Integrationsministerin Maria Böhmer – Ihre Berufung

17. Juni 2006 | Von | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |

Die neue Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU) geht bei der ersten Bundeskonferenz auf Distanz zu ihren Kollegen aus Ländern und Kommunen. Die Pläne des Innenministers möchte sie nicht kritisieren. Schon ihre Tagesordnungspunkte verärgern berichtet die TAZ:

So nahm Böhmer ausdrücklich davon Abstand, eine Resolution zu unterstützen, in der die aktuellen Pläne von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Verschärfung des Zuwanderungsrechts abgelehnt wurden. Während die Mehrheit der Beauftragten befand, beim Familiennachzug für Ausländer seien keine Änderungen nötig, schloss sich Böhmer Schäubles Forderung an, dass Familiennachzügler unter 21 schon vor der Einreise nach Deutschland Sprachkenntnisse vorweisen sollten. … Auch wenn Böhmer andere Forderungen der Konferenz – wie ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge – teilweise mitträgt: Im Zweifel sind ihr die Partei- und Kabinettsdisziplin wichtiger. … So begrüßte sie kürzlich den Wunsch der CDU-Innenminister, Einbürgerungstests einzuführen. … Sie sprach sich dafür aus, dass künftig auch Ausländerbehörden für Integrationsmaßnahmen zuständig sein sollen: „Was ist daran schlecht?“ Viel, meinten zahlreiche Redner. Wer Abschiebungen organisiere, könne kaum integrieren. Böhmer spürte, dass diese Skepsis auch ihr selbst gilt, und bat um „ein Stück Vertrauen“.

Frisch im Amt versucht Frau Böhmer nicht das Vertrauen der Ausländer zu gewinnen, sondern das der Frau Merkel und Herr Schäuble. Denn das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration wurde 2005 von der Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt angesiedelt und als Staatsminister für Integration von der Bedeutung aufgewertet. Der Amtsinhaber hat den Rang eines Parlamentarischen Staatssekretärs. Umgangssprachlich wird das Amt auch als „Ausländerbeauftragter“ oder „Integrationsbeauftragter“ der Bundesregierung bezeichnet. So viel zu Frau Böhmers Berufung und Position.

Frau Böhmer beschäftigt sich, laut ihrer Tagesordnungspunkte, primär mit Zuwanderungsschranken als mit Problemen bereits zugewanderter Menschen. Einerseits nachvollziehbar, da Deutschland jährlich bis zu 200.000 Zuwanderungen braucht, um dem Bevölkerungsrückgang Herr zu werden (siehe dazu: Deutlich mehr zugewanderte in Deutschland). Menschen, die bereits Grundkenntnisse der Deutschen Sprache haben, sind leichter an die Gesellschaft heranzuführen. Auf der anderen Seite allerdings, wird das Bevölkerungsbild in Deutschland zunehmend von Migrantenkindern geprägt sein, die bereits in Deutschland leben:

„Im Hinblick auf die Frage der Zuwanderungspolitik ist von großer Bedeutung, daß die weitaus meisten Zuwanderer zum reproduktiven Sektor der Gesellschaft gehören. Bei den Deutschen betrug die Kinderanzahl pro Frau am Ende des 20. Jahrhunderts 1.2, bei den Zugewanderten 1.9, wobei die aus europäischen Herkunftsländern Zugewanderten eine ähnlich niedrigere Kinderanzahl pro Frau hatten, wie die deutsche Bevölkerung …“ (Herwig Birg, Auswirkungen und Kosten der Zuwanderung, 2001)

Daher wäre Frau Böhm sicherlich nicht schlecht beraten, wenn Sie ihre Arbeit auch darauf ausrichtet, die bereits in Deutschland lebenden zu fördern. Denn allein mit Sprachkursen ist Integration nicht zu bewerkstelligen. Es bedarf des Willens beider Seiten, etwas dafür zu tun. Der Ausländer sollte die deutsche Sprache nicht lernen müssen, um eine Kürzung der Sozialhilfe zu vermeiden. Er sollte die deutsche Sprache lernen wollen, um eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Das sind die Vorgaben. Klar, ist ein wenig schwieriger als der Ayse in Anatolien aufzubürgen, vor ihrer Einreise Deutsch zu lernen. Aber das sind die Herausforderungen.

Neben vielen anderen sollten daher vor allem folgende Themen an der Tagesordnung stehen:

  • Benachteiligung ausländischer Schulkinder bei der Notenvergabe
  • Benachteiligung ausländischer Jugendlicher bei der Ausbildungsplatzvergabe

§ 93 des Aufenthaltsgesetzes führt die Aufgaben des Integrationsbeauftragten wie folgt aus: Die Beauftragte hat die Aufgaben,

  1. die Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten zu fördern und insbesondere die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik auch im Hinblick auf arbeitsmarkt- und sozialpolitische Aspekte zu unterstützen sowie für die Weiterentwicklung der Integrationspolitik auch im europäischen Rahmen Anregungen zu geben;
  2. die Voraussetzungen für ein möglichst spannungsfreies Zusammenleben zwischen Ausländern und Deutschen sowie unterschiedlichen Gruppen von Ausländern weiterzuentwickeln, Verständnis füreinander zu fördern und Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken;
  3. nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen, soweit sie Ausländer betreffen, entgegenzuwirken;
  4. den Belangen der im Bundesgebiet befindlichen Ausländer zu einer angemessenen Berücksichtigung zu verhelfen;
  5. über die gesetzlichen Möglichkeiten der Einbürgerung zu informieren;
  6. auf die Wahrung der Freizügigkeitsrechte der im Bundesgebiet lebenden Unionsbürger zu achten und zu deren weiterer Ausgestaltung Vorschläge zu machen;
  7. Initiativen zur Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten auch bei den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften sowie bei den gesellschaftlichen Gruppen anzuregen und zu unterstützen;
  8. die Zuwanderung ins Bundesgebiet und in die Europäische Union sowie die Entwicklung der Zuwanderung in anderen Staaten zu beobachten;
  9. in den Aufgabenbereichen der Nummern 1 bis 8 mit den Stellen der Gemeinden, der Länder, anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäischen Union selbst, die gleiche oder ähnliche Aufgaben haben wie die Beauftragte, zusammenzuarbeiten
  10. die Öffentlichkeit zu den in den Nummern 1 bis 9 genannten Aufgabenbereichen zu informieren.

Ihre zwei Haupttagesordnungspunkte lassen sich auch mit viel Phantasie schwer unter § 93 AuftenhG subsumieren. Hier stellt sich nun die Frage, woraus Frau Böhmer sich das Recht nimmt, darüber zu bestimmten oder mit zu entscheiden, ob das Zuzugsalter für ausländische Ehefrauen angehoben werden soll oder ob sie bereits vor der Einreise Deutsch lernen müssen.

Frau Böhmer sollte, um erfolgreich zu sein, sich um eine gewisse Portion Vertrauen bei Migranten bemühen. Das wird mit Anhebung des Zuzugsalters und Einbürgerungstests nicht gewonnen aber mit Beseitungsversuchen der Benachteiligungen von Ausländerkindern im Schul- und Ausbildungsbereich. Frau Böhmer sollte auch nicht vergessen, dass Sie nicht die Ausländer- und Integrationsbeauftragte von Frau Merkel – ihrer Beruferin – oder von Herr Schäuble – ihres Genossen – ist. Sie ist Ausländer- und Integrationsbeauftragte von Migranten, für deren Wohl ihr Posten geschaffen wurde.

Ekrem Senol – Köln, 17.06.2006

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