Vergesst Multikulti, es lebe die Integration!
1. April 2006 | Von E. S. | Kategorie: Leitartikel | Keine Kommentare |War es nicht geradezu absehbar, wie die Debatte um den Hilfeschrei der Rütli-Hauptschule laufen wird? Die Grünen fordern kleinere Klassen, eine bessere Ausbildung der Pädagogen und mehr Geld für Schulsozialarbeit – die Roten dürfen ja nicht, da sie in Berlin regieren und nichts zu verteilen haben. Und konservative Politiker stimmen einmal mehr den Abgesang auf die multikulturelle Gesellschaft an – was im konkreten Fall den Lehrern an der Schule sicher sehr viel helfen wird – und werfen Migranten mangelnde Integrationsbereitschaft vor.
Außenstehende Beobachter der deutschen Debatte um das angebliche Ende des „multikulturellen Traumes“ und der „Wattebausch-Integration“ könnten den Eindruck gewinnen, die Abkommen zur Anwerbung von Gastarbeitern in den fünfziger und sechziger Jahren seien von Claudia Roth unterzeichnet worden, der Bundeskanzler habe bis 1998 Joschka Fischer geheißen – ganz zu schweigen von all den grünen Ministerpräsidenten und Bildungsministern. …
Es ist Fakt: Bundesweit gilt, dass Kinder aus der Oberschicht eine viermal so hohe Chance besitzen, ein Gymnasium zu besuchen wie Kinder aus einem Arbeiterhaushalt – obwohl letztere über die gleichen Fähigkeiten in Mathematik und beim Textverständnis verfügen. Und es gibt weitere Beispiele für diese Form der institutionellen Diskriminierung im deutschen Schulsystem, von der im Ãœbrigen nicht nur Migrantenkinder, sondern auch Kinder aus deutschen Arbeiterfamilien betroffen sind. …
Allerdings stellt die Situation auf dem Arbeitsmarkt jede Integrationspolitik vor große Hürden. Wir können viel über eine „kultursensible“ Integrationspolitik debattieren – Integration für (junge) Erwachsene findet nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt statt. … Nicht Kultur ist das Zauberwort für eine gelingende Integration – sondern Arbeit und Bildung.
Quelle: Spiegel Online
Ekrem Senol – Köln, 01.04.2006