Regelausweisung nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG auf dem Prüfstand

30. März 2006 | Von | Kategorie: Recht | Keine Kommentare |

Victor Pfaff, ein renommierter Ausländerrechtler, wird am 30.03.2006 in einer vertraulichen Anhörung dem Bundesinnenministerium über seine Erfahrungen mit den Anti-Terror-Regelungen berichten. Das Gesetz ist seit Anfang 2005 in Kraft und soll ermöglichen, mutmaßlich gefährliche Ausländer auszuweisen. Die große Koalition in Berlin will das Zuwanderungsrecht in den kommenden Monaten überarbeiten.

Das ist auch dringend nötig, da der aktuelle Gesetzeswortlaut unbestimmt ist und die Gefahr besteht, dass auch unbescholtene Menschen erfasst werden.

§ 54 AufenthG: Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn

  • Nr. 5: Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
  • er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht,

Im Focus der Regelung steht jeder Muslim. Im Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Jahre 2004 werden zwar 31.800 Muslime als verfassungsfeindlich bzw. bedenklich eingestuft, die sich in verschiedenen Organisationen zusammengeschlossen haben und entsprechend Moscheen betreiben. Doch kann § 54 Nr. 5 und 5a jeden Muslim treffen. Sobald ein Muslim mit einer kleinen Spende einen Moscheeverein unterstützt, auch wenn er von der negativen Einstufung der Verfassungsschutzämter keine Kenntnis hat, gefährdet bereits die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bzw. unterstützt eine Vereinigung, die womöglich den internationalen Terrorismus unterstützt.

Brisant wird das Thema, wenn es sich dabei um einen Moscheeverein handelt, die lediglich im „Verdacht“ steht, verfassungsfeindlich zu sein, wie in den meisten Fällen. So kann es vorkommen, dass Muslime wegen einer kleinen, gut gemeinten Spende an einen Verein um die Ecke, bei der offen ist, ob tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen, ausgewiesen werden können auch wenn in der Person des Betroffenen keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt wurden.

Es wird kein Unterschied gemacht, ob der Betroffene verheiratet ist, Kinder hat und ob die Ehefrau oder die Kinder deutsche Staatsbürger sind. So sind Formulierungen wie: „Einer Entfremdung der Familie kann durch brieflichen Kontakt entgegengewirkt werden“, keine Seltenheit.

Die Süddeutsche Zeitung vom 30.03.2006 berichtet über einen ähnlichen Fall, wo der 40-Jährige Houssam Dawood ausgewiesen werden soll, nur weil er gelegentlich in die falsche Moschee in Frankfurt gegangen ist und für den Erhalt des Gebetshauses gespendet hat. Weitere Verwicklungen mit der Moschee des Islamischen Zentrums Frankfurt, das laut Verfassungsschutz der radikalen Muslimbruderschaft „nahe“ steht, sind dem Ägypter nicht nachzuweisen. Keine Hasspredigten, keine Kontakte zu Terrororganisationen. Dennoch soll der Geschäftsmann nach 15 Jahren in Deutschland ausgewiesen werden.

Für Rechtsanwalt Victor Pfaff ist Dawood nur eines von zahlreichen Beispielen, wie überzogen manche Behörden mit den neuen Ausweisungsmöglichkeiten nach dem Zuwanderungsrecht umgehen. Anlass für Korrekturen gibt es aus Sicht von Fachleuten genug: Schon 2004 warnte der Deutsche Anwaltverein vor den vom damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) eingeführten Regelungen. Die Praxis habe die Befürchtungen jedoch noch übertroffen, sagt Pfaff. Würden Maßstäbe wie Spenden oder Moscheebesuche zur Regel, so käme es bald zu „Massenausweisungen“ religiöser Muslime, sagt Pfaff.

Die Leiterin der Kölner Ausländerbehörde dazu: „Wir erfahren häufig von Sicherheitsbehörden, dass zwar Erkenntnisse gegen eine Person vorliegen, aber es wird nicht erklärt, welche“. Sie vergleicht diese Praxis mit einer „Black Box“, bei der zwar ein Gefahrenhinweis ausgeworfen werde, Belege oder Erläuterungen gebe es aber nicht. Manchmal wiesen Verfassungsschutz oder Landeskriminalamt gleich darauf hin, dass die Erkenntnisse nicht vor Gericht verwendbar seien. Der Verfassungsschutz lässt Informanten eben ungern vor Richtern aussagen, denn damit wären sie enttarnt. Die Ausländerbehörde wisse, dass zwar etwas gegen einen Ausländer vorliege, könne ihm aber nicht den weiteren Aufenthalt versagen. „Wir haben ja gar nichts in der Hand“, sagt Dahmen.

Ekrem Senol – Köln, 30.03.2006

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