Deutlich mehr Zugewanderte in Deutschland
7. Juni 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |In Deutschland leben weit mehr Menschen mit Migrationshintergrund als bislang bekannt. Zu diesem Ergebnis kommt der Mikrozensus 2005 des Statistischen Bundesamtes. Danach haben insgesamt 15,3 Millionen Bürger einen Migrationshintergrund, das heißt, sie oder zumindest ihre Eltern beziehungsweise Großeltern sind nach Deutschland eingewandert. Das entspricht etwa einem Fünftel (19 Prozent) der Gesamtbevölkerung (82,7 Millionen).
Ohne Zuwanderung wäre der Alterungsprozeß in der deutschen Gesellschaft deutlich fortgeschrittener, als er es heute schon ist. Die Zahl der Zuwanderer sinkt allerdings. Nur rund 136 000 Menschen reisten 2005 nach Deutschland ein mit dem Ziel, dauerhaft seßhaft zu werden. „Was die Menschen erleben, ist aber ,gefühlte Zuwanderung“, zum Beispiel wegen des Familiennachzugs“, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) jüngst im WELT-Interview. Der Minister will nun das Nachzugsalter auf 21 Jahre erhöhen, um Zwangsheiraten zu bekämpfen. Damit würde sich die Zahl der jungen Zuwanderer in Zukunft aber weiter verringern. Im vergangenen Jahr waren es rund 53 000 Personen, die aufgrund des Familiennachzugs ein Visum erhielten. Dagegen holten deutsche Unternehmen gerade einmal 900 Hochqualifizierte ins Land.
Bevölkerungs- und Wirtschaftswissenschaftler empfehlen die Zuwanderung schon seit langem, um die Alterung der deutschen Gesellschaft und die damit verbundenen negativen Folgen für die Sozialsysteme zu mildern. Ohne Zuwanderung würde die deutsche Bevölkerungszahl von heute knapp 83 Millionen auf 59 Millionen im Jahr 2050 sinken. Der Anteil der über 60jährigen an der Bevölkerung würde sich im gleichen Zeitraum auf mehr als 44 Prozent verdoppeln. Allein um die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung in diesem Jahrzehnt konstant zu halten, müßten jedes Jahr zwischen 160 000 bis 200 000 Personen netto zuwandern. Da erfahrungsgemäß aber rund 650 000 Personen pro Jahr wieder zurückwandern, müßten brutto sogar mehr als 800 000 Zuwanderer im Jahr nach Deutschland kommen. In den nächsten Jahrzehnten müßte die Netto-Zuwanderung sogar auf 570 000 bis 710 000 steigen, um die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung konstant zu halten, so analysierten Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in einer Studie für den Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration.
Quelle und Volltext: Die Welt
Ekrem Senol – Köln, 07.06.2006