Handelsblatt vom Februar 1967: Bericht über eine Polizei-Razzia in Düsseldorf

9. März 2006 | Von | Kategorie: Gesellschaft | Keine Kommentare |

„In einem Raum von nicht mehr als 15 Quadratmetern hausen sechs türkische und griechische Gastarbeiter. Übereinander und eng zusammengerückt stehen die Betten; alle Männer liegen schon, obwohl es gerade erst halb neun ist. Aber was sollen sie in diesem Loch anderes anfangen?

Nicht einmal genügend Stühle sind vorhanden; in der Mitte, unter einer schief herunterhangenden Glühbirne, steht ein kleiner, von einer ‚Tischdecke’ aus Zeitungspapier bedeckter Tisch. Der Fußboden ist kahl und schmutzig, nicht anders die Wände; nach einem Bild, einer Gardine sucht man vergeblich (…) Um ins nächste Zimmer zu gelangen, muss man eine steile Holztreppe erklimmen. Nur durch Sperrholzwände wird der Raum zusammengehalten. Hier brennt noch Licht. EM Arbeiter kniet gerade auf einem kleinen Teppich und verrichtet sein Gebet, die anderen hocken in ihren Betten. Aus der Papiertragetüte eines Kaufhauses haben sie sich einen notdürftigen Lampenschirm gemacht. Einen Ofen gibt es für die Leute aus dem Süden nicht, die kaum etwa anderes so sehr vermissen wie Sonne und Wärme. Man sucht nach Worten, um den Toilettenraum zu beschreiben. Auf dem Boden schwimmt eine einzige dreckige Lache, das Inventar besteht aus einer kalksteinernen Latrine ohne Besatz. Das nächste Zimmer erreicht man erst nach einer bei Dunkelheit und Regen halsbrecherischen Kletterei. Ãœber den Dachgarten und von dort über eine wackelige Stiege kommt man in eine Art Verandazimmer von knapp 20 Quadratmetern, das Sieben Gastarbeiter ihr ‚Zuhause’ nennen. So dicht stehen die Betten zusammen, dass kaum für ein paar Hocker und einen kleinen Tisch Platz bleibt.“ 23 Hier drängt sich förmlich das Diktum von Max Frisch auf: „ (…) man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“

Ekrem Senol – Köln, 09.03.2006

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