Muslimische und christliche Missionare und der bayerische Verfassungsschutz

19. Juni 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | 13 Kommentare |

Als ich die Meldung mit der Überschrift: „Christen sollen Moscheen besichtigen“ bei idea.de, ein christlicher Infoportal, las, erinnerte ich mich an eine Pressemitteilung des Bayerischen Verfassungsschutzes, in der mitgeteilt wurde, dass Muslime wegen missionarischer Tätigkeiten ausgewiesen wurden. Aber der Reihe nach. Erst einmal die Meldung bei Idea.de:

Christen sollten in Deutschland Moscheen besuchen, wenn dort „Tage der offenen Tür“ angeboten werden. Das empfiehlt der Missionar Matthias Knödler von der Deutschen Missions-Gemeinschaft (DMG, Sinsheim bei Heidelberg). Solche Besuche dienten dazu, Muslime kennenzulernen und die Furcht abzubauen, ihnen die christliche Botschaft zu bringen. Laut Knödler verbessern sich die Deutschkenntnisse von Muslimen; dadurch werde es für Christen einfacher, missionarische Gespräche zu führen. Allerdings müsse mehr missionarische Literatur für deutschsprachige Muslime produziert werden. Knödler hat selbst zehn Jahre lang als Missionar in der Türkei gearbeitet. Praktische Verhaltensregeln für Gespräche mit Muslimen gab Recep Asvar, der seit zwölf Jahren im Auftrag der Stuttgarter Evangelischen Allianz als Missionar arbeitet. So sei es ratsam, bei einem Besuch in einem muslimischen Haushalt Glaubensthemen zu vermeiden, wenn noch weitere Gäste im Haus sind. Anhänger des Islam wollten in der Regel nicht, daß Glaubensgenossen von ihrem Interesse am Christentum erführen. Außerdem solle man sehr viel zuhören, den Gastgeber in Glaubensfragen nicht zu überreden versuchen und insbesondere den Koran nicht schlechtmachen. Missionarische Kontakte gelängen leichter, wenn man Muslimen Hilfe anbiete – etwa beim Ausfüllen von Formularen oder bei Behördengängen. …

Nun zum Kurztext der Pressemitteilung des Verfassungsschutzes Bayern vom 18.08.2005:

Bayern weist drei Aktivisten der islamistisch-extremistischen Organisation Tabligh-i Jamaat aus. Beckstein: „Wer unsere freiheitliche demokratische Grundordnung durch einen islamistischen Gottesstaat ersetzen will, hat bei uns nichts mehr verloren“

Und was wird der Tabligh-i Jamaat vorgeworfen? Das steht im Verfassungsschutzbericht 2005 (S. 54):

„… Charakteristisch für die Anhänger der TJ ist eine missionarische Reisetätigkeit, bei der sie Moscheen in ganz Europa aufsuchen. …“

So weit, so gut. Und was bedeutet „Missionierung„? Die Antwort liefert Wikipedia:

„Eine missionierende Religion ist eine Religion, die ihre Botschaft aktiv verbreitet. Mission (v. lat.: missio) bedeutet Auftrag. Eine missionierende Religion fühlt sich von Gott berufen, Nichtgläubige und Andersgläubige zu überzeugen und sie in die betreffende Religion aufzunehmen. Sie wirbt durch Predigten, Verbreitung von Schriften, Hausbesuche oder moderne Massenmedien. Zu den missionierenden Weltreligionen zählen das Christentum und der Islam. Sie vertreten einen universalen, meist monotheistischen Anspruch.“

Aha, Missionierung ist also ein Teil der Religionsausübung. Dazu Art. 4 GG:

„Die Freiheit des Glaubens, der Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. …“

Bei so viel Religion, nun der Papst:

„Missionierung beginnt immer mit einem Gefühl der Hochachtung vor dem, was in jedem Menschen ist.“ Johannes Paul II. (1920 – 2005).

Hochachtung, Herr Beckstein.

