Nichtehelicher Lebensgefährte/Verlobte fällt nicht unter AufenthG 2004 § 56 Abs 1 S. 1 Nr. 4; Erlöschen des Aufenthaltsrechts nach ARB 1/80
20. April 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |OVG NRW – Beschluß vom 8. März 2006, Az: 18 B 130/06
- Das Verlöbnis bzw. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einer Deutschen führt nicht auf Ausweisungsschutz nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AufenthG.
- Ein Aufenthaltsrecht nach Art 7 Satz 1 ARB 1/80 erlischt unter anderem, wenn der betreffende Familienangehörige das Gebiet des ihn aufnehmenden Mitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt.
- Für die Frage, wann ein erheblicher Zeitraum im oben genannten Sinne vorliegt, kann als Richtschnur der Zeitraum von sechs Monaten herangezogen werden.
„Der Antragsteller macht zur Begründung der Beschwerde zunächst geltend, er lebe seit Jahren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen, mit der er auch verlobt sei. Ob das Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann dahinstehen. Denn jedenfalls führt es entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht auf die Annahme besonderen Ausweisungsschutzes nach der allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Eine Verlobte ist keine Familienangehörige (hierzu Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 1991 – 18 B 84791 -, InfAuslR 1991, 187 und vom 9. August 2002 – 18 B 864/01 -; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 56 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht Band 1, Loseblatt, § 56 Rn. 8, § 55 Rn. 114 mit weiteren Nachweisen) und eine nichteheliche Lebensgefährtin keine Lebenspartnerin im Sinne dieser Bestimmung; weder ein Verlöbnis noch eine nichteheliche Lebensgemeinschaft stellt ferner eine familiäre oder lebenspartnerschaftliche Lebensgemeinschaft in ihrem Sinne dar, denn unter den Begriff des Lebenspartners bzw. der lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG fallen nur (gleichgeschlechtliche) Lebensgemeinschaften im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) bzw. die daran beteiligten Partner (Vgl. auch 56.1.3. i.V.m. 27.2.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG; Hailbronner, a.a.O., mit weiteren Nachweisen.).“
Zutreffend stellt das OVG fest, dass Verlobte keine Familienangehörige sind und eine lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nur gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften erfasst. Insofern ist juristisch gesehen nichts einzuwenden. Auch aus Vorläufigen Anwendungshinweisen zum AufenthG geht nichts anderes hervor.
Es bleibt aber auf den Ersten Blick ein Nachgeschmack: Eine „eingetragene“ gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ist einer „einfachen“ heterogenen Lebensgemeinschaft besser gestellt. Das kann man aber damit begründen, dass dem Homosexuellen die Eintragung der Lebensgemeinschaft und dem Heterosexuellen die Ehe zur Verfügung steht. Dem widersprechen aber – wenn auch etwas zu weit hergeholt – Entwicklungen der letzten Jahre, wenn es um Sozialleistungen an heterogene Lebensgemeinschaften geht. Diese werden gerne als eheähnlich eingestuft i.S.d. ALG II während gleichgeschlechtliche Paare, die keine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet haben, laut Sozialgericht Dortmund nicht in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenleben. Bei der Gewährung von Arbeitslosengeld II erfolgt daher keine Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Partners (Beschluss vom 14.07.2005, Az.: S 29 AS 211/05 ER). Insofern bleibt ein Nachgeschmack dahingehend, dass der Gesetzgeber inkonsequent ist, was zu Unverständnis führt.
„Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht festgestellt, dass dem Antragsteller eine Assoziationsberechtigung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) nicht zukommt. … Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller dieses Recht spätestens durch seine Ausreise in die Türkei im Jahre 1988 verloren hat. Dort hat er sich für 15 Monate aufgehalten.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verliert ein Familienangehöriger seine Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 unter anderem dann, wenn er das Gebiet des ihn aufnehmenden Mitgliedstaates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlässt. (Vgl. Urteile vom 16. März 2000 – Rs. C-329/97 (Ergat), InfAuslR 2000, 217, vom 11. November 2004 – Rs. C-467/02 (Cetinkaya), InfAuslR 2005, 13, und vom 7. Juni 2005 – Rs. C-373/03 (Aydinli), NVwZ 2005, 1292.) In diesem Sinne ist auch die Rechtsprechung des Senats zu verstehen, wonach es zum Erlöschen eines Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 führt, wenn der Integrationszusammenhang durch Aufgabe des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet verloren geht, wovon regelmäßig bereits nach sechsmonatiger Abwesenheit von Deutschland auszugehen ist.“
Ekrem Senol – Köln, 20.04.2006