesichts dieser durch bewusst irreführende Angabe veranlassten Unterzeichnung ist dem Kläger ein Schaden entstanden, da er nicht das erhalten hat, was er bei korrekter Angabe erhalten hätte. Er hat Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses gem. § 249 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor § 249, Rz 17 ff), also auf Rückzahlung Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Rechte. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden gem. 254 Abs. 1 BGB des Klägers bestehen nicht. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, der Kläger habe den Zeichnungsscheins wohl in dem Bewusstsein unterzeichnet, dass dort von „Aktien“ die Rede ist und er gleichwohl keine Aktien zeichnen wollte. Daraus ergibt sich aber kein Mitverschulden. Die Zeugin hat den Vortrag des Klägers bestätigt, Herr C. habe die Bedenken des Klägers beschwichtigt und erklärt, mit der Unterzeichnung der Quittung für das eingezahlte Geld sei sichergestellt, dass binnen kürzester Zeit (eine Woche) das Geld bei Bedarf wieder zurückgezahlt werden könne. Da dies bei einem Aktienkauf normalerweise nicht der Fall ist, jedenfalls eine entsprechende Sicherheit nicht besteht, durfte der Kläger entgegen der Bezeichnung im Zeichnungsschein angesichts der Erklärungen von Herrn C. auf die kurzfristige Rückzahlbarkeit vertrauen und annehmen, er zeichne tatsächlich ein Anlage. Dass der Kläger Gegenteiliges hätte wissen oder erkennen müssen, hat die Beklagte nicht dargetan.

Sie wird insbesondere nicht durch den Emissionsprospekt entlastet. Sie hat es versäumt, diesen trotz Auflage des Gerichts vorzulegen. Der in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vorgelegte Emissionsprospekt enthält zwar den Hinweis darauf, dass die Beklagte 1999 gegründet wurde, datiert aber vom 1.9.2000 und damit nach der Zeichnung durch den Kläger. Den Emissionsprospekt für die Kapitalerhöhung, in deren Zusammenhang der Kläger Aktien der Beklagten gezeichnet hat, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Auch aus den in der Berufung vorgelegten Statuten ergibt sich nicht, wann die Gesellschaft gegründet wurde, so dass eine eventuelle Einsichtnahme in diese Statuten eine Täuschung nicht ausschließt. Die Beklagte trägt dafür die Beweislast, dass der Kläger Kenntnis vom Alter der Gesellschaft durch Vorlage des Emissionsprospekt und/oder der Statuten hatte. Selbst wenn aufgrund der Unterschrift des Klägers angenommen werden könnte, dass der Emissionsprospekt und die Statuten bei Unterzeichnung vorgelegen haben, so hat die Beklagte den Nachweis entsprechender Kenntnis der Inhalte dieser Unterlagen nicht geführt, da sie sie nicht vorgelegt hat.

Einen Entlastungsbeweis gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB hat die Beklagte nicht geführt.

Soweit die Beklagte in der Berufung die Verjährungseinrede erhebt, bleibt dies schon deshalb ohne Erfolg, weil Verjährung gem. Art. 229 § EGBGB, § 195 BGB, § 852 Abs. 1 a.F. BGB bei Klageerhebung im Juli 2003 noch nicht eingetreten war.

Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB. Dass mit Schreiben vom 12.2.2003 kein Rückzahlungsantrag Zug um Zug gestellt wurde, schließt den Verzug nicht aus, da dies nur dann der Fall ist, wenn das Zurückbehaltungsrecht vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt ist, was nicht der Fall war (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 286, Rz 13).

Seit Antragstellung befindet sich die Beklagte in Annahmeverzug gem. 293, 294, 298 BGB.

Danach wäre die Beklagte vollständig im Berufungsverfahren unterlegen gewesen. Der Wert des Berufungsverfahrens und der Beschwer beträgt 15.338,76 EUR.

Ekrem Senol – Köln, 19.06.2006

Keine Kommentare möglich.

 

WichtigeLinks

JurBlogEmpfehlungen

Blog'n'Roll