Ekrem Senol – Köln, 19.06.2006

13 Kommentare
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  1. Selam, es gefällt den hiesigen Politikern eben nicht wenn jedes Jahr Tausend Deutsche zum Islam konvertieren und gleichzeitig Tausende aus die Kirche austreten. Unseren Politikern wie Beckstein fällt da eben nichts passendes ein, als mit Abschiebung zu werben. Die Muslime sollen verunsichert und eingeschüchtert werden. Doch wer Iman hat, der nimmt lieber Leid auf sich, als das er Allahs Botschaft den Menschen nicht bekannt gibt. Umso mehr in den Medien über den Islam geschrieben wird, ob zum Guten oder Bösen, umso mehr Menschen befassen sich mit dem Islam und konvertieren. Wohl in 20 Jahren wird Hr. Beckstein kein Gehör mehr bei der Bevölkerung finden, weil dann eben schon viele zum Islam gewechselt haben. Aber vielleicht wird dann Hr. Beckstein auch zum Islam wechseln um sein politische Macht zu behalten.

  2. aus der Pressemitteilung ergibt sich aber auch, dass die drei „Missionare“ nicht ganz so friedliebende Zeitgenossen sind. Zur Begründung führt der Verfassungsschutz aus:

    Der Tabligh-i Jamaat und den nun ausgewiesenen Aktivisten dieser Organisation wird neben der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch eine Unterstützung des islamistischen Terrorismus vorgeworfen. Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden weisen nämlich eindeutig darauf hin, dass islamistische Terrororganisationen ihre Mitglieder in einer Vielzahl von Fällen aus den Reihen der Tabligh-i Jamaat rekrutiert haben.

    Schaut man sich dann § 54 Aufenthaltsgesetz an, dann kann ich das so verfassungswidrig nicht finden. Wer als Ausländer nach Deutschland kommt, um hier die freiheitlich, demokratische Grundordnung zu bekämpfen oder um Unterstützung für den Terrorismus wirbt, kann ausgewiesen werden. Ob das nun eine Werbung für islamischen, christlichen oder marxistischen Terrorismus ist, ist egal.
    Insofern ist auch der Zusammenhang zwischen dem idea-Artikel und der Ausweisung „etwas“ konstruiert. Natürlich ist die Missionstätigkeit durch Art. 4 GG geschützt. Dadurch wird der Missionar jedoch nicht von der Beachtung der Gesetze suspendiert, oder?

    Tabligh-i Jamaat wird in der PM eben nicht nur missionarische Reisetätigkeit vorgeworfen, sondern Gefährdung der fdGO und unterstützung des Terrorismus. Beides Gründe, so sie denn vorliegen, diese Organisation nicht als unbedenklich anzusehen.
    Es entzieht sich natürlich meiner Kenntnis, ob Tabligh-i Jamaat wirklich diese Gefahr darstellt. Insofern wäre es vielleicht hilfreich gewesen, wenn die drei Ausgewiesenen gegen ihre Ausweisung vorgegangen wären. So erscheinen die entsprechenden Bescheide bis zum Beweis des Gegenteils nicht so rechtswidrig, wie hier konstruiert.

  3. „Die Tabligh-i Jamaat und ihre Anhänger haben die Islamisierung der gesamten Gesellschaft zum Ziel, um hierdurch letztlich die Errichtung eines islamistischen Staats- und Gesellschaftssystems auch in Deutschland zu erreichen.“ (München, 18. August 2005, Pressemitteilung Nr. 361/05)

    Sie beklagen doch ständig die Berichterstattung über Muslime.
    Was dieser Beitrag in der von Ihnen erstellten Form bedeuten soll, erschließt sich wohl nur einem diskriminierten Moslem. Der Tabligh-i Jamaat wird also als Ziel die Abschaffung der bestehenden, demokratischen Ordnung in Deutschland vorgeworfen. Ich bin wahrhaftig kein Freund von Beckstein – aber das diese „Missionare“ dieses Land verlassen sollen, findet meine vollste Zustimmung.

    Gruß,
    Boo

  4. @ Boo

    Vielleicht sollten Sie sich mal darüber im klaren werden, was Missionare sind und was deren Mission ist.

    Der Missionsbefehl nach Mt 28,18-20: Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.

    Mk 16,15f (Nachtrag zum Evangelium): Geht in die ganze Welt und verkündet der ganzen Schöpfung das Evangelium! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden.

