Eintschädigung eines Flughafenmitarbeiters wegen Versagung der Zutrittsberechtigung
23. Januar 2006 | Von E. S. | Kategorie: Recht | Keine Kommentare |Der Freistaat Bayern muss einem türkischen Flughafenmitarbeiter, dem zu Unrecht die Zutrittsberechtigung zu den sicherheitsempfindlichen Bereichen des Flughafens München entzogen wurde, rund 13 000 Euro Schadenersatz zahlen. Der Flughafenmitarbeiter hatte seinen Job verloren, nachdem das Bundesverkehrsministerium als Folge der Anschläge von New York am 11. September 2001 eine „Luftverkehr-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung“ erlassen hatte, die deutlich verschärfte Anforderungen an die Zuverlässigkeit im Sinne des Luftverkehrsgesetzes stellte (Aktenzeichen 55 O 547/05,B Landgericht Landshut).
Bereits oft wurden Flughafenmitarbeitern der Zutritt zu den sicherheitsempfindlichen Bereichen in Flughäfen entzogen mit der Folge, dass der Job aufgegeben werden musste. Die Gründe für die Entziehung der Erlaubnis waren vielfältig (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004, Az: 3 C 33/03, ehemaliger Inoffizieller Mitarbeiter des MfS der DDR; BVerwG, Urteil vom 11. November 2004, Az: 3 C 8/04, Mitgliedschaft in der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs; Bayerischer VGH München, Urteil vom 16. Juli 2003, Az: 20 BV 02.2746, 20 CS 02.2749, wegen der Tätigkeit für die Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa eV) aber meist unbegründet.
Die Ursachen für die Verweigerung der Zutrittsberechtigung zu den sicherheitsempfindlichen Bereichen liegen in den Verfassungsschutzämtern. Im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung wird eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz getätigt, die eine „Empfehlung“ ausspricht, die, sobald sie negativ ausfällt, stets zur Verweigerung führt. So wird der Verfassungsschutz in der Praxis, wie so oft, zum Entscheidungsträger obwohl der Verwaltungsakt an anderer Stelle erlassen wird. Da der Verfassungsschutz jeden, der Mitglied einer Organisation ist, die auch nur im „Verdacht“ steht, verfassungsfeindlich zu sein, negativ bewertet ohne Einzelheiten zu berücksichtigen, kommt es zu ungerechtfertigten Kündigungen. Im aktuellen Fall lebt der Kläger seit 22 Jahren anstandslos in Deutschland und ist am Arbeitsplatz nicht aufgefallen. Dennoch musste der Familienvater 18 Monate lang von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe leben.
Solche Ergebnisse werden sich auch künftig nicht vermeiden lassen, wenn die durch Gesetze gesetzten Mitwirkungsgrenzen der Verfassungsschutzämter durch die weit verbreitete Praxis in den Behörden ausgehöhlt werden mit der Folge, dass der Verfassungsschutz zum Entscheidungsträger mutiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Entschädigung des Flughafenmitarbeiters dazu beiträgt, dass wieder eine Einzelfallüberprüfung Seitens der Behörden erfolgt, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Auch darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass Entscheidungen der Verfassungsschutzämter meist politischen Charakter aufweisen, wie auch Prof. Dr. Dietrich Murswiek (NVwZ 2004, 769) in „Der Verfassungsschutzbericht – das scharfe Schwert der streitbaren Demokratie – Zur Problematik der Verdachtsberichterstattung“ ausführt. Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder seien Instrumente im politischen Kampf. Wer im Verfassungsschutz als „extremistisch“ bezeichnet sei, werde aus der politischen und publizistischen Diskussion ausgeschlossen und politisch wie gesellschaftlich isoliert.
Die oben aufgeführten Entscheidungen belegen dies eindrucksvoll. Einfache Arbeitnehmer werden, ohne dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, in den sozialen Abseits gedrängt mit der Begründung, sie seien Mitglied einer Organisation, die im „Verdacht“ stehe, verfassungsfeindlich zu sein. Offen bleibt, da keine Einzelfallprüfung vorgenommen wird, ob auch die Person verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat oder ob die Person sich unter Umständen für eine verfassungstreue Linie innerhalb der Organisation eingesetzt hat.
Ekrem Senol – Köln, 23.01.2006