    Das bedeutet mehr oder weniger, dass Missionare religiös unterwegs sind und das Missionieren zur Religionsfreiheit dazu gehört. Die Islamisierung bzw. Verchristlichung oder Evangelisierung der gesamten Gesellschaft ist das Ziel aller Missionare. Ob das Ziel erreicht wird, egal von wem, ist eine andere Frage.

    Zur Errichtung eines islamistischen Staats- und Gesellschaftssystems in Deutschland: Was glauben Sie, was für ein Ziel christliche Missionare in der Türkei haben? Die Wahrung und Achtung des Laizismus? 🙂 Für mich sagt die Religion einer Person noch lange nichts darüber aus, in was für einem System er leben möchte. Dafür kenne ich zu viele Moslems, die die freiheitlich demokratische Grundordnung oder auch den Laizismus zu schätzen und zu würdigen wissen.

    Die Frage, ob man Missionare mag oder nicht mag, ist eine andere Frage als die, Menschen zu Verfassungsfeinden zu erklären, nur weil sie im Grunde ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht in Anspruch nehmen, die Religionsfreiheit.

    Ich kann ihnen daher nicht zustimmen. Missionare gab es schon immer und wird es auch so lange geben, wie Menschen religiös leben. Wahrscheinlich für immer. Diese dann hier oder dorthin abzuschieben, bringt nichts, da es z.B. in Deutschland auch deutsche muslimische Missionare gibt, die im Grunde ja auch nichts anderes möchten, als die Gesellschaft zu islamisieren. Wohin mit denen? 😉

  5. Ich übersetze mal den Sachverhalt:

    In meinem Haus befinden sich Gäste, die andere Gäste dazu überreden wollen, daß nicht mehr ich das Sagen in meinem Haus habe, sondern sie und ihr Glauben.

    Diese Gäste werde ich, auf welche Art auch immer, aus meinem Haus befördern. Welchen Glauben die haben, ist mir dabei schnurzpiepegal.

    Gruß,
    Boo

  6. @ E. S.

    Mir ist noch nicht ganz klar wo Sie die Grenze ziehen zwischen Religionsausübung, Missionierung und religiös geprägtem Terror.

    Obwohl ich Ihre Meinung nicht Teile, dass Missionieren zwangsläufig von der Religionsfreiheit gedeckt wird, sollten Sie Ihren Standpunkt aber nochmal überdenken wenn Gewalt und Terror in’s Spiel kommen:

    … neben der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch eine Unterstützung des islamistischen Terrorismus vorgeworfen …

    Zum Glück gibt es neben der Religionsfreiheit noch andere Grundrechte …

  7. @ bastian

    Meine Grenzen können Sie in jedem Grundgesetzkommentar nachlesen. Dort wird beschrieben, was Religionsausübung ist und was nicht.

    Die Unterstützung wird lediglich behauptet. Über die Unschuldsvermutung sollten Sie auch glücklich sein 😉

    Die Unschuldsvermutung ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 GG). Im deutschen Grundgesetz ist die Unschuldsvermutung nicht ausdrücklich vorgesehen, folgt aber aus Art. 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

  8. Nun, gegen die Unschuldsvermutung ist nichts einzuwenden und da es hier ja nicht um ein endgültiges Urteil sondern nur um Meinungsbildung geht so denke ich, dass das folgende Zitat (aus der von Ihnen zitierten Pressemitteilung) eine klare Sprache spricht:

    … der wesentliche Sinn des Lebens sei darin zu sehen, durch die Verrichtung von Gottesdiensten genügend Punkte zu sammeln, um nach dem Tod in das Paradies einziehen zu können, wobei man die meisten Punkte hierfür als „Shahid“ (Märtyrer) erlange, sobald der erste Blutstropfen den Boden berühre.

  9. @ bastian

    „Sehid“ sind Soldaten, die im Krieg umkommen. Wo kein Krieg, da kein Sehid. Punkte sammelt man mit Plastikkarten.

  10. @ E.S.

    Wo wir schon bei Unschuldsvermutung sind:

    Im Gefahrenabwehrrecht findet die Unschuldsvermutung grundsätzlich keine Anwendung.

    So Wikipedia unter Unschuldsvermutung. Und Ausländerrecht, zumindest was die Ausweisung usw. betrifft, ist Gefahrenabwehrrecht. Geht ja auch schlecht anders, weil präventiv eben mit einem Verdacht im Sinne der Polizeigesetze gearbeitet wird. Restzweifel oder Unsicherheiten bleiben da immer. Der polizeirechtliche Gefahrenbegriff oder die ausländerrechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Im Zweifel muss die Behörde diese Gefahr beweisen (unter Beachtung ihres Ermessensspielraums).

    Richtig ist natürlich, dass zur Religionsfreiheit in Deutschland auch die Freiheit zur Mission gehört. Da gibt es gar kein Vertun, jeder Atheist darf ’nem Katoliken den Glauben ausreden, wie auch die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür tingeln dürfen.
    Zumindest was die Botschaft der Letzteren betrifft (Endgericht, Auserwählung usw.) können die es locker mit so manchem Hassprediger aufnehmen. Der Unterschied: Es gab noch nie ein Attentat durch die Zeugen Jehovas, weil die friedlich sind wie Sau. Bloß mal als Beispiel für zwar nervige, aber absolut ungefährliche Missionare.

    Die Religionsfreiheit entbindet aber nicht von der Achtung der Rechtsgüter anderer Personen oder vor grundlegenden staatsorganisationsrechtlichen Determinanten. Missionsfreiheit umfasst nicht Zwangstaufen wie im Mittelalter. Genauso wie die Religionsfreiheit nicht unbeschränkt gilt, sondern verfassungsimmanenten Schranken unterworfen wird.

  11. @E.S.

    Ich verstehe ehrlich gesagt Ihre Diskussion nicht. Es wurden Extrimisten ausgewiesen, deren Ziel die Abschaffung des Staates ist. Ob Sie das Propagieren, Agitieren, Missionieren oder sonstwie nennen, ist doch dabei völlig wurscht. Diese Extremisten (Fundamentalisten) sehen sich im Krieg. Die Punktesammelei war ein Ausspruch eines dieser Durchgeknallten. 2 Bosnier und ein Marokkaner brabbeln dieses Zeug in Deutschland!
    Raus mit denen – und zwar schnell!

    Gruß,
    Boo

  12. @ Boo

    Wenn Sie den Beitrag genau durchlesen, werden Sie feststellen, dass ich nicht gegen eine Ausweisung bin, wenn es verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt.

    Im vorliegenden Fall behauptet Beckstein Verfassungsfeindlichkeit. Im Verfassungsschutzbericht wird allerdings lediglich die Missionierung genannt. Und deswegen gefällt mir die Begründung nicht.

    Falls verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen, so habe ich nichts gegen die Ausweisung. Die Missionierung allein, ist aber noch lange nicht verfassungsfeindlich. Im Gegenteil: Sie ist verfassungsrechtlich geschützt.

  13. Ich habe den Beitrag gelesen – genau deshalb verstehe ich auch die Diskussion nicht. Eigentlich wird sie genau wegen Ihres Zitates der christlichen Missionierung ad absurdum geführt. Das Ziel der Missionierung der 3 Moslems war letztendlich Anhänger dafür zu finden, den Staat abzuschaffen.

    Ziel der christlichen Missionare in Ihrem Zitat war (ist) unter anderem:
    „…Muslime kennenzulernen und die Furcht abzubauen, ihnen die christliche Botschaft zu bringen.“

    Ich glaube nicht, das Herr Knödler 10 Jahre lang in der Türkei für die letztendliche Abschaffung des türkischen Staates missioniert hat.

    Ich sehe da einen gewaltigen Unterschied.

    Nur zum Verständnis: Ich habe kein Problem damit, daß Moslems versuchen, weitere Glaubensanhänger zu finden. Das tun Christen ja auch.

    Und McDonalds versucht, Kunden von Burger King für sich zu gewinnen – aber deshalb wollen sie ja nicht den Reichstag durch eine Filiale ersetzen…

    Gruß,
    Boo

 

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